Sonntagsblatt 4/2018 | Page 22

Laden dichtmachen‘. Ich möchte zwei wichtige Errungenschaf- ten aus der Zeitspanne 2014-2018 hervorheben. Die eine ist die Schaffung von Konsens zwischen den Nationalitäten Ungarns. Derzeit konnten wir nämlich nur als Ausschuss (Parlamentsaus- schuss der Nationalitäten Ungarns) auftreten, darum war es im Sinne des Erfolgs unheimlich wichtig, frühere Konflikte beiseite zu legen und den bestmöglichen Kontakt zwischen den 13 Na- tionalitäten – vor allem aber zwischen den Parlamentssprechern und den Vorsitzenden der Landesselbstverwaltungen – herzu- stellen. Dies haben auch alle begriffen, und obwohl es natürlich auch weiterhin Diskussionen gegeben hat, konnten und können wir immer einen Kompromiss finden. Das zweite wichtige Ergeb- nis ist meines Erachtens, dass es uns durch regelmäßige Ab- stimmungen mit den Oppositions- und anschließend auch mit den Regierungsparteien gelungen ist, zu erreichen, dass die Angelegenheiten der Nationalitäten kein Thema des politischen Geplänkels sind. Als Resultat dessen gibt es bezüglich der Ange- legenheiten der Nationalitäten immer einstimmige Parlaments- entscheidungen. Dies ist – finde ich – besonders wichtig, denn in einer Demokratie kommt es natürlicherweise immer wieder zu politischen Änderungen, und daher kann es gut vorkommen, dass der eine oder andere Politiker, der das Gefühl hat, dass in der vergangenen Wahlperiode bestimmte Angelegenheiten im Sinne einer anderen politischen Einstellung geregelt wurden, für uns wichtige Entscheidungen annulliert. Unsere Aufgabe ist, vor allem die Rahmen, Gesetze und Möglichkeiten zu behandeln, die die Interessen der Nationalitäten landesweit betreffen. Die Vorschläge, die wir unterbreiten, beruhen in der Regel auf einer engen Zusammenarbeit mit Experten der jeweiligen Bereiche, den endgültigen Beschluss fasst aber immer die Politik. Meine Aufgabe hierbei ist, eine Art Vermittler zu sein, der selbstver- ständlich in gewissem Maße in den Themen bewandert sein muss. Über die Lösung von wirtschaftlichen Fragen hinaus nahm ich jahrelang von der Herausgabe von Büchern über den Bau von Kapellen bis hin zur Herausgabe von Noten für Blaskapellen an ganz vielen Projekten teil, und all daraus erwarb ich sehr vie- le Erfahrung. Das ist ein interessantes Spiel, das strategisches Denken erfordert.“ Als Parlamentsabgeordneter „Zwischen den Möglichkeiten eines Sprechers und eines Abge- ordneten gibt es gewaltige Unterschiede. Ich selber hätte es nie gedacht, dass diese so groß sind! Als Abgeordneter, als Vorsit- zender des Nationalitätenausschusses, als Mitglied des Haus- halts- und des Hauptausschusses werde ich ernst genommen, ein jeder spricht mit mir auf Augenhöhe. Meine Rolle ist übrigens eine ganz spezielle – der Fall ‚Erster unter den Gleichen‘: Ich bin nämlich von Parteien unabhängig, vertrete eine Nationalität, und gelte deshalb in manchen Fällen als begünstigt. Ich glaube, das ist für uns eine riesige Chance. Natürlich sind mit dem Stimm- recht auch gewisse Schwierigkeiten verbunden, die wir allmäh- lich gemeinsam klären müssen. Jedenfalls konnte die deutsche Gemeinschaft darum ein Abgeordnetenmandat erzielen, weil wir trotz unserer unterschiedlichen politischen Ansichten und Mei- nungen dazu fähig waren, uns auf die Angelegenheiten und Inte- ressen unserer Nationalität zu konzentrieren.