Sonntagsblatt 5/2014 | Page 14

Das ist bei uns nicht bloß Frage des „ Nationalstolzes ”. Wir können zurecht behaupten , dass das auch Nationalismus ist . Wir könnten ihn auch verurteilen , aber damit erreichen wir nichts , wir kommen kein Stück näher zur Autonomie der madjarischen Volksgruppen . Es ist ein besorgniserregendes Phänomen , es schürt lediglich Unfrieden zwischen den beiden Ländern und tut nichts Gutes , schadet gar der madjarischen Minderheiten ge - meinschaft , wenn zwei Dutzend wild gewordene Madjaren , auf ihren dreifarbigen Fahnen mit der Karte von Großungarn , für ein Eklat in einem slowakischen Dorf sorgen . Stellen wir uns vor , was passieren würde , wenn ein Bus voller Rumänen ihre rumänische Fahne und die Karte von Großrumänien schwenkend in Jula für Unruhe sorgen würde . Brüssel , die UN und die halbe Welt könnten sich unsere Unrechtsklagen anhören . Es kein großes Risiko zu prophezeien : Solange wird es keine territoriale Autonomie geben , bis die Mehrheitsbevölkerung nicht das Gefühl hat , dass sie sich eine solche Geste erlauben kann . Bei uns sagen viele , dass sie nur dann das Gefühl haben wird , wenn sie uns endlich glaubt , dass wir die madjarisch bewohnten Gebiete nicht zurücknehmen wollen . Das ist auf kurze Sicht eine Illusion . Die Mehrheitsbevölkerung wird je weniger das Gefühl haben , desto lauter wir es von ihr fordern . Ich glaube nicht , dass es in Rumänien jemand , ein solider Mensch als eine realistische Gefahr betrachtet , dass das in der südöstlichen Ecke des Karpatenbeckens isolierte Seklerland jemals Ungarn angeschlossen werden könnte . Sie dürfen es wahrscheinlich auch nicht ernsthaft glauben , dass unsererseits als Mitglied der Europäischen Union derartige Ansprüche erhoben werden könnten . Insbesondere im Falle des ethnisch isolierten Seklerlandes . Nicht darum geht es ja . Hinter ihrem Widerstand steht mittlerweile vielmehr , dass niemand dem äußeren Druck nachgibt , eine Einmischung in innere Angelegenheiten zulässt . Erlauben Sie mir , Kopátsy zu zitieren : „ Wir müssen Rücksicht nehmen auf ihre Befindlichkeiten ”. Anders wird es nicht funktionieren .
Irgendwann in den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts verbreitete sich in Budapest ein Spruch von János Kádár . Er charakterisiert ihn und seine Zeit sehr treffend . Als Zeichen dafür , dass es uns schwer fällt , die Realität zu akzeptieren , gab es ja auch damals vorlaute „ Nationale ” in Ungarn , die missbilligten , dass Ká - dár bereit war , mit der rumänischen Führungsfigur Nicolae Ceauçescu Gespräche zu führen . Kádárs Worte von vor vierzig Jahren sind auch heute noch gültig : „ Wenn das ZK so entscheidet , dann kann ich mich in zehn Minuten mit Ceauçescu so sehr überwerfen , dass es dreißig – vierzig Jahre dauern kann , bis unsere Nachfahren die Wogen wieder glätten .” Es führt auch heute kein Weg an den Verhandlungen vorbei . Westlich von uns , in dem glücklicheren Teil Europas , bekriegten sich Franzosen und Deutsche Jahrhunderte lang , bis sie endlich darauf gekommen sind , dass das keinen Sinn macht . Seitdem streiten sie sich nicht um ein Stück Erde , um Elsass-Lothringen , sondern haben sich anstelle dessen für eine Zusammenarbeit entschieden . Beide Völker haben dadurch gewonnen .
