Sonntagsblatt 5/2016 | Page 24

• Ungarns Deutsche Jugend •
Jungs von GJU-Budapest beim YOU . PA- Programm in Berlin

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Gedanken zur Lage der deutschen Volksgruppe in Ungarn : Stefan Pleyer

Die neue Maurerarbeit

Kommentar zu „ Ein baufälliges Haus ” von Patrik Schwartz Kiefer in Sonntagsblatt 3 / 2016
Das Haus , das gemeinsame , in diesem Fall das virtuelle Kong - lomerat kämpft leider tatsächlich mit wesentlichen statischen Problemen . Das Gebäude selbst ist ja veraltet , die Flickerei der Nachrenovierung machte seine Struktur systemlos . Genau aus die sem Grund verfällt es in unseren Tagen . Nun sehen wir , mit welcher Maurerarbeit kann man daraus ein gesundes und nachhaltiges Heim schaffen ? Eine einzige Sache ist sicher : ohne Fundament , d . h . mangels richtiger Geschichtsauffassung , Erinnerungspolitik und Traditio - nen kann keine einzige politische Gesellschaft lückenlos sein , be - sonders steht dies in Hinsicht einer Nationalität . Außer or dent - liche , eine nachweislich 800-jährige Geschichte darf das Ungarn - deutschtum anmaßen , ergo haben wir dabei keinen Grund für Selbstmitleid . Das Ahnenhaus dauert von den ersten bayerischen Hospessiedlern bis zur Gegenwart , – dessenungeachtet ist es schon eine andere Frage , wie wir diese Schätze , kulturelle Res - sourcen ausnutzen .
Heutzutage nimmt die Symbolik der Vertreibung einen exklusiven Platz in dieser Erinnerungspolitik ein : niemand diskutiert über die Wichtigkeit dieser Tragödie , die das Schicksal unserer Minderheit bedeutungsvoll beeinflusst , aber unser der Welt gezeigtes Bild wird damit sehr einseitig : nur Schicksalsschläge nach Schicksalsschlägen . Die Hinterstrategie ist vermutbar : die großen nationalen Katastrophen haben gesellschaftsgestaltende Kraft ( nehmen wir als Beispiel das berühmte Ady-Gedicht : „ Wir brauchen Mohatsch ”, oder denken wir an Auschwitz , das – quasi – die jüdische Gesellschaft vereinigte , wodurch der Staat Israel zustandekam ). Jedoch die deutschen ( in diesem Sinne die ungarndeutschen ) Eigenschaften , Merkmale haben schon weit vor der Zeit der Vertreibung als Generalnenner funktioniert . Summa Sum marum : Die geschichtliche Erinnerungspolitik und Inter - pretation müssen noch mit vielen wiederentdeckten Elementen ergänzt werden – neue Vorbilder , Helden , und Aspekte warten auf ihre Rolle im weiß-blauen Bewusstsein .
Aber wie einig und aktiv ist unsere politische Gemeinschaft ? Traurigerweise auch in diesem Thema gibt ’ s vieles zu renovieren . Nach der Wende bekam das Ungarndeutschtum neue Rechte , mehr als die deutschen Minderheiten in den benachbarten Län - dern : wir dürfen Selbstverwaltungen gründen , deutsche Vorna - men tragen , eigene Presseorgane haben etc . Nichtdestotrotz zeigt auch die deutsche Nationalität Passivität im Zuge unserer Minderheitenpolitik . Wie kann das sein ? Zum Deutschtum gehören ( angeblich ) 185 000 Seelen in Ungarn , davon pilgerten nur rund 11 000 zu den Wahlurnen im Jahre 2014 , die deutsche Liste zu wählen . Wenn wir die Zeitungen der Minderheiten lesen , wenn wir die Webseiten einsehen , – was sehen wir ? Unsere Journalisten singen ein Loblied , meistens über Tanzvereine , Schwabenbälle , usw . Diese bringen die Menschen wirklich zusammen ; auch die Lieder , die Tänze tragen zur Bildung der Identität bei , aber es ist nicht empfohlen , sie zu den wichtigsten Teilen im Leben einer Nationalität werden zu lassen . Demgegenüber wäre die Aufgabe der Verantwortlichen unserer deutschen Minderheit , die Men - schen zur Begeisterung für gemeinsame Sachen , minderheitenpolitische Probleme zu motivieren . Die Angehörigen müssen einfach die Minderheitenrechte zur Kenntnis nehmen , womit sie später weiterleben könnten .
Zum vorigen Satz passt ein anderes Symptom : Die Stimme der Deutschen ist im ungarischen öffentlichen Leben überhaupt nicht hörbar , der ungarndeutsche Standpunkt wird nirgends geäußert . Unsere heutigen Schriftsteller , Denker beschäftigen sich nicht mit aktuellen kulturellen – sozialen Fragen , in welchen auch wir Mei - nungen formulieren sollten . Die deutschen Bürger der früheren Jahrhunderten erfuhren was ganz anderes : z . B . die Pressburger Zeitung dröhnte ihre Gedanken schon im 18 . Jahrhundert ins Land . Andere deutschsprachige Organe folgten dem Beispiel . Heu te erleben wir eine andere Situation , – diese ist der Tatsache zurechenbar , dass die ungarische Mehrheitsbevölkerung kaum etwas über unsere Welt , unsere Kultur weiß , wenn doch , dann sind wir , Deutsche , mit der sogenannten „ Wurst-Bier-und Blaskapel - len identität ” ( nach Cornelius Mayer ) identifiziert .
Nach Einsicht der Obererwähnten können wir feststellen , dass eine intensive Maurerarbeit sehr nötig ist , – mit erneuerten Werk - zeugen ! Das Haus ist überaltert und sah einst bessere Zeiten , dennoch wollen wir kein anderes Gebäude : auf diesen alten Funda - menten , in diesem alten-neuen Haus sollten wir unser Glück finden – im Heim unserer Vorväter und zukünftiger Enkel , was eigentlich das Ungarndeutschtum ausmacht .

