Sonntagsblatt 5/2014 | Page 20

Literatur – Bücher
Neben den Kirschbäumen , die auf drei Hektar Land gepflanzt wurden , haben sie auch Weinbau betrieben , auf zehn Hektar Weinreben gepflanzt und verarbeitet . 30 000 Kilogramm Kirschen wurden jährlich geerntet und vermarktet . Wie man das macht ? „ Der Baum muss in der Mitte sauber sein , damit man drin tanzen kann ”, verrät sie , und – es musste ja kommen – „ arbeiten , immer viel arbeiten ”.
Ein Kochlöffel aus dem Vernichtungslager Mit den anderen Banatern , den Ulrichs und Bernhardts , haben sie sich noch bis vor einigen Jahren immer sonntags zum Karten - spielen getroffen . „ Zum Belot ” – das ist eine Art Fuchse –, erklärt Frau Enzinger . Heute ist das alles etwas schwieriger geworden , der serpentinenreiche Weg hinauf nach La Roque und überhaupt , das Interesse an diesen Zusammenkünften scheint geschwunden zu sein . Was verbindet Frau Enzinger noch mit ihrer Herkunft , außer der deutschen Sprache , die gelegentlich gesprochen wird , außer dem Arbeitsethos , einigen spezifischen Gerichten der do - nau schwäbischen Küche – die Frage drängt sich auf . Kurzes Zö - gern , und dann wird doch noch eine Geschichte erzählt . Ein alter Kochlöffel aus dem Lager im Molidorf ist noch da . „ Er ist schon gebrochen ”, sagt sie , „ aber ich schmeiße ihn nicht weg ”. Gekochte Gerste habe man damit gegessen – wie froh war man , wenn we - nigstens diese zur Verfügung stand . Michael Enzinger hat von einem Rumänienaufenthalt einen Mörser und Stößel mitgebracht . Jetzt steht er bei der Tochter in der Vitrine . Zuviel der Erinnerungen ? „ Wir sind Franzosen und bleiben Franzosen ”, sagt seine Frau . Und eine Minute später zu ihrem Mann : „ Du weißt doch , wie die Franzosen sind !” Man hat es nicht leicht mit seiner Identität , als Kind donauschwäbischer Eltern im Banat geboren , im Vernichtungslager überlebt , in Österreich als staatenloser Volksdeutscher mit zweimonatiger Aufenthaltsge - neh mi gung geduldet , als Franzose aus dem Banat nach Loth - ringen umgesiedelt , dann in der Provence angesiedelt , wo die an - säs sigen Franzosen feststellten , dass dies ja keine richtigen Fran - zosen sind . Was bin ich ? Diese Frage hat auch die Tochter der Fa - milie Straky-Enzinger im Lehrerzimmer der Schule in Pernes ihren Kollegen gestellt : „ Mein Vater ist in Rumänien geboren , meine Mutter in Jugoslawien , ich in einem Lager in Österreich .” Von einer Antwort wird uns nichts erzählt .
Nikolaus Benz , in Kleinbetschkerek geboren , ist einer der wenigen Banater , die auch heute noch als Bauer im Gebiet um la Roque sur Pernes arbeiten . Er kam 1954 aus dem Lager Kematen in Tirol nach Pernes ; es ist die Ortschaft unterhalb von La Roque sur Pernes . 17 Hektar Weingärten bewirtschaftet er mit seinem Sohn . Zwölf Hektar nennt er sein eigen , fünf Hektar hat er dazugepachtet . Vor genau fünfzig Jahren hat er hier angefangen . Als er aus dem Lager Kematen in Tirol hier ankam , war das Gelände verwildert , mit Steinen und Geröll übersät . Vier Jahre lang habe er keinen Schluck Wein getrunken , erzählt er . Nur gearbeitet und gespart , in die Ausbildung der Kinder investiert . Ingenieur wurde der eine , Musiker der andere , und der Dritte – er erfüllte den Wunsch aller bäuerlichen Familien – übernahm den elterlichen Betrieb .
Ein Banater Weinbauer in der Provence Stolz führt er uns durch seinen Betrieb . Die Weintrauben werden alle maschinell geerntet , nur die Tafeltrauben mit der Hand . Sai - sonarbeiter aus Nordafrika besorgen das und natürlich auch die Familie . Trotz seiner über achtzig Jahre ist Bauer Benz in das bäuerliche Leben im Betrieb eingebunden , den er 1953 für eine Mil - lion alte Franc gekauft hatte . Zehn Jahre mussten Schulden abbezahlt , aber auch Maschinen gekauft werden . Er bietet Ferien auf dem Bauernhof an ; eine Familie aus Hamburg kommt seit 25 Jah - ren in diese von Gott gesegnete , aber auch verlassene Gegend . Was machen diese hier in dieser Einöde , von gängigen touristischen Angeboten entfernt , die Frage drängt sich auf : Bauer Benz hat die Antwort gleich parat : „ Faulenze tun se ”, sagt er in seinem klaren schwäbischen Dialekt , den er besser spricht als mancher Banater in Deutschland . 1965 hat Nikolaus Benz zum erstenmal wieder seinen Heimatort Kleinbetschkerek besucht , 1982 ist er das zweite und letzte Mal „ heimgefahren ”, wie er sagt . Es hat ihm nicht gefallen , was er dort vorgefunden hatte . „ De Leit han se alles weg ghol , alles nor de Staat , es wor jo nix meh ”, lautet seine einfache , aber zutreffende Einschätzung der Verhältnisse in seinem Heimatort .
In einer großen Halle sind die Weinkessel untergebracht . 20 000 Liter Wein verkauft er selbst , Rotwein und Rosé , auch nach Deutsch land . Weitere 10 000 Liter gehen an Großhändler , die Ta - fel trauben auf die Märkte .
Im Elsaß beten sie noch heute für ausgewanderte Landsleute „ Im Elsaß gibt es eine Gemeinde , da beten sie noch heute jeden Sonntag für diejenigen , die aus dem Elsaß ausgewandert sind ”, berichtet Nikolaus Benz , und man hat den Eindruck , als würde er sich ihnen zugehörig fühlen . Nun , Franzosen sind sie wohl geworden , die Kinder des Ehepaares Benz , französische Staatsbürger mit deutschen , mit Banater Wurzeln . Das Ehepaar Benz spricht untereinander Deutsch , Frau Benz spricht auch mit den Kindern deutsch , hier auf ihrem einsamen Hof , am Fuße des Mont Ven - toux , wo in heißen und trockenen Sommermonaten die Trauben für den Rotwein der Benz ’ s reifen . „ Nur gezählt wird auf Fran - zösisch ”, sagt Frau Benz . Das ist wohl in einem so florierenden Wirtschaftsbetrieb unumgänglich . Als Bauer Benz mit seinen Trau ben auf dem Markt in Pernes stand , wurde er von seinen Kunden gefragt , ob er ein Spanier sei oder ein Italiener . „ Ich bin ein Deutscher aus Rumänien ”, hat er geantwortet , und die Ver - wirrung war komplett .