Unwahr ist die Behauptung der Studie , wonach „ das im historischen Oberungarn über Jahrhunderte fleißig arbeitende Volk mindestens so ungarischsprachig war wie slawisch ”. Die statistischen Daten untermauern das nicht . Dies gilt lediglich für manche Teile der Großen Schüttinsel , für das ganze ( ehemalige ) Ober - ungarn mit Sicherheit nicht . Laut der ungarischen Volkszählung von 1910 – nach mehreren Jahrzehnten gewaltsamer Madjarisierungsbe - strebungen – sah in acht oberungarischen Komitaten der Anteil der slowakischen und der madjarischen Bevölkerung so aus : Trentschin : 92 % Slowaken , 4 % Madjaren , Liptau 90 zu 5 %, Altsohl 85 zu 12 %, Arwa 75 zu 3 %, Neutra 71 zu 22 %, Turiec 69 zu 10 %, Scharosch 58 zu 10 % und Zips 56 zu 11 %. Harter Tobak , man kann bei statistischen Angaben nicht danebenreden : 1910 betrug in drei Komitaten der Anteil der Madjaren zwischen 3 und 5 %, in vier zwischen 10 und 12 % und nur in einem betrug der Anteil mehr als 22 %. Bei solchen Zahlen sollte man nicht schreiben , „ dass sie mindestens so ungarischsprachig waren wie slawisch ”. Im Nachhinein kam es heraus , dass der Autor an die Große Schüttinsel dachte , aber dann sollte er nicht „ Oberungarn ” schreiben , denn das führt irre . Nur um die geografischen Begriffe zu klären möge es zur Kenntnis genommen werden , dass in den vergangenen 100 – 150 Jahren auch die nördlichen Komitaten zu „ Ober - ungarn ” gehörten . Wo das Madjarentum nur punktuell anzutreffen war . Es ist auch nicht glücklich , dass die Studie von einer madjarischen Minderheit der zahlenmäßigen Stärke von 500 000 – 600 000 spricht , wenn die offiziellen slowakischen Statistiken von 512 000 sprechen . Wenn wir bei den Slowaken etwas erreichen wollen , dann sollen wir ihre Daten verwenden . Wir haben damals im Landesamt für Statistik die 512 nicht auf 600 gerundet .
Weitergehend : Lasst uns diesen Seitenhieb „ slawisch ”, was die Slowaken verletzt , weg . Insbesondere nachdem sich der Artikel richtigerweise für gegenseitiges Verständnis ausspricht . Mit solchen Methoden wird es mit Sicherheit kein gegenseitiges Ver - ständ nis geben . In Oberungarn lebte in den vergangenen 150 Jahren ein „ slowakisches ” Volk , das bereits 1842 in Wien um die Anerkennung der Slowakischsprachigkeit bat . Es ist gleichgültig , was wir hier über sie sagen , ihre Sprache nannten sie slowakisch . Bei der Konfliktlösung beider Völker hilft es nicht weiter , wenn wir uns stets auf vergangene Jahrhunderte berufen , unsere glorreiche Vergangenheit hochhalten . Das interessiert keinen führenden europäischen Politiker .
Es wäre sinnvoll , die Meinung des slowakischen Volkes kennen zu lernen und eingehend zu studieren , was sie über die madjarische Minderheit denken . Allen Anzeichen nach ist ihre Meinung nicht gerade günstig , sonst hätte man die antimadjarische Partei Slotas nicht ins Parlament und in die Regierung gewählt . In diesem Zusammenhang muss man auch darüber ein Wort verlieren , ob die madjarische Volksgruppe alles getan hat für ein friedliches Zusammenleben . Wir mögen es nicht , unsere eigene Verant wor - tung zu klären und das ist auch heute nicht anders .
Lasst uns einen ersten Schritt wagen und eine Meinung , die aus dem Kreise des slowakischen Volkes stammt , kennen lernen . Zwei Mädchen – eines aus Budapest , eines aus Pressburg –, die kurz vor dem Abitur stehen , melden sich zu einem Sprachkurs im Ausland an . Was das Leben so bringt , sie werden nach einigen gemeinsam verbrachten Wochen Freunde . In der zweiten – dritten Woche , als der Kontakt schon vertrauter war , kam das Gespräch auf die mad - jarische Minderheit in der Slowakei . Das slowakische Mäd chen erzählte , besser gesagt beklagte sich , dass es so schwer sei , die Madjaren zu akzeptieren . Vor kurzem , als sie sich zwecks Ver - wand tenbesuch in einem mehrheitlich madjarischen Dorf auf der Großen Schüttinsel verweilte , fühlte sie sich sehr unwohl . Sie hatte das Gefühl , dass die Madjaren die Slowaken geringschätzen . Ein Zeichen dafür wäre , dass sie nicht bereit wären , slowakisch zu sprechen . Sie begegnete nur ungarischen Aufschriften . ( Warum muss man die slowakische Mehrheitsbevölkerung provozieren ?, A . Cs .) Davor vertrat das slowakische Mädchen aus Pressburg einen neutralen Standpunkt . Seit den unangenehmen Erfahrung des Besuchs begegnet sie den Slowakeimadjaren mit Widerwillen . Es ist nicht auszuschließen , dass sie nächstes Mal für Slotas Partei stimmen wird – aber das füge nur ich zu .
– Habe ich deiner Meinung nach nicht Recht ? Wir leben ja in der Slowakei , die Minderheit sollte die slowakische Sprache erlernen und nicht wir die ungarische , fragte das slowakische Mäd - chen . Das ungarische Mädchen stimmte ihr zu . Auch ich bin mit beiden einer Meinung . Auf Einladung ihrer ungarischen Freundin
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