Sonntagsblatt 2/2018 | Page 3

kennen und bekräftigen zu lassen. Die sächsische Bevölkerung, die in anderen Gebieten Ungarns lebte, strebte danach, dass der König die in dem großen Freiheitsbrief festgeschriebenen Rech- te auch auf sie erweitere. So wurde das Andreanum von beinahe jedem ungarischen König erneuert, so z.B. 1317 von Karl Robert (1308-1342). Ludwig d. Große (I.) (1342-1382) erweiterte 1366 die im Andreanum festgeschriebenen Freiheiten auf das Nösner- land (Komitat Bistritz-Naßod), König Sigismund (1387-1437) tat 1422 dasselbe in Bezug auf das Burzenland. Am 24. November 1271 verlieh König Stephan V. aus der Dy- nastie der Árpáden (1270-1272) der sächsischen Bevölkerung in Oberungarn, in der Zips, einen großen Freiheitsbrief. Dieser Freiheitsbrief sicherte gleiche Rechte wie das Andreanum. Die sächsische (deutsche) Bevölkerung strebte somit nach allge- meingültigen Privilegien. Die erlassenen Freiheitsbriefe sicherten die folgenden Rechte und Verpflichtungen: 1. die Unabhängigkeit von den Komitatsbehörden, 2. die unmittelbare Verbindung zur königlichen Macht, 3. weitgehend unabhängige Gerichtsbarkeit und Verwaltung, 4. die freie Wahl der Beamten der unteren Stufe aus den eigenen Reihen, 5. die Wahl der Geistlichen, 6. in der Heeresorganisation: Aufstellung getrennter Truppen, 7. dem König Obdach gewähren, 8. spezifisch geregelte Steuerleistungen und Abgabeverpflich- tungen. Innerhalb des Deutschtums im Karpatenbecken bildete sich keine eigene Adelsschicht heraus, denn dies wurde durch die mitgebrachten Gewohnheitsrechte und durch die königliche Re- gelung verhindert - die königlichen Beamten der unteren Stufe wurden zu frei gewählten Beamten: z.B. der Siebenbürger Sach- sengraf, zu dessen Ernennung auch die königliche Zustimmung gebraucht wurde. Ähnliche Aufgaben hatten auch die sächsi- schen Schultheißen (soltészek), die vom 12. Jahrhundert an die Ansiedlung der bis dahin unbewohnten Gebiete von Oberungarn leiteten, danach wurden sie zum Richter der Siedlergemeinden. Auch die ungarische Benennung „soltész” stammt vom deut- schen Wort Schultheiß. Zahlreiche frühere hospes-Siedlungen erhielten von den Königen, von den kirchlichen oder weltlichen Großgrundbesitzern das „deutsche” (bzw. „sächsische”) Stadt- recht. Im Laufe des 14. Jahrhunderts erlebten die Städte eine gewal- tige wirtschaftliche Entwicklung. Diese Entwicklung betraf in erster Linie die sächsischen Städte von Siebenbürgen. Neben Syrmien in Südungarn zählten die Siebenbürger Sachsenstüh- le zu dieser Zeit zu den höchstentwickelten Gebieten Ungarns. Dies wird durch die zahlenmäßige Zunahme der Zünfte bewie- sen. 1376 gab es in vier sächsischen Städten Hermannstadt/ Nagyszeben,Schässburg/Segesvár, Mühlbach/Szászsebes und Broos/Szászváros schon 19 Zünfte. Diese Entwicklung wird auch dadurch widergespiegelt, dass König Sigismund 1402 Bartfeld/ Bártfa, Leutschau/Lőcse, Tyrnau/Nagyszombat, Preßburg/Poz- sony und Ödenburg/Sopron mit dem Stapelrecht ausstattete und ihren Bürgern das Recht des Freihandels auf dem Gesamtgebiet Ungarns gewährte. Auf die ununterbrochene Entwicklung der Städte weist hin, dass König Sigismund im Jahre 1405 mit einem besonderen Gesetz die Rechte der Städte regelte; in demselben Jahr wurde auch das deutschsprachige Gesetzbuch der Stadt Ofen/Buda kompiliert. Das Ofener Gesetzbuch, das keine ein- heitliche Konzipierung hatte und in mehreren Phasen entstand, fasste die Elemente der Rechte der westlichen Städte, vor allem die Elemente des Magdeburger Rechtes, die Privilegien, die Sat- zungen, die Zunftordnungen und zum Teil das Gewohnheitsrecht der Stadt Ofen/Buda in ein System zusammen. Dieses Gesetz- buch wurde dann zu einem landesweit befolgten Modell. Neben den Städten nahmen auch die Marktflecken eine schwungvolle Entwicklung. sonntagsblatt Dank ihrer Entwicklung bauten die Städte neben der wirtschaft- lichen Führungsposition auch ihre politische Macht aus und ab 1430 konnten sie