TUHH Spektrum Oktober 2016 | Page 44

44 Welche Vorbereitung war für ihren Einsatz zeitlich und inhaltlich erforderlich? 15 Meilen vor der libyschen Küste wurde dieser Seelenverkäufer aus Tripolis mit mehr als 400 Menschen, verteilt auf zwei Decks, entdeckt. Die Geretten wurden von dem SAR-Team mit Till Rummenhohl (links) zunächst auf ein Schlauchboot und dann auf die "Aquarius" gebracht. Jan Drumm: Teilnehmen können nur Kräfte mit einer abgeschlossenen Ausbildung bei der Bundeswehr, die außerdem ein maritimes Studium absolvieren oder absolviert haben. Ich musste Kenntnisse über einsatzspezifische Rechtsgrundlagen erwerben und zuvor eine mehrstufige Ausbildung im Boarding von Schiffen absolvieren. Dabei lernt man, wie Hilfsgüter in Kriegsgebiete transportiert werden und auf welche Gefahren man achten muss. Außerdem habe ich eine Schulung zum Embargo Control Offizier absolviert, das war mein Job an Bord der durchsuchten Handelsschiffe. Was war das Schlimmste? Was hat sie enttäuscht? dung im Rettungsbereich oder Sicherheitstrainings, aber man muss eine spezifische Qualifikation mitbringen. In meinem Fall sind das mein schiffbauliches Ingenieurstudium, meine maritimen Kenntnisse durch das Segeln sowie Erfahrungen mit Flüchtlingen. Der Flug wird von der Organisation gebucht und bezahlt. Jan Drumm: Die Armut und Hunger waren allgegenwärtig. Es sind immer Einzelschicksale, mit denen man konfrontiert wird und bei denen man gern helfen würde. Ich kann nicht sagen, was mich enttäuscht hat. Eher ist es ein Appell, dass die Gesellschaf t nicht gleichgültig wegschaut, sondern nach Lösungen sucht.Weil diese vielschichtigen Probleme einzig durch eine Zusammenarbeit aller Beteiligten gelöst werden können. Leider ist auch nach nun 20 Jahren kriegsähnlichem Zustand in Somalia kaum eine Besserung in Sicht. Dies sollte Ansporn sein, noch mehr zu tun, aber nicht nur auf militärischer Ebene, sondern vor allem im Bereich der Bildung sowie mit dem Aufbau nachhaltiger wirtschaftlicher Strukturen dort. Was war ihre schönste Erfahrung? Till Rummenhohl: Das sind wohl die Geschichten, die ich von Till Rummenhohl: : Grundsätzlich bedarf es keiner Ausbil- Jan Drumm: Obwohl Menschen aus 35 Nationen an der Mission beteiligt waren, haben wir bis auf die Sprache keine grundsätzlichen Unterschiede festgestellt. Das war sehr beeindruckend. Till Rummenhohl: : Das Leben an Bord mit den Geretteten, die Konfrontation mit ihren Schicksalen ist anstrengend, aber gleichzeitig erlebt man ganz viel Hoffnung, Dankbarkeit und große Freude. Dies führt zu einer sehr komplexen Gefühlslage. Bei unserer letzten Überfahrt nach Italien mit 400 Menschen an Bord haben wir eine Geburt miterlebt. Kaum vorzustellen, was passiert wäre, wenn die Hochschwangere ihr Baby im Schlauchboot geboren hätte, im dichten Gedränge von Menschen und in einer Lache aus Salzwasser und Benzin. In dieser Situation voller Ereignisse, ein strahlendes neues Leben begrüßen zu dürfen, das hat etwas sehr Unwirkliches. den Geretteten zu hören bekam. Sie alle haben fürchterliche Dinge erlebt. Nach Verfolgung, Vergewaltigung, Missbrauch, Unterdrückung, Gefangenschaft in schlimmsten Verhältnissen und Krieg, ist der Tod im Mittelmeer für viele das geringere Übel. Enttäuscht bin ich von Europa, von der Weltgemeinschaft. Was in Frankreich, Griechenland und Italien mit den Menschen, die wir retten, geschieht, ist unwürdig für einen solch‘ reichen Kontinent wie Europa. Abkommen wie „Dublin“ schaffen riesige Mengen an Flüchtlingen, die für die Mittelmeerstaaten nicht mehr zu managen sind. Mit welcher Botschaft kehren Sie nach Deutschland zurück? Jan Drumm: Nicht wegschauen und relativieren. Jeder Mensch in diesen gebeutelten Ländern sucht nach einem Stück Sicherheit und Auskommen. Wir sollten daher besser danach suchen, wie man es schaffen kann, jedem ein würdiges Leben zu ermöglichen und dabei nicht vergessen, welch hohen Lebensstandard wir in Deutschland im Vergleich dazu haben. Wenn die Menschen ein Auskommen haben, vermeidet man viele Konflikte.