Sonntagsblatt 5/2016 | Page 20

Deutsche Spuren in der Geschichte und Kultur Armeniens
auf dem Prerauer Friedhof bestattet , die übrigen Opfer wurden im Krematorium in Olmütz eingeäschert . Die Asche wurde in zwei Zink-Kisten mit einer Größe von 90 x 60 x 50 cm gefüllt und am 29 . Oktober 1947 auf dem Olmützer Friedhof im Grab der Gruppe XXIII - Nr . 191 beigesetzt .
Gedenkstätte erinnert an die Tragödie
An die Tragödie erinnert auf dem Prerauer Friedhof eine 1993 von der „ Drexlerhauer Gemeinschaft e . V .” errichtete Gedenkstätte . Sie befindet sich an dem Ort , wo die exhumierten 71 Männer 1947 beigesetzt wurden . Anlässlich des 70 . Jahrestages dieses Massa - kers bereitet der Bürgermeister der Stadt Prerau Vladimir Pu - chalsky mit Frantsek Hybl eine Reihe von würdigen Veran stal - tungen vor .
Auf dem Friedhof im Olmützer Stadtteil Neietin ist der größte Teil der Opfer begraben . Dort erinnerte bis 16 . Juni 2016 nichts an die ermordeten Karpatendeutschen . Die Stadt Olmütz hat sich aus eigener Initiative entschlossen dies zu ändern . An die Wand des Friedhofes unweit des Ortes , wo die Asche der Karpaten - deutschen beigesetzt ist , wurde am 16 . Juni um 15 Uhr eine Gedenktafel mit der Inschrift „ Kto chráni vinniky sám se dopouti viny !” ( Wer die Schuldigen schützt , macht sich selbst schuldig !) angebracht .
In der Ansprache des Bürgermeisters von Olmütz Antonik Stanék und seines Stellvertreters wurde gesagt : „ Es ist schwer verständlich , dass über das Massaker bei Prerau fast ein halbes Jahrhundert nicht gesprochen wurde .”
An der feierlichen Enthüllung nahmen auch der Bürgermeister und der Pfarrer aus Dobschau , Vertreter unseres Vereins und des Bergmannsvereins teil . Im Namen aller Karpatendeutschen bedanken wir uns bei der Stadt Olmütz für diese Gedenktafel . Sie beweist , dass das Schicksal der unschuldigen Opfer für die Ol - mützer Stadtväter nicht unbedeutend ist . Großen Respekt und Anerkennung für diese Haltung ! Die Worte auf der Gedenktafel werden hoffentlich für alle ein Memento sein und eine Warnung für weitere Generationen .
Ondrej Pöss