auch an den Versammlungen der Stände, an den späteren Ständetagen teilnehmen. Daher können auch die Siegel der Städte Pressburg/Pozsony und Ö denburg/Sopron auf der Urkunde des Ständetages aus dem Jahre 1438 gefunden werden. Dieser Ständetag wählte Albrecht von Habsburg zum Nachfolger von König Sigismund. In der Entwicklung der ungarländischen Städte bedeuteten die Angriffe der Türken, die am Ende des 14. Jahrhunderts began- nen und vom 15. Jahrhundert an immer häufiger wurden, einen Bruch. Die Streifzüge der Türken bedrohten vor allem Südun- garn und Siebenbürgen, und so fielen die sächsischen Städte in Siebenbürgen den Verwüstungen der Türken zum Opfer. All dies veranlasste die Siebenbürger Sachsen zur Organisation ihrer Selbstverteidigung und zu einem in Europa einzigartigen Unternehmen, nämlich dazu, Kirchen mit einer guten strategi- schen Lage zu Wehrkirchen und zu Festungen auszubauen. Das Resultat dieser Tätigkeit war ein Festungsgürtel, der am Ende des 15. Jahrhunderts mehr als 300 Wehrkirchen einschloss. Von diesen Festungen erhielten sich bis heute immerhin noch 150. Die Städte und damit auch die Sachsen stießen in der Person des Königs Matthias auf einen Befürworter mit großer Macht. Als Ergebnis der Politik des Königs Matthias wurde die zweihundert Jahre alte Bestrebung des Siebenbürger Deutschtums im Jahre 1486 erfüllt: Der König erweiterte die im Andreanum festgelegten Privilegien generell auf die sächsische Bevölkerung Siebenbür- gens. So verwirklichte sich endlich die siebenbürgische sächsi- sche Nation, die sächsische Universität (Universitas Saxonum Transsylvaniae). Die im 16. Jahrhundert einsetzende Reforma- tion veränderte grundsätzlich die religiöse und demzufolge auch die politische Einstellung der Bevölkerung in den Städten. Im 16. und im 17. Jahrhundert verbreitete sich das evangelische Be- kenntnis unter den Deutschen und nahm ein solches Ausmaß an, dass diese Richtung des Protestantismus im Ungarn der Re- formation auch „deutsches Bekenntnis” genannt wurde. Mit der rapiden Verbreitung des Protestantismus wurde die reformierte Konfession unter der ungarischen Bevölkerung das stärkste Be- kenntnis und wurde als „ungarischer Glaube” bezeichnet. Die Herrschaft der Türken, die große Teile Ungarns besetzten, und die mit dieser Herrschaft eng verbundenen Heimsuchungen bedeuteten für die Menschen dieses Zeitalters neben der kon- fessionellen Spaltung die größte Belastung. In Europa war die Richtung der türkischen Eroberung Ungarn, und außer Ungarn das Heilige Römische Reich Deutscher Nation. Die Streitkräfte des mittelalterlichen ungarischen Staates erlitten am 29. August 1526 in der Schlacht bei Mohatsch/Mohács eine vernichtende Niederlage. Dem in der Schlacht gefallenen ungarischen König Ludwig II. Jagello folgten zwei Monarchen, Johann von Zápo- lya (1526-1540) und Ferdinand von Habsburg I. (1526-1564) auf den Thron; durch dieses Ereignis verband sich das Schicksal Ungarns für mehrere Jahrhunderte mit dem Habsburger-Reich. Das geteilte Land fiel durch die Eroberung von Ofen/Buda am 29. August 1541 der Macht der Türken als reife Frucht in den Schoß. Dies bedeutete die Spaltung des Landes in drei Teile. Das königliche Ungarn war von der Dynastie der Habsburger beherrscht, der innere Teil des Landes war von den Türken be- setzt, die östlichen Regionen, das siebenbürgische Fürstentum, das die Türken als Lehen hatten, wurde von ungarischen Fürsten regiert. Dieser gegebene politische Rahmen bestimmte für 150 Jahre die politische, wirtschaftliche, kulturelle und gesellschaft- liche Entwicklung des Karpatenbeckens. In dem ab 1541 dreigeteilten Land war man sogleich darum bemüht, dass die von den Türken nicht besetzten Teile - West- ungarn und Siebenbürgen - weiterhin eine organische Einheit bil- den sollten. Die Siebenbürger Sachsen traten dafür ein, Sieben- bürgen mit dem königlichen Ungarn, also mit den Habsburgern, zu verbinden. (Fortsetzung auf Seite 4) 3