Sonntagsblatt 4/2015 | Page 27

• Zum Feierabend • mein ( ungarn- ) deutschtum ( 20 )
beabsichtigte , durch einen „ Reißer ” ins große Geschäft zu kommen . Da war die ungarische Staatskrise 1903-6 , die in ganz Euro - pa für Aufsehen gesorgt hatte , gerade das richtige Thema . Nun ging es Adam Müller-Guttenbrunn um gründliche Recher - chen in seiner ungarischen Heimat . Die erste Reise erfolget am 12 . 05 . 1907 .
Voller Eifer reiste der Dichter für einige Tagen ( 12 . – 18 . Mai ) zwecks Gewinnung von Eindrücken nach Ungarn . Auf dieser Reise gelangte Adam Müller-Guttenbrunn auch in seinen Heimatort , wo er nach aufmunternden Worten zu den Bauern vor ungarischen Gendarmen flüchten musste . Diesbezüglich hält Ludwig Rogl anekdotisch fest : „ Belustigend wirkt die Verwirrung , die auch bei treuen ‘ Patrioten ’ das ungarische Ortsnamengesetzt anrichtet . Nach dem Bericht der ‘ Südungarischen Reform ’ ( 22 . Mai 1907 ) über die Jagd auf den ‘ pangermanischen Giftmischer ’ floh Müller- Guttebrunn von Gutttenbrunn nach Temeshidegkut , was aber nur der madjarische Name für Guttenbrunn ist .”
Nach seinen Aufenthalten in der Heimat war der Dichter über die dort vorgefundene Wirklichkeit voller Misstrauen und politischem Desinteresse entsetzt , und es reifte in ihm der Entschluss , diese Zustände journalistisch-schriftstellerisch zu verarbeiten , um einer breiten Leserschaft zugänglich zu machen . Seine Empörung über die in Transleithanien vorgefundenen Zustände findet in dem mit Wut und Zorn verfassten Roman Götzendämmerung ( Ein Kulturbild aus dem heutigen Ungarn – als Untertitel ) ihren Niederschlag . Über die politische Lage informierte sich der Dichter in verschiedenen Gesprächen wie z . B . mit siebenbürgisch – sächsischen Reichstagsabgeordneten , mit Politikern aus dem Umfeld des Reformkabinetts Géza Fejérváry sowie mit dessen Innenminister Josef von Kristóffy , mit dem er durch Edmund Steinacker bekannt wurde . Darüber hinaus war die Lektüre diverser politischer Pub - likationen aus Ungarn dem Dichter von besonderer Hilfe .
Die Arbeit Adam Müller-Guttenbrunns lag am 30.08.1907 druckreif vor und wurde schlussendlich als „ Götzendämmerung ” betitelt . Adam Müller-Guttenbrunn beabsichtigte mit diesem Titel zum Ausdruck bringen zu wollen , dass es der Führungsschicht einerseits gelungen war , nach dem Reformkabinett wieder den Weg zu ihrer politischen Haltung zurück zu finden , dass andererseits die Ära der falschen Götter – der Götzen – vorbei sei , die von ihren demokratisch-sozialen Versprechungen abgerückt sind . Adam Müller-Guttenbrunn ging es in seinem Roman „ Götzen - däm merung ” um die genaue wahrheitsgetreue Darstellung der sozial-politischen Verhältnisse in Ungarn aus verschiedenen Blickwinkeln und durch maßgebliche Persönlichkeiten bzw . deren Zugänglichkeit zu einflussreichen politischen Gruppen .
Der Romanheld Dr . Dezsôffy stellt den Innenminister Kristóffy dar , dessen Wahlvorhaben laut Regierungsprogramm hauptsächlich soziale Absichten verfolgen zwecks Schaffung der Vorausset - zungen , Ungarn vom Adels- zum bürgerlichen Nationalstaat um - zuformen .
Die am Wiener Hof agierende Spionin , Baronin Béla Schön - berger wird vom späteren Justizminister Polónyi (= Dr . Boldog im Roman ) bestochen , den Grafen von Paar , Generaladjutant des Kaisers , auszuspionieren . Nachdem jedoch die für ihre Dienste versprochenen Beträge nicht mehr an die Baronin fließen , legt die se ihre Aufträge offen , und Polónyi wird seines Amtes enthoben . Diese als Tulpenbewegung in die Geschichte eingegangene Hetze gegen Österreich bzw . gegen alles Österreichische beabsichtigte eine eigene Industrie aufzubauen und Ungarn weitgehend von Österreich unabhängig zu machen .
