Sonntagsblatt 5/2015 | Page 24

Adam Müller-Guttenbrunn :

„ Götzendämmerung – Ein Kulturbild aus Ungarn ”

Im Spannungsfeld der politischen Krise in Ungarn zu Beginn des 20 . Jahrhunderts ( Ein Vortrag im Haus der Ungarndeutschen , Budapest , gehalten von Dr . Hans Dama – 3 . Teil )
Trauttmanns Erscheinen nach jahrelanger Abwesenheit in der alten Heimat , bedingt durch den Tod seines Bruders , wird in die Trauttmann-Handlung eingebettet . Dieser literarischen Person liegt keine historische Persönlich - keit zugrunde , obwohl diese Deutung verschiedentlich versucht worden war , doch weder Adam Müller-Guttenbrunn noch Edmund Steinacker lassen sich mit Trauttmann nicht ausmachen . Zwar könnte eine Ähnlichkeit Adam Müller-Guttenbrunns mit Trauttmann im Eingangskapitel vermutet werden , denn der Dichter kehrt 1906 auch nach jahrelanger Abwesenheit in seine alte Heimat zurück , und Trauttmanns Enttäuschungen bezüglich der ausufernden „ magyarischen Mode ” decken sich mit Adam Müller-Guttenbrunns Entrüstungen über die in der Heimat vorgefundenen Zustände . Doch der weitere Handlungsverlauf weist mit Adam Müller-Guttenbrunns biographischer Entwicklung keine Gemeinsamkeiten mit Trauttmanns Betätigungen in der Ausarbeitung von Damm- und Wasserregulierungsplänen . Eine Rolle als nationaler Wachrüttler und Volkstumsführer , beziehen sich aus volkspolitischer Sicht eher auf Edmund Steinacker . Der Dichter ist für die südungarischen Schwaben der Künder und Deuter ihrer Geschichte geworden .
In der Handlung des Romans werden zwei Aspekte in den Vordergrund gerückt : a ) das Nationalitätenproblem und damit im Zusammenhang die soziale Frage und b ) der Forstbestand der Österreichisch-Ungarischen Doppelmonarchie .
Der Dichter verfolgt jedoch auch ein persönliches Anliegen : die Erziehung „ seiner Schwaben ” im Sinne des Nationalismus zwecks Fortbestand dieses ins Hintertreffen geratenen Volksstammes . Hinsichtlich der Darstellung und Beurteilung des Nationalitä - ten problems und der damit verbundenen sozialen Frage ist der Einfluss von Josef von Kristóffy unverkennbar . Adam Müller-Guttenbrunn hat durch Edmund Steinacker mit Kristóffy Bekanntschaft gemacht und mit Edmund Steinacker führte der Dichter im Zuge seiner Reisen durch Ungarn intensive Gespräche über diverse Themen .
Josef von Kristóffy war Mitglied des Franz-Ferdinand-Kreises und in diesem als anerkannter Fachmann in Nationalitätenfragen .
Im Roman wird das Nationalitätenproblem im Zusammenhang mit der erforderlichen Umgestaltung Ungarns zu einem modernen europäischen Staat beleuchtet .
Ungarn müsse von anderen politischen Kreisen geleitet werden als bisher , das Bürgertum müsse sich endlich der „ politischen Menschenrechte ” erfreuen , denn diesem stünde die bedeutende Rolle zur Umgestaltung für das Wohl des Landes zu , so dass es in der Politik diese wichtige Aufgabe übernehmen könne .
In diese Umwandlung müssen auch die Nationalitäten eingebunden werden und zu vollen politischen Rechten gelangen , denn ihre Teilnahme am wirtschaftlichen , kulturellen und sozial-politischen Ausbau Ungarns ist unerlässlich .
Die Auswanderung von 2 Millionen ungarischer Staatsbürger in den letzten drei Jahrzehnten des 19 . Jahrhunderts führte zu einem Aderlass , doch der ungarische Staat war zufrieden , lästige Stören - friede loszuwerden .
Grund und Boden wurden sehr teuer , Feldarbeiten jedoch äußerst billig . Kam es zu Feldarbeiterstreiks , die eine gerechte Entlohnung forderten , griff man staatlicherseits zur Abhilfe , in dem billige Arbeitskräfte aus fernen Regionen auf Staatsgütern zusammengezogen wurden , um diese dann gegebenenfalls an die Großgrundbesitzer auszuleihen .
