Gibt’s für die Verheißung denn einen Beleg?
Die Höfe, das Land, die günstigen Steuern,
die fruchtbaren Böden, die sie uns beteuern?
Die zurückgeblieben, wollen es nicht verwinden,
Und zweifeln, ob wir je wieder Heimat uns finden.
Doch freut sich die Sippschaft auch insgeheim,
Mit uns braucht sie nun nichts mehr zu teil’n.
Los Gefährten, beeilt euch geschwind,
Für’s alte Heim eine neue Heimat gewinnt!
Wenn wir unter Qualen durch dichten Wald
Die blaue Donau erreichen bald,
Überlassen wir unsere geschundenen Seelen
Dem dürftigen Schutz der löchrigen Zillen.
Seh’n die Häuser von Ulm in der Ferne verschwimmen,
Und heiße Tränen im Wasser des Flusses zerrinnen.
Tagen voller Gefahr müssen wir uns nun stellen,
Viele lassen ihr Leben in den schäumenden Wellen.
Los Gefährten, beeilt euch geschwind,
Für’s alte Heim eine neue Heimat gewinnt!
Die wir das Ende des Weges am Wasser erleben,
Fassen Mut, unserem Ziel zuzustreben.
In Wagen umsteigen und Pferde wir schirren,
Doch müssen wir auf uns gestellt herumirren.
Wo der Weg ist und wie lang, keiner kann’s sagen,
Niemand hat Antwort auf unsere Fragen.
Die Räder dreh’n sich schwer, haben nichts, sie zu schmieren,
Sie schrei’n, als würden auch sie ihre Heimat verlieren.
Los Gefährten, beeilt euch geschwind,
Für’s alte Heim eine neue Heimat gewinnt!
Das Rollen des Wagens gnadenlos rüttelt,
Hätt’ die Seele fast aus dem Leib uns geschüttelt,
Bis wir in wildem Ödland landen,
Fest von Bergen umstanden.
Ruinen, Unkraut und Wildnis rundherum,
Verlass’ner Boden, klägliches Land, warum?
Ist das die Verheißung, der Garten Eden?
So hört man die Verzweifelten reden.
Los Gefährten, beeilt euch geschwind,
Für’s alte Heim eine neue Heimat gewinnt!
Als unsere Blicke über die Landschaft schweifen,
Fällt der Schleier von den Augen, und wir begreifen.
Dies ist kein Paradies, nur Tränen, Blut und Schweiß,
Und wir wissen nun endlich, was Gott schon lange weiß.
Die neue Heimat wird uns nicht billig gegeben:
Wir müssen sterben, um weiter zu leben.
Für die Nachkommen zu bauen ist unser Los,
Gottes Saat wird erst durch uns’re Arbeit groß.
Los Gefährten, beeilt euch geschwind,
Für’s alte Heim eine neue Heimat gewinnt!
Werischwar, den 9. April 2015
Attila Fogarasy
(Aus dem Ungarischen von Maria Mirk, lektoriert von Katalin Pomikacsek)
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SONNTAGSBLATT
Das
in jedes ungarndeutsche Haus!
Ein Ziel trotz Unterschiede
Junghistoriker Gábor Gonda aus Großnaarad beschäftigt
sich in seinem neuen Buch* mit den Migrationsbewegungen
in den 1940er Jahren
Von Richard Guth
„Das Buch widmet sich dem Schicksal der Bevölkerung von vier
Gemeinden, Großnaarad in der Branau, Bonnhard in der Tolnau,
Wolfs in Westungarn und der „treuesten Stadt”, Ödenburg, zwi-
schen 1944 und 1948. Der Reihe nach untersucht die Monografie
die schicksalsträchtigen Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg in den
betroffenen Ortschaften, als die Bodenreform und diverse Sied -
lungsaktionen das Leben der Bewohner von Grund auf durch-
wühlten. Der Autor stellt die jeweiligen Formen der Zwangs mig -
rationen, die so typisch für diese Epoche waren: die Evakuierung,
die Flucht, die Verschleppung, die Internierungen, die Ansiedlung
der Bukowinasekler, die inneren Bevölkerungsbewegungen im
Rahmen der Bodenreform, die Vertreibung der deutschen Be -
völkerung, die Ansiedlungen der Slowakeimadjaren. Die histori-
schen Ereignisse eröffnen sich in ihrer speziellen Komplexität,
indem auch individuelle Schicksale in Erinnerung gerufen werden,
zusammen mit ihren Auswirkungen auf das Alltagsleben. Die dif-
ferenzierte Darstellung der Beziehungen zwischen der Mehrheits-
und Minderheitsbevölkerung relativiert fest verankerte Schemen
und bis heute lebendige Stereotypen, wodurch man veranlasst
wird, über unsere Geschichte im 20. Jahrhundert nachzudenken”,
so der Umschlagtext des Verlags.
Und in der Tat gelingt es Gábor Gonda, anhand ausgewählter
Ortschaften, auf regionale Unterschiede dieser Siedlungsaktionen
– denn es war nicht lediglich eine „Schwabenvertreibung”, son-
dern gleichzeitig eine An- und Umsiedlungsaktion wirtschaftli-
chen, sozialen und politischen Charakters – hinzuweisen. Nach
einem kurzen Überblick über die Vorgeschichte der Vertreibung
und Ansiedlung stellt der Junghistoriker die ortspezifische
Situation in den genannten Gemeinden und den genauen
Prozessverlauf, wie auch im Verlagstext beschrieben, mit regiona-
len Besonderheiten vor. Dabei scheint die Entscheidung für zwei
westungarische und zwei südungarische Ortschaften bewusst
gewesen zu sein: Der völligen „Entdeutschung” Westungarns in
der Nähe zu Österreich stand die Vertreibung der Deutschen aus
der „Schwäbischen Türkei” entgegen, bei der nach Ansicht von
Gonda die Zwangsmigration der Slowakeimadjaren eine bedeu-
tende Rolle spielte. Zwangsmigration, auch wenn unter wesent-
lich günstigeren Umständen als bei den Ungarndeutschen.
Dennoch ein interessantes Detail hierzu: Die im späteren Verlauf
vertriebenen Großnaarader Deutschen durften beispielsweise
Mobiliar und Geräte mitnehmen, genauso wie die Slowakei mad -
jaren von Anfang an.
Die Ortschaften wiesen zwar ganz unterschiedliche Strukturen
wirtschaftlicher, politischer und gesellschaftlicher Natur auf, den-
noch bedeutete die Vertreibung des Großteils der deutschen Be -
völkerung (bei Unterschieden in der Größenordnung und des
Anteils der Vertriebenen an der deutschen Gesamtbevölkerung)
in mehreren Etappen einen herben Rückschlag für die Wirtschaft:
Hier ist die Beschreibung der Zustände in Wolfs am Neusiedler
See mit seiner berühmten Weinkultur besonders eindrucksvoll,
denn die oft mittellose „telepesek” verstanden vom Weinbau nicht
viel. Die wirtschaftlichen Motive der Vertreibung waren nach
Gonda bei all den politischen Zielen der kollektiven Bestrafung
ausschlaggebend: Madjaren sollen in den Besitz deutschen Eigen -
tums kommen. Dies zeigte sich deutlich, insbesondere in den bei-
den untersuchten Dörfern, als die von Deutschen besetzten loka-
(Fortsetzung auf Seite26)
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