Jungs von GJU-Budapest beim YOU . PA- Programm in Berlin

Im Sommer durften 3 Mit - glieder der GJU-Budapest am 5 . Young Potentials- Programm ( You . pa ) der Otto-Benecke-Stiftung teilnehmen : Der gemeinnützige Verein Otto-Benecke-Stiftung wurde 1965 gegründet , mit dem Ziel , für die ostdeutschen Flüchtlinge moralisch , politisch und finanziell zu sorgen . Die Wende nach dem Kalten Krieg brachte eine neue soziale Situation für die deutsche Gesellschaft , deswegen wählte die Stiftung ein neues Profil für ihre Tätigkeit , was mit den vorigen Zielsetzungen eigentlich methodisch verwandt ist : sie beschäftigt sich mit Flüchtlingen ( die aus den Kriegsgebieten des Nahen Ostens kommen ), sowie mit jungen Angehörigen aus deutschen Minderheiten der osteuropäischen Länder . Das entsprechende Bildungsprogramm wurde für Young Po - tentials Academy geschaffen : hinter dem magnetischen Namen versteckt sich eine modellhafte , professionelle Ausbildung . Diese besteht aus 3 verschiedenen Stufen , – nur ein Teil basiert auf dem Vorherigen : Das erste Zimmer des Trainings heißt „ Jugendmana - ger ”. Wie der Name zeigt , die als solche gewappneten Fachleute werden die Fähigkeit haben , eine Jugendorganisation irgendeiner Minderheit auf hohem Niveau zu führen . Jeder Teilnehmer muss zuerst dieses Zertifikat erlangen , um danach in der 2 . Stufe im Rahmen des You . pa . weitermachen zu können . Hier findet die „ Dozent-Ausbildung ” statt – welches Modul eigentlich eine Vor be - reitung für die 3 Phase bedeutet , deren offizielle Benennung lautet : „ Minderheitenbezogene Informations- und außerschulische Bil - dungs arbeit der deutschen Minderheiten ”. Hier verwendet man die schon erworbenen Kenntnisse mehr professionell und das Lehr - material ergänzt sich noch mit einem Bildungsbereich . Das Modul
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