Sonntagsblatt 4/2016 | Page 16

deutschen Theaters , ans Nationaltheater ; desgleichen die Sänge - rin Schodel , die zur lauten Vorkämpferin des madjarischen Chau - vinismus wurde . Erkel aber , mit Ehrungen und Geschenken überhäuft , gründete die ungarische Oper .
Das Nationaltheater spielte – wie die ungarischen Wandertrup - pen – aus dem Deutschen übersetzte Kassenstücke der deutschen Bühne . Im übrigen fand seine Eröffnung mit Kotzebues „ Bélas Flucht ” in deutscher Sprache statt ; nur ein Gedicht Vörösmartys ( Árpád ébredése – Arpads Erwachen ) wurde ungarisch vorgetragen . Erst allmählich entstand eine eigenständige ungarische Dra - menliteratur .
Die Gefahr für das deutsche Theater kam jedoch von anderer Seite . Széchenyi hatte in seinem „ Licht ” ( 1832 ) geschrieben :
„ Dieser Ort ( die Hauptstadt ) kann aber für den Madjaren kein anderer sein als das von Natur aus dazu bestimmte Pest und Ofen , denn das ist das Herz des Vaterlandes , und das soll in Ordnung sein , das soll in voller Lebenskraft pochen , es wird das belebende Blut in alle Adern des Landes hinaustreiben . Das Madjarentum nach Pest und Ofen zu konzentrieren , ... das ist unser Ziel .” ( Vgl . MR . XVI , S . 247 ).
Nur waren jedoch Pest und Ofen keine menschenleeren Städte , sondern hatten eine kulturell hochstehende deutsche Bevölkerung mit zahlreichen Institutionen , Vereinen , Schulen , Theatern , da - run ter das große Schauspielhaus . Dies alles musste ausgeschaltet werden , um eine rnadjarische Hauptstadt zu schaffen . Széchenyi selbst war entsetzt über die Art , wie man sich an die Verwirk - lichung seines Planes heranmachte . In seiner großen Akade - mierede von 1842 versuchte er die Madjarisierungswut zu dämpfen , indem er ausführte :
„ Hat sich das Madjarentum nicht in den Kreis älterer Institu - tionen und Vereine gelegentlich von heute auf morgen mit Gewalt hineingedrängt ? Wurden aus manchen Vereinen und Veran stal - tungen zugunsten des Madjarischen nicht alle anderen Spra chen wie Drüsen ausgeschaltet ? Hat sich das Madjarische nicht Hals über Kopf auch in die geringsten Dinge hineingeschoben , ... und wenn es dazu zu schwach war , haben Organe der Öffentlichkeit wie gewaltige Riesen diesen nicht die nationale Rache angedroht ?” ( Ebd ., Bd . XVII , S . 157 if .).
Am 27 . Februar 1843 zeigte sich zum ersten Mal , wie man das Pester deutsche Theater zugrunde zu richten gedachte : man verhinderte das Auftreten des weltberühmten Violinkünstlers Vieuxtemps unter Skandalszenen . Széchenyi protestierte empört dagegen in seinem Blatt „ Jelenkor ” ( Gegenwart ) am 30 . März , am 9 . und 27 . April 1843 und enthüllte , dass der Krawall aus Rivalität gegen das deutsche Theater provoziert worden sei ; er schrieb : „ Viele meinen , nur noch einigemal so , und das deutsche Theater wird unwiderruflich zugrunde gerichtet sein ”.
Fortsetzung folgt

❖ Mit einem Binkel gekommen ?

