Sonntagsblatt 4/2015 | Page 26

len Bodenkommissionen aufgelöst und neu gebildet wurden , nun ausschließlich mit Neusiedlern besetzt .
Die ganze Aktion wurde von der Presse begleitet . Gonda zeigt durch viele Beispiele , wie die parteinahen regionalen und überregionalen Presseorgane fast unsisono für die Vertreibung der Deut - schen warben . Hier hätten sich Zeitungen , die den Sozialdemok - raten und den Kleinlandwirten nahestanden , mit der Zeit jedoch einen gemäßigteren Ton angeschlagen , auch mit regionalen Un - terschieden . Gonda betrachtet insgesamt die Kommunisten ( und die von der Nationalen Bauernpartei ) als große Vorantreiber der Vertreibung und der Umsiedlungsaktionen . Die Erklärung , die Kommunisten wollten mit der Entfernung der religiösen und wohlhabenden Deutschen zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen , nämlich die Kirchen schwächen und die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse von Grund auf verändern , erscheint durchaus plausibel . Wir wissen aber , dass in der Frage der Ver - treibung die Parteien 1945 einer Meinung waren . Der These der Hauptverantwortung widerspricht beispielsweise auch die Tat - sache auf lokaler Ebene , dass in Ödenburg der Kleinlandwirte Tibor Hám , Obergespan der Region , die Enteignung ( und Ver - treibung ) der Deutschen und die Ansiedlung von Madjaren be - reits vor dem offiziellen Beginn der Vertreibungsaktionen begann , wofür er offiziell Rüge erhalten hätte . Später hätte sich dieser Hám in Budapest zum Deutschenretter entwickelt , so Gonda . Auch ein anderer uns wohlbekannter Vertreiber wird im Band vorgestellt : György Bodor , der in der Tolnau gegenüber den Deut - schen Unrecht beging .
Aber es gab zahlreiche Vertreter des öffentlichen Lebens , die versucht haben , oft zugunsten des eigenen Klientels , Deutsche vor der Vertreibung zu retten , auch Kommunisten im Falle der Brennberger Bergleute . Als Beleg für den zufälligen und inkonsequent Charakter der Vertreibung zeigt die Tatsache , dass selbst Deutsche , die die so genannte nationale Treueprüfung bestanden , der Vertreibung nicht entgehen konnten , auch hier sollten wirtschaftliche Überlegungen den Ausschlag gegeben haben .
Die Vertreibung hat beide Landsstriche nachhaltig verändert . Diesen Prozess zeichnet Gonda sehr detailreich und um Differen - ziertheit bemüht nach . Ein wichtiges Buch , um den Komplex Vertreibung und Zwangsmigration in ihren Zusammenhängen , dennoch in ihrer regionalen Differenziertheit zu begreifen .
* Gábor Gonda : Kitaszítva ( Ausgestoßen ) – Fünfkirchen 2014
Adam Müller-Guttenbrunn :

„ Götzendämmerung – Ein Kulturbild aus Ungarn ”

