Sonntagsblatt 5/2014 | Page 18

Hodschager Männer vom 23 . November 1944 ( siehe Paul Pfuhl , in Schieder-Dok ., S . 269f ) zur Auffassung gelangt sein , dass es eine Hilfsmannschaft brauche , die die Stricke festhält , mit denen die Filipowaer Männer zusammengehalten wurden . In Hodschag war nämlich ein Mann aus der Gruppe ausgebrochen und in der Dun - kelheit entkommen . Das Mordkommando forderte daher von der Somborer Kaserne weitere 50 Mann an , die sich sämtliche aus Wojwodiner Serben , Slowaken , Bunjewatzen und Ungarn rekrutierten . Diese Wojwodiner wussten offenbar zunächst nicht , um was es eigentlich ging . Spätestens bei den beginnenden Folte - rungen wurde es auch ihnen klar , dass sie bei der grau- samen Tötung der gefangenen Filipowaer mithelfen sollten . Da erkannte ein Bunjewatz , ein Bauer aus Nemesch-Miletitsch , den Fili - powaer Apotheker Magister Ludwig Vogl . Er wandte sich an die Kommandeure der Truppe mit der Forderung , Magister Vogl müsse freigelassen werden . Er kenne die Familie , der Vater des Apothekers sei in Sentiwan Lehrer gewesen , er könne sich nicht denken , dass dieser Mann irgendeine Schuld auf sich geladen hätte . Es kam zu einer Auseinandersetzung mit den Partisanen des Mordkommandos , in deren Verlauf sich offenbar ein Großteil der Wojwodiner diesem Bunjewatzen anschloss und sich weigerte , bei der Folterung und der beabsichtigten Exekution der Fili - powaer Männer mitzumachen . Die Anführer des Exekutions kom - mandos waren nun in ihrem Vorhaben sehr verunsichert . Sie schickten einen berittenen Kurier zum Kommando nach Hod - schag mit der Frage , was zu tun sei . Der Kurier kam noch in der Nacht mit dem Befehl zurück , die Dienstverweigerer seien sofort abzuziehen . Der Name des in Österreich lebenden Donau - schwaben , der diese Vorgänge als „ herausgekaufter ” Lagermann vom besagten Bunjewatzen selbst erfahren hat , war um 1985 den Verfassern des Buches Filipowa – Bild einer donauschwäbischen Gemeinde , Sechster Band : Kriegs- und Lageropfer , nämlich Paul Mesli , Franz Schreiber und Georg Wildmann bekannt .
Wir verneigen uns mit Respekt auch vor dem Mut und der Charakterstärke dieser Männer aus der Wojwodina und sehen in ihrem Verhalten den Beleg dafür , dass es ungerecht und unsinnig wäre , allen Serben , Bunjewatzen oder Ungarn einen Hass und Ver nichtungswillen ihren donauschwäbischen Nachbarn und Mit - bewohnern gegenüber anzulasten .
Diese mutige Tat eines Teiles der Wojwodiner dürfte der Anlass dazu gewesen sein , dass die Frage der Liquidierungen und ihrer Sinnhaftigkeit von Hodschag über Sombor bis nach Belgrad weitergeleitet und neu erörtert wurde . Soweit wir sehen können , dürften ab dem 25 . November 1944 keine weiteren Massenhin - rich tungen mehr stattgefunden haben . Dass die sowjetischen Militärs die Liquidierungen anfangs duldeten , dürfte unbestritten sein , sie drangen dann aber energisch auf deren Einstellung , weil sie offenbar sahen , dass Partisanengruppen bei solchen Anlässen in einen Blutrausch gerieten , der sie für eine geordnete Kriegs - führung untauglich machte .
Derselbe Gewährsmann gibt an , dass den Befehlsverweigerern zum Hohn Magister Vogl als erster erschlagen und in eine der Gru be auf der Heuwiese geworfen wurde . Die Gruben waren wäh rend der Kriegszeit angelegt worden , als die Heuwiese als deutscher Feldflughafen diente . Sie sollten den Luftabweh ge - schützen Deckung geben . Jetzt mussten sie als Massengräber dienen .
