Sonntagsblatt 3/2015 | Page 15

Jahrzehnten davor. Eines der schrecklichsten vorangegangenen Massaker geschah 1909 in der südtürkischen Provinz Adana. Etwa 17 000 Armenier wurden dabei von Türken ermordet. Zu dieser Zeit hielten sich in der Provinz viele Deutsche auf, die dort die sogenannte „Bagdadbahn” bauten. Die deutschen Eisenbahn- Ingenieure und -Arbeiter gerieten teils direkt in die Hetzjagden auf Armenier und schwebten selbst in Lebensgefahr. Der Inge - nieur Emil Heubusch tat sich nach neuesten Forschungen in dem Gemetzel durch eine besondere menschliche Großtat hervor. Er rettete etwa 100 armenische Verfolgte, indem er sie in sein Haus aufnahm, das er und ein paar Kollegen mit Waffen verteidigten. Bei dieser Aktion setzte der Deutsche sein eigenes Leben für andere aufs Spiel – ähnlich wie Oskar Schindler für Juden in Polen oder John Rabe für Chinesen bei der japanischen Invasion Nan - jings. Während die Hilfsleistung Heubuschs von 1909 in Ver ges - senheit geraten ist, wurde zumindest einem anderen Deutschen, der sich fast ein Leben lang für Armenier und Armenien einsetz- te, kürzlich in Potsdam eine Gedenk- und Forschungsstätte gewid- met. Es ist der Orientalist und Theologe Johannes Lepsius (1858– 1926), der schon früh von der Armenier-Verfolgung erfuhr und daraufhin 1896/97 das „Armenische Hilfswerk” gründete. Er half durch Spendensammlungen, die Errichtung von Flüchtlingslagern und durch die Veröffentlichung zahlreicher Publikationen über das Schicksal der getöteten oder vertriebenen Christen im dama- ligen Osmanischen Reich. 2011 wurde zu seinen Ehren in Pots - dam das Lepsiushaus eingeweiht. Die türkische Regierung, die den Völkermord an den Armeniern bis heute leugnet, versuchte die Einweihung der Gedenkstätte zu behindern. Weitere Informationen: www.lepsiushaus-potsdam.de O Die Begriffe „Pegida” und „Lügenpresse” verbreiten sich in Europa Wie die „Welt” berichtete, wird das deutsche Akronym „Pegida” auch bei Demonstrationen gegen die Islamisierung Europas außerhalb Deutschlands verwendet. Anhänger dieser Bewegung nutzten den Begriff in Belgien, in den Niederlanden und in Skan - dinavien. Auch das Unwort des Jahres 2014 „Lügenpresse” ver- breitete sich auf diesem Weg: „180 Jahre nach seiner Entstehung überschreitet das Wort ‚Lügenpresse’ die Grenzen des deutschen Sprachraums und könnte zum globalen Propagandaschlagwort werden.” In den Niederlanden und Belgien werden Lehnformen des Begriffs verwendet: „leugenpers” oder „leugenmedia”. Die Ge schichte und Verwendung des Wortes „Lügenpresse” erklärt die „Welt” ausführlich auf dieser Seite: www.welt.de O Es gibt sie noch: Jiddischsprachige Zeitungen und Zeitschriften in aller Welt von Björn Akstinat Berlin/New York (IMH-Deutschland.de) – Jiddisch lebt! In der Komischen Oper Berlin wird momentan eine jiddischsprachige Operette vorbereitet, die Schauspieler der New Yorker Folks - biene/Volksbühne feiern in diesem Jahr den 100. Geburtstag ihres jiddischen Theaters und eine junge kanadische Regisseurin hat kürzlich einen Kinofilm komplett auf Jiddisch abgedreht. Ein weiteres Zeichen der lebendigen Kultur sind auch die welt- weit über fünfzig Druckmedien in jiddischer Sprache. Sie wenden sich an die bis zu zwei Millionen Menschen, die dieses früher meist einfach „Judendeutsch” genannte Idiom noch beherrschen bzw. im Alltag sprechen. Ihren Anfang nahm die jiddischsprachige Presse im 17. Jahrhundert. Nachdem man 1605 in Straßburg die erste Zeitung der Welt gedruckt hatte, die deutschsprachige „Re - la tion”, verspürten auch immer mehr Juden in Mittel- und Ost - europa den Wunsch nach einem Medium in der eigenen Mut - tersprache. So kam es, dass um 1686 in Amsterdam die „Diens - tagische und Freitagische Kuranten” gegründet wurden. Sie waren die ersten zeitungsähnlichen Publikationen in Jiddisch. Herausgegeben und gedruckt wurden sie von Uri Faybesch Hale - vi. Halevi zählte nicht nur zu den führenden jüdischen Druckern und Verlegern Amsterdams, sondern ganz Europas. Amsterdam war zur damaligen Zeit das Zentrum des hebräischen und jiddi- schen Buchdrucks. Die „Kuranten” erschienen nur ein paar Monate lang. Bis die nächsten Zeitungen in der „Mameloschn” der Ju