TheKiteMag - Deutsch (Vorschau) KiteSurfMag #7 - Deutsch (Vorschau) | Page 33

AUS DAKHLA VON Cai WaggetT J edes Mal, wenn ich nach Dakhla komme, genieße ich das Gefühl, mit diesem Ort mehr und mehr vertraut zu werden. In Sachen Kiten gilt die Wüstenprovinz am Rande der Sahara nicht umsonst als Afrikas Nummer eins, die sich bereits als Austragungsort der World Tour einen Namen machen konnte: Äußerst fotogene Spots mit verlässlichem, guten Wind über das ganze Jahr und die Möglichkeit langer, epischer Downwinder sprechen für sich. Den Prozess des Ankommens liebe ich hier ebenso sehr wie den Ort selbst. Es fühlt sich an, als würde ich mein Leben im kalten Nordeuropa für kurze Zeit komplett zurücklassen. Alles fängt meist damit an, dass ich beim nächtlichen Anflug mein Gesicht im Flugzeug ans Fenster presse wie ein Kind, um auf die blinkenden Lichter 30.000 Fuß unter mir zu starren, die in Richtung Wüste hin immer weniger werden. Dann, nachdem wir der Halbinsel näher kommen, die sich wie ein gekrümmter Finger in den Mittelatlantik hakt, landen wir. Fix und fertig von all den Transfers (und dem Essen im Flieger) verlasse ich das Flugzeug. Und spüre sofort den warmen Nordwind im Gesicht, der mich wie ein alter Kumpel im Empfang nimmt. Dann geht es weiter vom Flughafen zu meiner Unterkunft. Beim letzten Mal war es das Dakhla Spirit Camp (das seinem Namen mehr als gerecht wird!). Das vertraute Brummen eines wüstentauglichen Geländefahrzeugs macht sich bemerkbar. Wir laden unsere Siebensachen ein und verlassen den ins schummrige Licht der Natriumlampen getauchten Flughafenparkplatz in Richtung Stadt, vorbei am in grell, aber charmant in Neonfarben blinkenden Kreisverkehr und den glänzenden Gehsteigen aus Marmor, weiter in die dunkle Nacht. Durchs offene Fenster weht mir der scharfe Geruch des Meeres in die Nase. Auf unserem Weg nach Norden passieren wir noch die ein oder andere Polizeikontrolle. Zu unserer Rechten liegt die berühmte Lagune Dakhlas mit den zahlreichen Camps, die sich am Ufer angesiedelt haben. Als wir im Camp ankommen, bläst uns der Wind um die Ohren. Ich werde zu meinem Zimmer gebracht und gehe direkt ins Bett – schließlich will ich morgen fit sein. In der Dunkelheit pfeift der Wind durch die Ritzen des Raumes, alles knarrt und ächzt. Ein einschläfernder Mix an Geräuschen. Langsam gewöhnt sich mein Körper auch an die Temperatur, und im Halbschlaf träume ich, dass ich auf See bin. Naja, es ist ja auch (fast) so: Ich liege hier am Rande einer endlosen Wüste, und am anderen Ende befindet sich das Ufer des Atlantiks. Mit der Morgendämmerung beginnt hier die spektakulärste Sonnenaufgangs-Show ever – etwas, das ich in meiner Abwesenheit sehr vermisst habe. Sonnenaufgänge in der Wüste haben etwas Majestätisches. Während der leuchtende Ball langsam am Horizont des Ostens auftaucht, explodiert sein Licht aus der trockenen Welt heraus und breitet sich aus. Jeden Morgen stehe ich früh auf, nur um mir dieses Naturschauspiel anzusehen. Ich trinke meinen Kaffee und schätze die Windstärke daran ab, die stark die marokkanische Flagge im Morgengrauen weht. Das Frühstück wird im Restaurantbereich serviert: Gebäck, Obst, Eier und Kaffee. Dabei lauscht man dem aufgeregten Geschwätz der Wüstenspatzen, die geduldig warten, was für sie zum Frühstück REFLEXIONEN abfällt. Ein vertrautes Morgenritual in Dakhla, das ich voll und ganz genieße. Rhino, der Hund des Camps, folgt mir, als ich das raue Plateau über den Zimmern erklimme und dabei meine empfindlichen Winterfüße durch das felsige Gelände dirigiere. Hier oben kann ich Energie schöpfen und einen Plan für den Tag machen. Unter mir schlängelt sich die geschwungene Lagune Dakhlas dahin – und im schillernden, nach Süden fließenden Chop entdecke ich bereits ein paar Kiter! Plötzlich bin ich total aufgeregt. Ich muss sofort aufs Wasser! Wesentlich schneller, als ich heraufgeklettert bin, eile ich wieder nach unten, mit Rhino auf den Fersen. Sami, der Coach des Kitecenters, stattet mich mit Material aus und ich mache mich bereit zum Start. Die Leinen sind dran, der Kite ist in der Luft. Ich gehe absichtlich über den weichen Sand am Ufer entlang und suche meinen Weg durch haufenweise Muscheln, die sich in der Gezeitenzone angesammelt haben – Herzmuscheln, Scheidenmuscheln und köstliche Austern – in Richtung der Lagune. Dort setze ich mich ins warme, seichte Wasser, atme tief ein, steuere meinen Kite scharf nach unten und gleite davon. Ich cruise nach Lee, über mir die Sonne, neben mir Dragon Island, Afrika zu meiner Linken und der Atlantik, obwohl außer Sichtweite, zu meiner Rechten. Eine Welt völlig abseits meines Alltags, die meine Mundwinkel nach oben wandern lässt. Ich bin am Rande der Sahara, wo der Wind niemals Pause zu machen scheint ... Und jedes Mal, wenn die Wüstensirene Dakhlas ihren betörenden Gesang anstimmt, folge ich ihr – und kehre an diesen magischen Ort zurück. 33