Derart trist war die Lage der armen Bauern und Feldarbeiter , die dieser Lage nicht entkommen konnten und so zur Auswan - derung gezwungen worden waren .
Doch diese Auswanderer galten als kritische Denker und sollten dem Kampf für die Umgestaltung und Neuordnung der Verhält - nisse erhalten bleiben . Im Zuge der Umgestaltung sollten die Staatsgüter einer Neu - aufteilung unterzogen , die Pacht- und Latifundienwirtschaft neu geordnet werden , denn nach Flusslaufregulierungen stünden genügend landwirtschaftliche Flächen zur Verfügung .
Dadurch könne der Auswanderung ungarischer Staatsbürger nach Übersee Einhalt geboten werden , das nationale Problem und die soziale Frage gelöst werden und damit gleichzeitig eine moderne landwirtschaftliche Struktur in einem modernen Ungarn auf der Basis eines gesellschaftlichen Umbaus entstehen .
Für Adam Müller-Guttenbrunn war die Einheit der Doppel - monarchie von größerer Bedeutung als die nationale und soziale Frage . Auf der Grundlage des staatlichen Ausgleichs von 1867 müsse die Doppelmonarchie bestens funktionieren , denn Ungarn habe laut Adam Müller-Guttenbrunn viel von diesem Ausgleich profitiert . Deshalb müsse die ungarische Regierung Lösungen finden , die zum internen ungarischen Ausgleich d . h . zur freien Entfaltung der ungarischen Minderheiten führen .
Die Einstellung fesselte die meistens Führer der Nationalitäten - gruppen an die Monarchie . Im April 1906 zerstörte die Nachricht von der Einrichtung des kossuthistischen Ministeriums diese Hoffnungen , denn aus den Gegnern der Majestät von gestern gingen die Minister der Gegenwart hervor .
Das bedeutete , dass die Minderheiten genau wie früher der Willkür der Magyaren ausgeliefert waren , was wiederum zur Folge hatte , dass die Nationalitäten Ungarns keiner lösungsfreien Zukunft entgegensehen konnten .
Der Dichter erkannte , dass die Nationalitäten nur über das allgemeine Wahlrecht die Gerechtigkeit erreichen können . Seine Befürchtungen , eine Verzögerung und schließlich eine Abwen - dung der Wahlrechtsreform sind tatsächlich eingetreten .
Wenn Adam Müller-Guttenbrunn im Wahlkampf auch eine deutsche Stimme , die Georg Trauttmanns , zum Ausdruck bringt , so ist es offensichtlich , dass Trauttmanns deutsch-nationale An - sich ten mit denen des Dichters übereinstimmen . Die Forderung Trauttmanns nach einem defensiven National - ismus zwecks Erhaltung und Pflege der deutschen Sprache und Kultur sowie die politische Gleichberechtigung decken sich voll und ganz mit den Anschauungen und den Forderungen des Dich - ters .
Die Tatsache , dass Trauttmann noch im reifen Alter die madjarische Sprache erlernt und seine Heimat liebt bzw . sein Fach - wissen in den Dienst und zum Wohle dieser zu stellen bereits ist , lässt ihn als loyalen Staatsbürger Ungarns erscheinen .
Die Zurückdrängung der Minderheitensprache aufgrund gesetzlicher Verordnungen , die Schmälerung der kulturellen und wirtschaftlichen sowie politischen Leistungen der Schwaben führt dazu , dass in der Öffentlichkeit die Redensarten , die Lieder sowie der Kolonistenstolz lächerlich gemacht wurden . Gegen die Auswüchse madjarischer Politik in der Nationalitä - ten frage und die damit zusammenhängende soziale Problematik zieht der Dichter vehement zu Felde . Adam Müller-Guttenbrunn zeichnet ein verheerendes Bild
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