Literatur – Bücher

Buchbesprechung

Nelu B . Ebinger : LOVE STORY in Budapest

Ein vielverheißender Titel . Und wirklich auch ein vielgebender Inhalt .
Dennoch könnte die Lektüre manchem Leser eine große En - täuschung einbringen . Jenem Leser , der vom Titel ausgehend sich eine romantische Liebesgeschichte mit einem geistreichen Happyend erhofft .
Vielgebend – historisch aufklärend und politisch ernüchternd – ist der Inhalt des Büchleins jedoch für Menschen , die sich für Geschichte , für geschichtemachende Persönlichkeiten interessieren .
Diesmal haben wir es mit einem Fall zu tun , in welchem Liebe und Politik ineinander knüpfend das Schicksal eines ehrlichen und aufrichtigen Menschen lenken , das letztendlich in einer Tragödie endet .
Es ist das Schicksal des Führers der deutschen Volksgruppe in Ungarn in den 1930 – 40er Jahren , des den Märtyrertod gestorbenen Dr . Franz Anton Basch .
Was die deutsche Öffentlichkeit , insbesondere die Masse der Deutschen aus und in Ungarn anbelangt , so ist Basch – natürlich von der offiziellen Geschichtsschreibung dargestellt – als Nazi , als Kriegsverbrecher bekannt . Doch die Wirklichkeit ist eine ganz andere .
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