The Doppler Quarterly (DEUTSCHE) Winter 2018 | Page 20

Ebenezer Scrooge und sein Geschäftsbuch Mr. Scrooge ist natürlich der berüchtigte Geldverleiher und Geizhals aus Charles Dickens' berühmter Erzählung „Eine Weihnachtsgeschichte“ aus dem 19. Jahrhun- dert. Auf dieser Geschichte basieren zahlreiche Filme. Mein persönlicher Favorit ist „Scrooge“, das Musical mit Albert Finney in der Hauptrolle. In einer bestimmten Szene folgen wir Scrooge, als er mehrere Menschen auffordert, endlich ihre Kre- dite zu bezahlen, die er ihnen gewährt hat. Als seine Schuldner versuchen, mit ihm über die Zahlungen zu verhandeln, nimmt er Einträge in ein kleines schwarzes Buch vor. Dann verlangt er, dass jeder Eintrag unterschrieben wird, um den Vor- gang zu bestätigen. Später überträgt ein Mitarbeiter (Bob Cratchit) die Transakti- onen in ein größeres schwarzes Buch – Scrooges Geschäftsbuch. Geschäftsbücher wie das von Scrooge wurden jahrhundertelang für permanente, sequenzielle Aufzeichnungen von Wertaustauschtransaktionen verwendet, die von einer einzigen, vertrauenswürdigen Instanz geführt wurden. Aber als Reichweite und Volumen der Transaktionen weiter zunahmen, nahm auch der Bedarf an Vermittlern zu. Nachdem die Unternehmen diese vertrauenswürdigen Beziehungen mit Dritten aufgebaut haben, beauftragen sie Vermittler damit, Gültigkeit und Reihenfolge der Transaktionen in ihren Geschäftsbüchern abzustimmen und zu bestätigen. Nehmen wir folgendes Beispiel: Angenommen, Scrooge wollte mit einem ihm bisher unbekannten Unternehmen in Frankreich Geschäfte tätigen, zu dem bisher keine Vertrauensbeziehung bestand. Beide Parteien zeichnen ihre Geschäftstransaktionen in ihren eigenen Geschäftsbüchern auf. Dann neh- men sie die Dienste einer Drittpartei in Anspruch, mit der sie beide zuvor ein Vertrauensverhältnis aufgebaut haben. Diese beiderseitig vertrauenswürdige Drittpartei stimmt die Transaktionen in den Geschäftsbüchern ab, um die Konsistenz zu gewährleisten und mögliche Diskrepanzen zu vermeiden. Da die Drittpartei auch ein Unternehmen betreibt, bezahlen sowohl Scrooge als auch das Unternehmen in Frankreich jeweils eine geringe Gebühr für die erbrachten Leistungen. Ein schneller Wechsel in die Gegenwart Ob wir es wollen oder nicht, Geschäftsbücher sind nach wie vor ein zentraler Bestandteil unseres täglichen Lebens. Ihre Bank führt Buch über Ihre Ein- und Auszahlungen. Ihr Kreditkartenunternehmen führt Buch über Ihre Belastungen und Zahlungen. Das Grundbuchamt führt Buch über Eigentum und Eigentumsübertragungen (z. B. Ihr Haus). Und auch die Kfz-Zulassungs- stelle führt Buch über Fahrzeugbesitz und Eigentumsübertragungen. Also nutzen wir immer noch vertrauenswürdige zentrale Behörden, um unsere Bücher zu kontrollieren. Der einzige grundlegende Unterschied zwischen Scrooges Büchern und den heutigen Büchern ist die Technologie. Solche Bücher werden heute digital gespeichert. Der Pro- zess selbst hat sich nicht verändert. Unternehmen verlassen sich nach wie vor auf Dritte, um Abstimmung, Konsistenz und Vertrauen in das System zu gewährleisten. Sie vertrauen Ihrer Bank bei deren Buchführung. Und Ihre Bank vertraut einer Drittpar- tei, hier der Clearingstelle, die sie für das Clearing und die Abstimmung von Transaktio- nen über ihre Bücher (an andere Banken und Unternehmen und deren Bücher) nutzt. Was hat dies alles mit der Blockchain-Technologie zu tun? Blockchain ist einfach formuliert auch ein Geschäftsbuch, das in diesem Umfeld als Ledger bezeichnet wird. Der große Unterschied bei Blockchain 18 | THE DOPPLER | WINTER 2018