Sonntagsblatt 5/2016 | Page 19

„ Wenn wir ein Unrecht sehen und dazu schweigen , dann begehen wir es selbst ”
der Protest der Elsässer gegen den Prozess von Bordeaux , bei dem einige elsässische Zwangsrekrutierte der deutschen Wehrmacht angeklagt waren . Beide Male richtete sich der Trauerflor gegen das Unverständnis des französischen Mutterlandes gegen die el - sässische Tochter . Andrée Munchenbach , Präsidentin von UNSER LAND versprach bei dieser Demonstration , weiter zu kämpfen für die Anerkennung der elsässischen Rechte auf eine eigene 1000-jährige Kultur und Sprache . Gleichzeitig kämpft die Partei UNSER LAND , die vor 10 Jahren aus einer Umweltschutzbewegung entstanden ist , für das Recht der Diversität und Lokalautonomie , deren Charta von Frankreich unterschrieben worden ist .
Seitdem Frankreich im Sommer seine Regionen zur Schonung des Staatshaushalts neu aufgeteilt hat , und das Elsass als politische Größe verschwunden ist , hat die Autonomiebewegung enormen Auftrieb bekommen . Beim ersten Durchgang der Regionalwahlen am 6 . Dezember konnte UNSER LAND im Elsass erstmals hinter dem Front National und den Republikanern dritte politische Kraft werden , noch vor den Sozialisten und den GRÜNEN , auch wenn es ihr in der gesamten neuen Großregion nicht gelungen ist , die 5 % Hürde zu überspringen . Insgesamt hat UNSER LAND beim ersten Durchgang der Regionalwahlen im Unterelsass 10,7 % der Stimmen und im Oberelsass sogar 12,65 % der Stimmen erreicht . In den Kreisen Schlettstadt , Weissemburg und Saint- Louis erreichte die Autonomisten-Partei in vielen Orten über 20 % der Stimmen und wurde oft sogar zweite Kraft hinter dem Front National . Diese Kreise gehören zu den Gebieten des Elsass mit dem höchsten Anteil von Grenzgängern in Deutschland und der Schweiz . In beiden Nachbar-Regionen ist die Arbeitslosigkeit nur halb so hoch wie im Elsass .
„ Es gibt kein elsässisches Volk ”
Vor allem der Satz von Premierminister Valls von diesem Som - mer , dass es kein elsässisches Volk gebe , hat UNSER LAND neue Sympathisanten gebracht , darunter auch altgediente Elsässer Politgrößen wie die beiden ehemaligen Präsidenten des Gene - ralrates des Oberrhein Departements Jean-Jacques Weber und Henri Goetschy , die an der erstmals von der Partei durchgeführten Sommerakademie teilgenommen haben . Anders als das Elsass wurden nämlich die Regionen Bretagne und Korsika , obwohl kleiner als das Elsass , bei der Regionen-Fusion nicht angetastet . UNSER LAND unter ihrem Spitzenkandidaten Jean-Georges Trouillet ( 38 ), war für die Regionalwahl ein Bündnis mit der Lothringer Partei von Thomas Riboulet , ( 28 ) und der mosellothringischen Partei von Philippe Mouraux ( 48 ) aus Forbach eingegangen . Nach den Terroranschlägen von Paris vom 13 . November , bei denen auch ein Dschihadist aus Weissenburg im Elsass beteiligt war , blies den Autonomisten allerdings der Gegenwind vom Front National , der die Sicherheitsfrage zum zentralen Wahl - kampf thema machte , ins Gesicht . In der Tat kommt das Elsass direkt hinter der Großregion Paris an zweiter Stelle der 751 „ Zones urbaines sensibles ” in Frankreich , die man partial als „ nogo zones ” in mehrheitlich von Muslimen bewohnten Vierteln bezeichnen kann , weil normale Bürger sich dort tagsüber zwar ohne Probleme aufhalten können , Repräsentanten des Staates jedoch , Polizisten , aber auch Feuerwehrleute , Sozialarbeiter und Krankenwagen , nur mit Schwierigkeiten dort Zugang erhalten . In Strassburg befinden sich zehn solcher no-go zones und in Mül - hausen sechs .
UNSER LAND war auch ein Opfer der Wahlreform von 2005 , wonach auch bei Regionalwahlen das Mehrheitswahlrecht mit zwei Wahlgängen eingeführt wurde . So bekam die Partei , trotz Stimmenzuwachs , keinen einzigen Kandidaten in den Regionalrat der neuen Großregion . Auch die Rücknahme der Wahlkampf - kostenrückerstattung für nicht im Regionalrat vertretene Parteien , bereitet der Regionalistenpartei große finanzielle Schwierigkei - ten . Dennoch konnten sich nach ihrer jahrzehntelangen Zer - splitterung die Regionalisten gerade jetzt als feste Größe in der elsässischen Parteienlandschaft etablieren , wo das Elsass aufgehört hat zu existieren .
Aus : 2 / 2016 GLOBUS
Slowakei