Die Vorgänge auf dem Rothsalasch und auf der Heuwiese waren grausam . Es gibt einen Bericht über die Ereignisse , den ein serbischer Knecht , der bei Gregor Eichinger in Diensten war , Filipowaer Nachkommen in Tomaschanzi gegeben hat . Der Mann besitzt des halb eine große Glaubwürdigkeit , weil er erstaunlich genaue
Personenangaben machen konnte . So erzählte er , dass die Par - tisanen verlangten , ein Sohn solle seinen Vater schlagen ! ( Beider Namen waren bei Abfassung dieses Gesamtberichts um 1985 der Redaktion bekannt ; nahe Verwandte haben gebeten , die Namen nicht zu nennen .) Der Sohn weigerte sich . Da sagte der Vater : „ Mach net lange herum . Hau einmal anständig zu . Je schneller die Sache vorbei ist , desto besser für uns alle ...” Grausames Spiel . Der Mann berichtete weiter , dass nach Magister Vogl als einer der ersten der Gemeindearzt Dr . Franz Dickmann besonders grausam umgebracht worden sei . Einer der Partisanen , offenbar ein Wojwodiner , habe dies aus persönlicher Rache getan . Dieser Par - tisan habe während der Kriegszeit von Dr . Dickmann verlangt , er solle ihn krankschreiben , damit er nicht zum ungarischen Militär einrücken müsse . Der aufrechte Arzt soll ihm geantwortet haben : Wenn ich dich krankschreibe , dann muss ich alle anderen auch krankschreiben . Das kann ich nicht , du bist gesund . So wurde Dr . Dickmann noch in seinen letzten Minuten gewissermaßen Opfer seines ärztlichen Ethos ! „ Einer der Partisanen , der dabei war , als die 240 liquidiert wurden , hat ungefähr zwei Jahre später einer Frau , deren Mann auch dabei war , erzählt , dass die Filipowaer fromme Menschen gewesen sein müssten . Als die Frau ihn fragte , warum er dies sage , erzählte er ihr , wie es in der damaligen Nacht zugegangen ist . Als man die Männer niederschlug ( er selbst habe sich daran nicht beteiligt ), da haben sie gebetet und sich gegenseitig Trostworte zugerufen ” ( So Paul Pfuhl in Schieder-Dok . S . 270 ). Schwester Lea und die Mutter Magdalena Johler gingen im Jahr 1946 auf die Salasche ( Maierhöfe ) am Keresturer Hotter ( Ge markung ) betteln , um die Lagerleute mit Lebensmitteln un - terstützen zu können . Sie bekamen Lebensmittel und auch Geld . Auf einem Salasch trafen sie einen Mann , der ihnen sehr aufmerksam zuhörte , als sie über die Not in den Konzentra tions lagern berichteten . Nachdem er erfahren hatte , dass sie aus Fili powa kamen , wurde er sehr ernst und begann traurig zu erzählen : „ Ich wurde im Jahre 1944 von der Militärbehörde zum Dienst in den Heimatschutz einberufen . Ich musste bei der Säuberungs aktion am 25 . November 1944 mittun . Ich war nicht bei denen , die bewaffnet waren , sondern bei denen , die als Sanitäter rekrutiert wurden . So war ich dabei , als man die Männer auf der Wiese zwischen den beiden Dörfern ( Filipowa und Hodschag ) zusammentrieb . Ich war nicht bei den bewaffneten Bewachern , sondern bei denen , die die Stricke zusammenhalten mussten , damit keiner davonlaufen konnte .” Er wurde noch ernster und sagte weiter : „ Was ich euch beiden jetzt sage , das kann ich in meinem Leben nie vergessen . Die meisten der Männer haben gebetet und das Kreuz gemacht , bevor sie erschossen worden sind . Und wenn ein Vater und Sohn dabei waren , dann hat der Vater dem Sohn noch ein Kreuz auf die Stirn gemacht , ehe sie erschossen worden sind .” Der Augenzeuge , der das berichtete , war aus Pivnica .
Georg König ( alias Burger Jergl ) aus Filipowa berichtet , wie ihm ein Slowake aus Selentscha erzählte , sein Vater ( der Vater des Slowaken ) habe noch in der Nacht auf der Heuwiese mit dem Wa - gen vorfahren müssen , um die Kleider aufzuladen . Nach der Ver - sion des Slowaken habe man die Männer , die man vom Roth - salasch in großen Gruppen zu den Flaklöchern trieb , mit einem Strick umschlungen gehabt . Vor den Gruben mussten sie sich nackt ausziehen , um dann erschlagen oder erschossen zu werden . Der Mann kam nie wieder von dieser Szene los , er musste sie , wie seine Kinder zu berichten wussten , immer wieder erzählen .
Neben den beiden Massengräbern findet sich ein kleines Grab , in dem nachweislich sechs Personen begraben liegen , wie zufällig von ihrer Arbeit heimkehrende Hodschager Lagerleute nach einem längeren Herbstregen betroffen feststellen mussten . Der Regen hatte eine der Leichen teilweise freigewaschen . Halterbu - ben , die ebenfalls im Lager waren , konnten die Zahl sechs bestä-
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