Deutsche Spuren in der Geschichte und Kultur Armeniens

Aufbruch zum heiligen Berg Ararat vor 200 Jahren
Von Heide Rieck
Was wissen wir von den Spuren , die deutsche Kaiser , Bischöfe , Forscher , Künstler , Bauern und Bergsteiger seit dem frühen Mittelalter in Arme - nien hinterlassen haben ?
Dieser Frage spürte der armenische Historiker , Vorsitzender des Armenisch-Akademischen Vereins 1860 e . V ., Azat Ordukhanyan am 12 . März 2016 in der Volkshochschule Bochum im Gespräch mit der deutschen Autorin Heide Rieck exemplarisch nach . Bilder auf der Leinwand veranschaulichten den Vortrag im dicht besetzten Saal . Die Geschichte der Deutschen in Armenien hat zwei große historische Zweige : der erste führte zur Zeit der Kreuzzüge über Kilikien ( in der heutigen Türkei ), der zweite im 19 . Jahrhundert von Ulm aus über die Donau ans Schwarze Meer und weiter über Odessa auf dem Landweg Richtung Kaukasus in das Gebiet der heutigen Republik Armenien .
Exemplarisch für viele deutsche Adlige und Kirchenfürsten , die im Mittelalter auf ihren Kreuzzügen nach Jerusalem das Ar - menische Königreich Kilikien ( 1080 – 1375 ) durchquerten , stellte
Ordukhanyan die Verbundenheit des Deutsch – Römischen Kai - sers Friedrich I ., genannt Barbarossa ( Rotbart ), mit dem ar me ni - schen Adel vor .
1190 trug Barbarossa auf seinem Kreuzzug nach Jerusalem eine Krone im Gepäck , um den armenischen Fürsten Lewon II . zum König von Kilikien zu krönen .
Am Vorabend der Feierlichkeiten wollte sich der deutsche Kaiser im Wasser des munter fließenden Flusses Kalykadnos ( Se - leucia ) erfrischen . Nie aber kehrte er ins Haus seines Gastgebers zurück . Wer kann sich ausmalen , in welchen Seelen- zustand der armenische Fürsten Lewon II . verfiel , als er erfuhr , dass sein ho - her Gast aus Deutschland ertrunken war ? Nun gab es keine heiteren Krönungsfeierlichkeiten . Eine To - tenfeier .
Das Herz des Deutsch – Römischen Kaisers Friedrich I . wurde einbalsamiert und in der armenischen Kathedrale St . Sophia von Tarsus bestattet , seine Gebeine wurden Richtung Jerusalem geschickt – mussten aber aus Kriegsgründen nach Tyrus ( im heutigen Libanon ) gebracht werden . Diese armenische Kathedrale ist aber heute nicht mehr armenisch . Sie wurde in eine türkische Moschee umgebaut .
Barbarossas Sohn Heinrich VI . löst das Versprechen seines Va - ters ein , indem er acht Jahre später einen Stellvertreter ins Arme - nische Reich schickte .
Im Jahr 1198 krönte der Kardinal von Mainz Konrad von Wit - tels bach als päpstlicher Legat und Beauftragter des deutschen Kaisers Heinrich VI . ( stellvertretend für den Kanzler Konrad von Querfurt ) in der Kathedrale St . Sophia zu Tarsus den armenischen Fürsten Lewon II . zum König , Lewon I . von Kilikien ( 1187 – 1219 ), auch Leo I . genannt oder „ Löwe von den Bergen ”. Die heilige Salbung vollzog der armenische Katholikos Grigor Abirad .
Alexander Yaskorski und sein Sohn Rudolf Yaskorski hielten in dem Buch „ Die Schwaben an der Schwarzmeerküste und im Kaukasus ” den Auszug der „ Bruderschaft der Christuskinder ” aus Schwaben , Hessen , Luxemburg und Bayern – zum Ararat – fest . Eine Christengemeinde von weit über 8000 jungen und alten Frau en und Männern hatte vor zwei Jahrhunderten ein weit entferntes und doch so nahes , weil klares Ziel : der heilige Berg Ararat .
Anfang des 19 . Jahrhunderts glaubten diese frommen Christen daran , dass bald eine zweite Sintflut die Erde überschwemmen würde . Auf dem Gipfel des heiligen Bergs Ararat würden sie gerettet sein und könnten im Vertrauen auf Gott überleben ; denn es war ihnen geweissagt worden , dass Jesus 1836 zurück auf die Erde kehren würde .
Deshalb bat man in einem Brief an den russischen Zar Alexan - der I . um die Erlaubnis zur Durchreise durch einen Teil des Zarenreichs . Ohne Schwierigkeiten wurde die Reise genehmigt ; denn die Mutter des Zaren war eine Deutsche , Sophia Dorothea Augusta von Württemberg ( rus . Maria Fjöderowna ).
So begaben sich im Sommer 1816 vierzig Familien mit Sack und Pack von Ulm aus auf die Reise – über die Donau und das Schwarze Meer . In Odessa rasteten sie . Im Februar 1817 gab ihnen der General der russisch – kaukasischen Armee Jermolow die Erlaubnis , sich 35 km von Tiflis niederzulassen , und bereits im September 1817 war das Dorf „ Ma - rien feld ” so gut und bewohnbar errichtet , dass im Frühjahr 1818 verschiedene Briefe in die Heimat geschickt werden konnten : „ Ihr könnt kommen ”
Sogleich machten sich 1500 Familien mit 5000 Kindern und Jugendlichen auf den Weg über die Donau gen Osten – in 14 Ko - lonnen etwa 8000 Menschen , darunter Alte und Kranke . Unter - wegs starben 3000 , und viele Menschen waren so erschöpft , dass sie nicht mehr weiterzogen und sich in Odessa ansiedelten .
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