Sonntagsblatt 4/2016 | Page 20

mächtigen Docks verkörpert sich der Goliath der deutschen und der europäischen Wirtschaft . Wir besichtigten die Landungs - brücke , wo auch tausende Ungarndeutsche von Europa Abschied nahmen , um in der Neuen Welt , in Amerika , Glück zu finden . Die bunte Vielfalt der Sprachen fanden wir spannend : wir beurteilten die sprachliche Lage so , dass man den niederdeutschen Dialekt in Hamburg selten hören kann , jedoch konnten wir ein paar niedersächsische Worte auf der Straße erwischen . Die ungarndeutschen Mundarten gehören ausschließlich zu den süd- und mitteldeutschen Dialekten , deswegen bedeuteten diese linguistische Beo - bachtungen ein einzigartiges Erlebnis .
KIELER GASTFREUNDLICHKEIT
Nach unserem Aufenthalt in der Hansestadt Hamburg nahm die VDH-Compagnie den Weg Richtung Schleswig-Holstein , um Kiel und die Umgebung zu besichtigen . Wir haben es so vermutet und gewusst , dass der Kieler Hafen aus historischen Gründen hauptsächlich Platz für Marineschiffe bietet , diese Vermutung wurde bestätigt , weil wir vor Ort meist die Monstren der Deutschen Marine bewunderten , die die heutige Seemacht Deutschlands repräsentieren . Dessen ungeachtet scheint das dortige Milieu überraschend ländlicher und familiärer als Hamburg . Beim einheimischen VDSt angekommen fanden wir ebenso richtige Far - benbrüder – nach den ersten Eindrücken durften wir den Schluss ziehen , dass die Bude von einer musterhaften Gemeinschaft be - völkert wird . Im Zeichen der alten deutsch-irischen Freundschaft wurden wir sofort offiziell zu einer irischen Party eingeladen ( um den St . Patrick ’ s Day zu feiern ), wo spannende und interessante Gespräche entstanden , möge es den kollegialen Relationen ge - schul det sein ( viele von den Kieler Farbenbrüdern studieren die gleichen Disziplinen wie wir in Ungarn ). Von Anfang an wurden wir von ihnen so behandelt , als würden wir zu diesem Bund gehören . Wir Ungarndeutsche müssen in Deutschland vielmals beweisen , dass unsere ungarländische Minderheit gleichfalls die deutsche Kultur pflegt , trotz unseres Wohnorts in Ungarland . Bei den Kielern war jedoch die Reaktion glücklicherweise anders . Wir konnten unsere eigene Kulturmission im Norden erweitern , nämlich die Bekanntmachung unserer ungarndeutschen Identität den mutterländischen Landsmännern . Aber nicht die ungarndeutsche Nationalität spielte vor Ort die Hauptrolle , sondern das Erleben der holsteinischen Stimmung – vorher hatte eigentlich nur ein einziger Bundesbruder vom VDH Budapest diese märchenhafte Landschaft gesehen . Unerwarteterweise verfügt die sich mit we - nig studentischen Vergangenheit rühmende Stadt Kiel über mehrere Korporationen ( Studentenverbindungen , Corps-Vereine , Bur schenschaften ), die wir im Rahmen unseres ersten Couleur - bummels in Begleitung der VDSt-Farbenbrüder besuchten , so lernten wir auch diese Tradition kennen .
GESCHICHTE DER DEUTSCHEN MARINE
Die Farbenbrüder nahmen uns nach Laboe mit . Dieses kleine gemütliche Dorf liegt an der Ostseeküste und beherbergt ein imposantes Marinemuseum . In diesem riesigen Turm durften wir die Geschichte der deutschen Marine mit Hilfe einer reichen Sammlung erfahren , zum Beispiel fanden wir viele Sachen , Flag - gen , Gedenkstücke aus der Österreichisch – Ungarischen Monar - chie , deren Verewigung auf Fotos eine richtige Freude war . Nach dem Museum kam der Höhepunkt des Tages , die Besichtigung des U-Boots U-995 . Dieses U-Boot kämpfte in vielen Schlachten der