“ Über die Gewichtigkeit des Stimmrechts „Bereits vor etwa anderthalb Jahren befasste ich mich sehr inten- siv mit der strategischen Frage, wie ich von meinem Stimmrecht Gebrauch machen werde. Mit ganz vielen Leuten diskutierte ich auch darüber. Im Sommer des vergangenen Jahres formulierten wir schließlich das diesbezügliche Grundprinzip: Wenn wir die Nationalitätenpolitik der jeweiligen Regierung für korrekt halten, werde ich in allen weiteren Angelegenheiten im Sinne der Re- gierung stimmen. Wenn jedoch die Nationalitätenpolitik der Re- gierung nicht unseren finanziellen und sonstigen Erwartungen entspricht, zwingt uns die Regierung selber, in die Opposition zu treten. Dies haben wir übrigens auch vor der LdU-Vollversamm- lung artikuliert. Damit die Landesselbstverwaltung der Ungarn- deutschen und ihre Organisationen nicht gezwungen werden, 22 wegen die Gesellschaft teilenden Angelegenheiten Entschei- dungen zu treffen, die unsere ungarndeutsche Gemeinschaft spalten, muss ich bei den Abstimmungen von dem täglichen poli- tischen Geplänkel frei vorgehen. Wenn es bezüglich der ominö- sen Stop Soros-Sache und der Verfassungsänderung – die die Nationalitäten übrigens gar nicht betreffen – begründete Gegen- argumente gegeben hätte, mich anders zu verhalten, hätte ich eine Ausnahme gemacht. Niemand hatte sich aber gemeldet.“ Über die Fidesz-Mitgliedschaft „Noch vor den Parlamentswahlen habe ich meine Parteimitglied- schaft suspendiert, und unlängst trat ich aus Fidesz aus, obwohl die Mitgliedschaft für mich auch bislang nicht von Bedeutung war. Ich bin natürlich immer noch konservativ gesinnt, gläubig, und daran wird sich auch nichts ändern, nichtdestotrotz konn- te und kann ich mit Menschen mit anderen politischen Einstel- lungen zusammenarbeiten. Ich wollte übrigens nie irgendeiner Partei beitreten. Ich trat damals nur darum Fidesz bei, weil die Partei ausschließlich Mitglieder als Bürgermeisterkandidaten an- treten ließ. Dies bedeutete aber auch schon damals nicht, dass ich immer mit allem einverstanden war. Mir waren immer die In- teressen meiner Nationalität am wichtigsten. Es kam auch schon früher mehrere Male vor, dass ich jene Ansichten von Fidesz, die die Interessen der Nationalitäten verletzten, auch öffentlich kritisierte. Man wollte mich sogar von der Partei ausschließen. Ich bin zwar der Meinung, dass es zwischen der Suspension der Parteimitgliedschaft und dem Austreten keinen wesentlichen Unterschied gibt, bin ich nun auch formell ausgetreten, um auch dadurch zu demonstrieren: Für mich ist meine ungarndeutsche Identität das einzig wichtige Maß.“ Kleines Sandkörnchen in der Wüste- Angela Korb über ihren LdU-Rücktritt Auf der Sitzung der Landesselbstverwaltung der Ungarndeut- schen am 15. September wurde der Rücktritt von Angela Korb als Vollversammlungsmitglied angenommen. Wir veröffentlichen die Erklärung der bisherigen Abgeordneten aus der Branau mit freundlicher Genehmigung der Neuen Zeitung. Mit großer Spannung und Anspannung wartete ich am 20. Juni in Stuttgart auf die Berichte der Online-Nachrichtenportale über die Abstimmung im Parlament bezüglich des Stop Soros-Gesetzes und der anstehenden Grundgesetzmodifizierung. Als ich 2014 Vollversammlungsmitglied der LdU wurde, habe ich in meinem Statement geschrieben, dass ich nach meinem besten Wissen und Gewissen, die Anliegen der Ungarndeutschen im Auge be- haltend, mich für die Gemeinschaft einsetzen werde. In Anbe- tracht der Abstimmung unseres ungarndeutschen Abgeordne- ten im ungarischen Parlament am 20. 06. 2018 lässt sich sein SoNNTAGSBLATT