Im Spannungsfeld der politischen Krise in Ungarn zu Beginn des 20 . Jahrhunderts ( Ein Vortrag im Haus der Ungarndeutschen , Budapest , gehalten von Dr . Hans Dama – 2 . Teil )
„ Die 48er Unabhängigkeitspartei war ausgesprochen deutsch - feind lich eingestellt […] Im Jahre 1907 holte sie dann zum ver - nich tenden Schlag gegen das Schulwesen der nationalen Min - derheiten aus . Kulturminister Apponyi zeichnet verantwortlich für jenes Gesetz , das sich in erster Linie gegen das Volks schul - wesen der Deutschen und Slowaken auswirkte , zumal die anderen Nationalitäten Ungarns ( Rumänen , Serben , aber auch die Sie - benbürger Sachsen ) durch ihre Kirchen weitgehenden Schutz ge - nossen […]
Die Haltung der Ungarndeutschen während der Revolution von 1848 / 49 war zwiespältig . Einerseits erhoffe sich die unterdrückte deutsche Bauernschaft durch die Liberalisierung die Befreiung von den madjarischen Grundherren , andererseits fürchteten sie aber die Turanisten unter Kossuth und Petõfi . Die Zeit nach der Revolution brachte Beruhigung , die jedoch nicht lange währte . Ungarn wurde Siebenbürgen zugesprochen , wo die große Bevölkerungsmehrheit der Rumänen und Deut - schen gegen diesen Anschluss protestierte ,
Der Ausgleich von 1867 zwischen dem Kaiserreich Österreich und dem Königreich Ungarn ließ die Hoffnung einer Lösung des Nationalitätenproblems aufkeimen , zumal es im sogenannten „ klei nen Ausgleich ” zwischen Ungarn und Kroatien und 1868 in Ungarn das Gesetzt Nr . 44 / 1868 „ für die Gleichberechtigung der Nationalitäten ” in Kraft gesetzt wurde .
Kuriosum : „ Bereits in der Präambel wurde der alte Herr - schaftsanspruch der Madjaren beschworen ” so dass Zenobius Pâc - lisanu auf S . 200 dieses Gesetz die „ gleiche Nichtberechtigung der Nationalitäten ” apostrophierte .
Fortan werden die nationalen Minderheiten Ungarn gegen den Madjarisierungsdruck , unter dem sie viel zu leiden hatten , sich mit allen Mitteln zur Wehr setzen .
Das „ Deutsche Tagblatt für Ungarn ” und – später – der „ Deutschungarische Volksfreund ” gelangten als die wichtigsten Publikationen ihrer Zeit zum Sprachrohr der deutschen Bewe - gung Südungarns , die sich die Mobilisierung der national-politischen uninteressierten Schwaben zum Ziel gesetzt hatten . Der meistens mit seiner Feldarbeit zum Erhalt der Familie beschäftigte Schwabe kümmerte sich weder um Politik noch um das Alltagsgeschehen , geriet deshalb immer mehr ins Hinter - treffen und sollte nun wachgerüttelt und sich seiner Rolle als Träger einer alten deutschen Kultur bewusst werden .
In eben diese Zeit fällt das Wirken Adam Müller-Gutten - brunns . Dieser machte bereits während seiner Schulzeit in Her - mannstadt Bekanntschaft mit der kämpferischen Haltung der Deutschen bzw . mit deren nationalem Engagement .
Als Gründungsmitglied des Wiener Deutschen Schulvereins lernte Adam Müller-Guttenbrunn vermutlich im Sommer 1884 Edmund Steinacker kennen , der im Juli 1884 im Wiener Deut schen Schulverein mit dessen Präsidenten Weitlof die prekäre Lage der Ungarndeutschen erörterte .
Es kann angenommen werden , dass bei diesem Gespräch auch Adam Müller-Guttenbrunn anwesend gewesen , der damals als Heraus geber des Schulvereinskalenders fungiert hatte .
Steinacker besuchte 1896 Adam Müller-Guttenbrunn , damals Direktor des Raimund-Theaters und ermutigte diesen zur He r - ausgabe der Aufsatzreihe „ Deutsche Kulturblätter aus Ungarn ”, die dann auch im selben Jahr in Leipzig erschienen sind .
Ab der Jahrhundertwende ( 19 / 20 . Jhd ) vertieften sich die Be - ziehungen Adam Müller-Guttenbrunns zu seiner Heimat – er wur - de Mitbegründer des „ Deutschen Tagblatts für Ungarn ” und gilt als Unterstützung des Blattes sowie an der der Nachfolgezeitung „ Deutschungarischer Volksfreund ”, veröffentlichte darin einige Bei träge und kann gemeinsam mit Edmund Steinacker als „ geistiger Vater ” der Ungarländischen Deutschen Volkspartei ( UDV ) betrachtet werden .
Am 10 . März und 7 . August 1906 machte Adam Müller-Gutten - brunn in zwei Feuilletons die Leser auf die Lage der Banater Schwaben aufmerksam , zeigte deren schwierige Vergangenheit und die Bedrohung der Volksgruppe in der Gegenwart auf .
Aus seiner Wiener Entfernung und der liebevollen Einstellung des Dichters betrachtete dieser zunächst das schwäbische Bauern - tum seiner ungarischen Heimat aus dessen ursprünglichen durch Tradition lebenskräftigen , geordneten und geistig aufgeschlossenen Haltung heraus .
Der in Schwierigkeiten gelangte Wiener Akademische Verlag
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