Sonntagsblatt 6/2014 | Page 8

nach dem Ersten Weltkrieg das Ungarndeutschtum aus seinem Dornröschenschlaf zu erwecken. Mit Erfolg. Zahlreiche Orts - gruppen wurden gebildet und es begann eine rege Kulturarbeit. Musikkapellen, Gesangchöre und Laientheatergruppen brachten neues Leben in die deutschbewohnten Ortschaften. Bleyer über- betonte Vaterlandsliebe und -treue kam auch in der Kulturarbeit zur Geltung. Und dennoch! Der madjarischen Obrigkeit war alles verdächtig und widerlich, was deutsch klang. Beispiele dazu will ich dem Heimatbuch „Waschkut“ von Dr. Paul Flach entnehmen. Ich zitiere: Doch nicht erst seit dem Zweiten Weltkriege wurden die Deutschen „als Feind der madjarischen Nation” betrachtet, das Blatt „Ma - gyarok Lapja“ (Zeitungsblatt der Madjaren) hielt das ungarländische Deutschtum schon 1931s „den einzigen und ewigen Feind des Ungartums” (SBL. vom 17.1.1932, S.8). Außerdem wurden die un - gar ländischen Deutschen schon von jeher als Pangermanen und Vaterlandsverräter, später auch als Faschisten und Nationalsozialisten hingestellt, die unbedingt „auszurotten waren”. So schreibt z.B. „Bajai Újság”(Bajaer Zeitung) vom 19. Juni 1926 u.a.: „Die Regie - rung unterstützt die Bündler (gemeint ist der Volksbildungsverein Bleyers – die Red.) nicht, sondern ist vorläufig nur gezwungen, ihr kindliches Spiel zu dulden! Wir hoffen, diese kleine Brennnessel wird den Garten der Hungaria nicht lange verunzieren. Es naht die Zeit, wo der Garten in Ordnung gebracht wird; wir werden dafür Sorge tra- gen, dass im geweihten Boden der Batschka nicht einmal ein Samen übrig bleiben wird…” (Sbl. 4.7.1926, S.7) Ja, so schrieb man über das ungarländische Deutschtum, das sich wagte, im Sinne ungarischer Gesetze und Verordnungen deutsche Schulbildung und deutschen Gottesdienst zu verlangen, schon zu einer Zeit, da man ihm weder Nationalsozialismus noch Waffen-SS- Zugehörigkeit habe anhängen können. Auch die Waschkuter Deutschen haben sich schon 1926 – und nicht erst 1945 – „gegen das ungarische Vaterland versündigt”. Wie es zu dieser schrecklichen „Friedensstörung“ gekommen ist, lesen wir im Sonntagsblatt (vom 14. 3. 1926, S. 3), wo es u.a. heißt: „Eine in Baja erscheinende ungarische Zeitunghält sich darüber auf, dass die Waschkuter Leventegruppe eine Laienvorstellung ver- anstaltete und eine deutsche Posse: Der böse Geist Lumpazi va - gabundus aufgeführt hat. Das sei eine „Friedensstörung”, ein Zei - chen der „Sonderziele” der Deutschen, eine „Scheidewand” zwischen Ungarn und Deutschen, eine Versündigung gegen die ungarische Idee und besonders unverzeihlich sei es, dass an der Veranstaltung dieser hochverräterischen Laienvorstellung auch die Lehrer Franzwa und Schmidt (bald danach zu Sasvári madjarisiert) als Führer beteiligt waren… Wenn wir uns obiges genau überlegen, so müssen wir zur Schlussfolgerung kommen, dass unsere Sünde für eine Entei - gnung und Vertreibung nicht durch die Angaben der Volkszählung von 1941 zustandegekommen ist, sondern wir waren für eine Verfolgung schon Jahre vorher verurteilt. Nur haben dies unsere schlummernden Landsleute nicht bemerkt oder nicht ernstge- nommen, sonst hätten sie sich doch wenige Jahre danach nicht in verschiedene Lager gespalten und einander befehdet. Das Urteil galt ab ovo der deutschen Volksgruppe Ungarns! Sehr merkwürdig, – nicht wahr? Die heute bereits ins Jenseits abtretende Generation könnte bestimmt noch viele derartige Fälle aufzeichnen, – und wir bitte solche dem Sonntagsblatt mitzuteilen, denn schließlich gehört auch das zu unserer Geschichte Wir schreiben für SIE. Werben Sie für UNS! Unterstützen Sie DAS SONNTAGSBLATT 8 Südtirol und wir (Ungarndeutsche) Viele unserer Landsleute neigen dazu, uns mit Südtirol zu verglei- chen, d.h. das Schicksal der Südtiroler Deutschen mit dem unsri- gen auf einen Nenner zu bringen. Dabei werden als „Beweise” angeführt: Vom Mutterland abgetrennt, – Zusammenleben mit „frem den” Menschen, – dem Druck der Staatsmacht ausgesetzt – Nachteile des „Andersseins”, – u. a. m. Doch weit gefehlt! Dem Schein nach gibt es Ähnlichkeiten, doch die Wirklichkeit ist eine ganz andere. Ja, wie ist es in Südtirol? Und wo liegen die Unterschiede im Vergleich mit den Ungarndeutschen? Bitte, auf den Seiten 29–30 dieses Blattes den Bericht über eine Urlaubsreise nach Südtirol genau durchzulesen, und schon wer- den Sie klüger sein. Da gibt es aber noch viel hinzuzufügen. Der große Unterschied liegt schon in den geographischen/sta - tistischen Zahlen (Statistik aus 1991): Das an Italien abgetrennte Südtirol hat eine Fläche von 7400 Quadratkilometern. Gesamteinwohnerzahl: 440 508, davon Deut - sche 282 000 (ca. 68%). Die Mehrheit der Gemeinden sind deutsch sprachig (nur 5 mit italienischer Mehrheit, 8 mit ladini- scher Mehrheit). Ungarns Fläche ist 93 000 Quadratkilometer mit einer Einwoh - nerzahl von rund 10 Millionen Menschen, davon (vielleicht) 2% Deutsche (heute gibt wahrscheinlich keine Gemeinde mehr mit deutscher Bevölkerungsmehrheit, wobei es doch vor dem 2. Welt - krieg noch Hunderte solche gab). Die Muttersprache der Südtiroler Deutschen ist (natürlich?) Deutsch. Sie sprechen und schreiben nicht über ihre M