Ostsee während des Zweiten Weltkriegs – mit wesentlichen Kriegs erfolgen . Zum Glück überlebte es den Krieg , wonach es im Dienst der norwegischen Marine im Kalten Krieg war – von Norwegen kaufte Deutschland das Boot zurück , seither fungiert es als Museum . In phantastischem Zustand blieben die Einrich - tungs gegenstände , der Spaziergang an Bord schien wie eine Zeit - reise , wir fühlten uns im weltberühmten Kinofilm Das Boot – diese Minuten werden unbedingt Erinnerungen fürs Leben . Zu Mittag aßen wir traditionelle Fischbrötchen , damit identifizierten wir uns mit den plattdeutsch – altsächsischen Besonderheiten , ob - wohl man das bei uns dem österreichisch – bayerischen Sprach - gebrauch folgend als Semmel ( ungar . Wort dafür : zsemle ) be - zeichnet . Dabei vermuteten wir nicht , was die Kieler Farben - brüder inzwischen vorbereitet hatten : mit Lederhosen , Weißwurst , und Brezeln boten sie uns ein echt bayerisches Frühstück , so fühlten wir uns wirklich wie daheim , unsere süddeutschen Mundarten kamen aus der sublót / Schublade heraus , auf gut Donauschwäbisch gesagt . Danach mussten wir von unseren netten Gastgebern Ab - schied nehmen . Wir versprachen , dass wir ihnen nächstes Mal in Budapest ein donauschwäbisches Frühstück organisieren werden .
RÜCKREISE MIT LACHENDEM UND WEINENDEM AUGE
In Hamburg bereiteten wir uns langsam für die Rückfahrt „ ins tuife Ingerland ”. Wir fanden es echt schade , dass wir die kreischenden Möwen , die norddeutschen Dünen und Kanäle hinter uns lassen mussten , aber wir konnten es kaum erwarten , unseren Familien , Freunden und Bekannten über diese Tage zu berichten .
Summa summarum wurden wir durch diese Rundreise um viele Neuigkeiten und Erlebnisse reicher , eine ganz andere Seite Deutschlands haben wir entdeckt , die wir früher nicht so gut kannten wie die bayrischen Berge . Auch aus diesem Anlass bedanken wir uns beim VVDSt für die Unterstützung unserer Fahrt , ohne – dem hätte man das nicht verwirklichen können . Ein riesiges Dankeschön sagen wir natürlich den Kieler und den Hamburger VDStern für die farbenbrüderliche Mitwirkung und Hilfe sowie für die neuen Freundschaften . Treu zu unseren Versprechen würden wir uns auf immer mehr norddeutsche Bünde auf unserem nächsten , im Oktober stattfindenden Stiftungsfest freuen – bei uns in Budapest gibt es bloß paar kleinere Häfen an der blauen Donau , also können wir mit gigantischen U-Booten leider nicht dienen , doch möchten wir die Stadt und damit deren deutsche Spuren unseren Gästen vorstellen
Stefan Pleyer geb . 1992 , ist aktiv beim VDH Budapest , studiert Geschichte ( MA ) an der ELTE-Universität in Budapest
Damals

MUTTERSPRACHE

In einer ungarischen Bürgerschule zur Zeit vor der Vertreibung ( Ein Paradebeispiel zur ungarischen Minderheitenpolitik von DAMALS , eigentlich zur Zeit des heute so verhassten Volks - bundes )
Der Klassenlehrer erklärt den Schülern die bevorstehende Volks - zählung ( 1941 ), in der jeder Bürger des Landes seine Staatsan ge - hörigkeit , Volkszugehörigkeit und Muttersprache angeben musste . Der Klassenlehrer ( natürlich ungarisch !) sagte : „ Ich lese eure Namen in alphabetischer Reihenfolge vor , und jeder hat wahrheitsgemäß zu antworten .“ Und sogleich fing er an : „ Bauer Nándor , Staatsangehörigkeit ?” Bauer : „ Ungarisch .” Lehrer : „ Volkszugehörigkeit ?” Bauer : „ Deutsch .” Lehrer : „ Damit das gleich klar ist : In meiner Klasse gibt es keine
Deutschen !” ( Es waren ja auch nur 31 Deutsche von 43 Schülern ).
20