„ Wenn wir ein Unrecht sehen und dazu schweigen , dann begehen wir es selbst ”

Diese Worte des französischen Philosophen Jean-Jacques Rousseau kann man seit 16 . Juni 2016 auch auf der Gedenktafel am Zentral - friedhof im tschechischen Olmütz / NeJetin lesen . Sie erinnern an die fürchterlichsten Geschehnisse , die die Karpatendeutschen erlebt haben . Auf den Schwedenschanzen wurden unweit von Prerau / Pierov in der Nacht vom 18 . auf den 19 . Juni 1945 rund 300 aus der Evakuation zurückkehrende Zipser erschossen .
Die Getöteten waren hauptsachlich aus Dobschau / Dobsiná und dem Hauerland . Es waren vorwiegend Frauen , Kinder und ältere Männer . Erinnert man sich an diese Tragödie , spricht man meist nur über Prerau .
Warum aber wurde nun eine Gedenktafel in Olmütz enthüllt ?
Im Sommer 1945 kehrten mehr als 30 000 Karpatendeutsche in ihre Heimat zurück . Sie waren aufgrund des Vormarschs der Ro - ten Armee in die Slowakei nach Österreich , Deutschland und in das Sudetenland evakuiert . Auf dem Weg in die Slowakei wurden zahlreiche Heimkehrtransporte überfallen , ihre Passagiere ausgeraubt und in einigen Fällen getötet . So hat auch am 18 . Juni 1945 ein Zug mit den nach Nordböhmen evakuierten Karpatendeut - schen auf dem Verschiebegelände des mährischen Bahnknoten - punkts in Prerau angehalten . In dem Zug befanden sich fast ausschließlich Frauen , Kinder und alte Männer . Leutnant Karol Pa - zúr und der Politkommissar Bedrich Smetana zwangen die Heim - kehrer die Waggons zu verlassen – angeblich , weil sich unter ihnen Nazis versteckt hätten . Dann befahlen die Soldaten den Rei - senden , ihre Kleidung und ihre Wertsachen abzulegen und trieben sie in kleinen Gruppen auf eine als Schwedenschanze bekannte Anhöhe unweit von Prerau ( bei Horni Mosténice ), wo sie sie mit Genickschüssen töteten . Auf die Frage , warum er auch die Kinder umbringen ließ , sagte Pazúr später : „ Was sollte ich mit ihnen anfangen , nachdem wir ihre Eltern erschossen hatten ?” Die Leichen warfen die Soldaten in ein Massengrab . „ Weil aus diesem noch Stöhnen erscholl ”, sagte ein Zeuge , „ schossen sie mit ihren automatischen Waffen hinein ”.
267 Karpatendeutsche fielen dem Massaker zu Opfer
Das jüngste Opfer war acht Monate alt , das älteste ein Mann mit 80 Jahren . Die Geschichte dieses Massakers und nachfolgende Untersuchungen , Meldungen und Aussagen sind in dem Buch „ Die Blutige Nacht des 18 . auf den 19 . Juni 1945 auf den Schwe - denschanzen unweit der Stadt Prerau ” ( Prerau , 2015 ) von Dr . Frantisek Hybl dargestellt .
Eine Untersuchung wurde im Jahre 1947 eingeleitet . Aufgrund von Zeugenaussagen gelang es , Licht in den Verlauf der Ereig - nisse zu bringen . Vom 7 . bis 9 . Oktober 1947 wurde eine Exhu - mie rung durchgeführt . Die Überreste von 71 Männern wurden
( Fortsetzung auf Seite 20 )
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