The Doppler Quarterly (DEUTSCHE) Frühjahr 2017 | Page 55
Die harte Realität
Wir beobachten immer wieder das Gleiche in Unternehmen: Menschen und
Prozesse verlangsamen die Cloud-Einführung. Ein Teil des Problems besteht
darin, dass wir uns als Cloud-Technologen in der Regel nur mit der rein tech-
nologischen Lösung beschäftigen. Wir vertrauen stark in die Kraft unseres
Designs. Wer wird es wagen, die offensichtlichen Vorteile von On-demand-
und API-gesteuerten Cloud-Infrastrukturen infrage zu stellen?
Leider wissen wir alle nur zu gut, wie viele Projekte dadurch zu Grabe getragen
werden – automatische Unterstützung und Begeisterung sind nicht garantiert.
Warum geraten also die meisten Cloud-Einführungsprojekte ins Trudeln und
führen nicht zur versprochenen Agilität und Geschwindigkeit? Wir haben fest-
gestellt, dass beim Großteil der Cloud-Initiativen zu wenige Ressourcen in den
Abbau der häufigsten Hürde investiert werden: des natürlichen Reflexes der
Menschen, sich gegen technologische und prozessbezogene Veränderungen
zu sträuben oder sie sogar zu behindern.
Warum sträuben sich Menschen gegen die Cloud?
Im Endeffekt ist die Cloud eine Technologie, die Umbrüche verursacht. Sie
bedroht den Status Quo der traditionellen Rollen und Verantwortlichkeiten
von Technologen in großen Unternehmen. Die Cloud zwingt Unternehmen zu
einem Paradigmenwechsel im Hinblick darauf, wie ihre Infrastrukturen
genutzt und bereitgestellt werden. Die Cloud lässt ihnen keine andere Wahl, als
ein gänzlich neues Funktionsspektrum von Services aufzubauen. Dies wiede-
rum erfordert die Einführung von neuen Prozessen und Kompetenzen. Die
Infrastruktur ist keine physische Ressource mehr und die damit verbundenen
Managementprobleme sind nicht mehr operativer und servicebezogener Art.
Die Probleme mit der Infrastruktur im Zeitalter der Cloud haben mit dem Soft-
ware-Design und dem Entwicklungsmanagement zu tun.
Eine große Cloud-Initiative bringt eine Reihe ganz neuer Technologien mit
sich. Das bedeutet, dass die Mitarbeiter neue Tools erlernen und sich neue Fer-
tigkeiten aneignen müssen. Network Engineers steuern beispielsweise keine
Konfigurationen von Firewall und Router-Hardware mehr, sondern müssen
lernen, Virtual Private Clouds zu verwalten und ihre Netzwerkarchitekturen
als Code aufzubauen.
Durch die Cloud sind manche Rollen weniger, andere dagegen umso mehr
gefragt. Die Nutzer der Rechenleistung und des Netzwerks im Unternehmen
können erwarten, dass sich ihre Infrastruktur über ein Self-Service-Portal
bereitstellen lässt. Die Bereitstellung ihrer Hardware erfolgt nicht mehr über
Service-Tickets und zentralisierte Erlasse. Durch die Automatisierung sind
keine langen Meetings mit Kadern von Systementwicklern und Projektmana-
gern mehr nötig. In der Cloud kann sich die Bereitstellung auf einen Mausklick
oder den Aufruf einer Software-API reduzieren.
Einführung in das Leistungsmodell beim Organizational
Change Management
Unterscheidet sich eine Initiative für die Cloud-Einführung wirklich vom Orga-
nizational Change Management bei einem anderen Projekt? Was wir im Laufe
der Jahre gelernt haben, ist, dass der Widerstand gegen die Cloud im Grunde
die gleiche Opposition ist, die Menschen gegen jede größere Veränderung im
Unternehmen zeigen. Daher können wir dieselben Werkzeuge anwenden wie
beim Organizational Change Management und der Umstrukturierung von
Prozessen. Abbildung 1 illustriert eine Einführung in die sogenannte Leis-
tungskurve beim Organizational Change Management.
FRÜHJAHR 2017 | THE DOPPLER | 53