In Österreich bahnte sich eine Gegenbewegung namens „ Weiße Nelke ” an , der zufolge landwirtschaftliche Erzeugnisse aus Un garn boykottiert sowie ungarische Wertpapieren abgestoßen werden .
Bald siegten jedoch in Ungarn jene Kräfte , die zur Mäßigung führten und sich gegenüber dem König nachgiebig erwiesen .
Die 1906 gegründete Ungarländischen Deutschen Volkspartei ( UDV ) war bestrebt , alle Ungarndeutschen einschließlich den Siebenbürger Sachsen zu einemeinheitlichen Vorgehen in sozialpolitischen und kulturellen Belangen zu veranlassen
Dass die Siebenbürger Sachsen andere Ziele verfolgten – nämlich sich nicht den Nationalitäten sondern der Regierungspartei zugetan fühlten , wird von der Leitung der Ungarländischen Deutschen Volkspartei ( UDV ) aufs schärfste kritisiert . Im Zentrum der Romanhandlung ( Götzendämmerung ) steht der deutsch – amerikanische Ingenieur Georg Trauttmann , der zu verschiedenen Ebenen und mit verschiedenen Bereichen Beziehungen pflegt .
Fortsetzung folgt

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Ungarndeutsche Zukunft über soziale Medien ? – ein interessanter Versuch Von Richard Guth
Wie aus dem Nichts tauchten plötzlich Bilder auf Facebook auf , die wie Memes erscheinen , aber mit einem großen Unterschied : Deren Ziel scheint nicht die Belustigung über und Karikierung von All - tagserscheinungen zu sein , sondern versuchen eine ernste Botschaft mit ein wenig Hu - mor zu vermitteln . Einige Bei - spiele : „ Wenn sich alle Ungarndeutsche nebeneinander stellen würden , könnten sie die Erde 4,5 mal umrunden ”. „ Einer repräsentativen Umfrage nach würde in Ungarn ein Drittel der Bevölkerung nicht gerne einen Donauschwaben in ihrer Nachbarschaft haben . Somit sind sie immerhin beliebter als die Siebenbürger Ungarn oder die Skinheads ”. „ Einem Nordschles - wiger Deutschen kommen durchschnittlich zweimal so viele auf Deutsch unterrichtende Gym nasien zu als einem Ungarn deut - schen ”. „ Pál Dárdai , der Natio nal trainer der ungarischen Fußball - mannschaft , nebst Cheftrainer von Hertha BSC , bekennt sich stolz zu seinen donauschwäbischen Vorfahren ”. Solche und ähnliche Posts erwarten auf Facebook die Benutzer , die Palette ist groß , eins ist gemeinsam : Mit Hilfe mo derner Medien und aktueller Beispiele versuchen die Seiten macher allen voran die ungarndeutsche Jugend zum Nachdenken anzuregen , um für sie „ Motivation und Alternative ” zu bieten , so die Seiteninfo . Aber wer sind die Macher und was für Ziele verfolgen sie ? Das Sonntagsblatt hat über das soziale Netzwerk Face book Kontakt mit ihnen aufgenommen .
„ Unser langfristiges Ziel ist die Stärkung des Brands ( der Marke , R . G .) „ Ungarndeutsche ” im Kreise der Gymnasiasten und Stu - den ten ( 14 – 25 Jahre ), die über einen ungarndeutschen Hinter - grund verfügen . Primär möchten wir die in Ungarn lebenden Personen , sekundär auch die Nachkömmlinge der nach Deutsch - land Vertriebenen erreichen , und diese mit der Zeit miteinander vernetzen “, gewähren die Seitenadministratoren Einblicke in ihre Ziele . Ihr kurzfristige Ziel : „ In der kürzesten Zeit die meisten von den erwähnten ca . 25 – 30 000 Personen zu erreichen ”, ergänzen sie .
( Fortsetzung auf Seite 28 )
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