Wenn man in Ungarn über die Ungarndeutschen – eigentlich über die „ Schwaben ” ( svábok ) – spricht , über deren Geschichte schreibt , so steht immer wieder , beinah selbstverständlich , die geflügelte Aussage im Vordergrund : Mit einem Binkel gekommen , mit einem Binkel mussten sie gehen . Gemeint ist damit , dass unsere Ahnen im 18 . Jahrhundert als arme Leute , nur mit einem Binkel ins Land gekommen sind und dann im 20 Jahrhundert , nach dem Zweiten Weltkrieg , ebenso mit einem Binkel das Land verlassen mussten , – da sie vom ungarischen Vaterland enteignet und vertrieben wurden .
Mit dem Binkel gekommen ? – das stimmt aber nicht !
Unsere Ahnen , vom „ Kaiser gerufen ”, über die Reichskammer oder von Großgrundbesitzern in Ungarn angeworben , kamen über wiegend auf den Wellen unseres Schicksalstromes Donau mit Plätten / Ulmer Schachteln in die neue Heimat . Über die Gründe zum Entschluss der Auswanderung , über die Reise , deren Um - stände und Gefahren , über das mitgeführte / mitgebrachte „ Eigen - tum ” der Kolonisten berichtet Prof . Gerhard Seewann in seiner zweiteiligen „ Geschichte der Deutschen in Ungarn ” sehr ausführlich und verständlich . Ja , diese Geschichte müsste eben von allen un - seren Landsleuten gelesen , in allen Schulen unterrichtet werden ! Sicherlich kamen auch arme / ärmere Menschen , Einzelgänger oder Familien , in das damals hochgepriesene Hungarland , doch überwiegend , ja allgemein brachten sie ein ansehnliches Vermö - gen mit . Darüber sollen hier Auszüge aus Seewanns Geschichte berichten .
… Entschloss sich ein Bauer zur Auswanderung nach Ungarn , so war noch vor der Reise eine Reihe von Modalitäten zu erledigen . Nehmen wir das Beispiel des Bauern Adam Baumann von Schlier - stadt bei Mainz : Im Frühjahr 1724 verkaufte er Haus und Hof und erzielte damit 328 Gulden . 100 Gulden musste er für die Kirche in Zimmern abzahlen , 17 Gulden rückständige Steuern an die Herr - schaft und seine sonstigen Schulden begleichen . Von den Einnah - men waren noch die üblichen 10 Prozent Nachsteuer zu entrichten . Außerdem war noch die Wegzugsgebühr fällig … Schließlich kaufte er für die Reise Frucht und Proviant ein . Schließlich blieben ihm 43 Gulden Reisegeld …
… Die erste Etappe der Anreise vom Herkunftsort bis Wien musste der Siedler in der Regel selbst organisieren und bezahlen . An der Donau angekommen zimmerte er sich entweder selbst einen Floß oder man bestieg an den Anlegestelle ein Schiff …
… Unter Kaiser Joseph II . wurde das Transportsystem neu ge - ordnet und die Reisekosten an der Kolonisten von Wien bis zum Ort ihrer Ansiedlung grundsätzlich vom Staat übernommen . Bis 1780 mussten die Kolonisten die Kosten für den Transport von den Donauhäfen Pest , Dunaföldvár , Paks , Mohács , Apatin , Peter - wardein / Petrovaradin , Pantschowa / Pancova bis zu ihrem endgültigen Bestimmungsort selbst übernehmen , im günstigen Fall bekamen sie von ihrem neuen Grundherrn einen Vorschuß , den sie später jedoch zurückzuzahlen hatten …
… Da die kaiserlichen Behörden Auswanderer in der Regel nur im Familienverband einreisen ließen , waren viele noch unverheiratete Angehörige der jüngeren Generation gezwungen , spätestens unterwegs Ehepartner auszuwählen und zu heiraten . Die Kirchenbücher der Donauhäfen sind voll von Eintragungen solcher Eheschließungen . In der holländischen Gesandtschaftskirche in Wien wurden zahlreiche protestantische Brautpaare getraut , da sie für Protestanten eine der wenigen Möglichkeiten bot , in der Haupt- und Residenzstadt der katholischen Habsburgermonar - chie den ihrer Konfession gemäßen Heiratsakt zu vollziehen …
Was brachten die Siedler aus Deutschland mit ?
… Die Kolonisten aus Deutschland brachten ein ansehnliches Ver - mögen mit ins Land , ein Startkapital , das sie zum Aufbau ihrer Existenz auch benötigten . Als solches wurde laut Werbepatenten ein Durchschnittsbetrag von 200 Gulden angesehen , mit dem Zug vieh , Arbeitsgerät , der Hausbau und die Eigenverpflegung bis zur ersten Ernte zu finanzieren waren . Doch wurden auch Paare mit geringerem Vermögen aufgenommen , die als landlose Häusler oder Söllner für die Arbeit im Weinberg und in der Eigen wirt - schaft der Grundherren als Handwerker und Tagelöhner benötigt wurden .
Die 200 Gulden als Investitionsbetrag für den Neuanfang in Ungarn wurden laut Werbepatent eines kaiserlichen Kommissars für die Impopulation des Banats 1736 wie folgt berechnet :
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