Sonntagsblatt 2/2018 | Page 22

Im Gespräch mit der „ Auslandsdeutschen des Jahres “, Viktória Nagy
„ Es ist nicht der Pass , der uns definiert “ das Ganze als einen „ Ehrenpreis “ bezeichnen . Was wir spüren , seitdem ich „ Auslandsdeutsches des Jahres “ geworden bin , ist , dass der Wettbewerb und der Titel das Interesse der Leute geweckt hat und viele auf die Ungarndeutschen aufmerksam geworden sind – sowohl in Ungarn als auch im Ausland . Das war auch das Ziel und die Absicht der IMH . Als Verpflichtung kann ich die Medienkampagne der IMH erwähnen , die Anfang dieses Jahres starten soll .
Was halten Sie davon , dass sich der Wettbewerb bevorzugt an junge Frauen gerichtet hat ?
Viktóra Nagy
In diesem Jahr kürte das Netzwerk der deutschsprachigen Auslandsmedien , IMH , erstmals eine „ Auslandsdeutsche des Jahres “. Gewinnerin der Abstimmung , für die sich Frauen aus der ganzen Welt beworben hatten , wurde die 22-jährige Ungarndeutsche , Viktória Nagy . Wir sprachen mit der jungen Frau , die derzeit ein Auslandsstudienjahr in München absolviert , über ihre deutschen Wurzeln , ihr Engagement innerhalb der ungarndeutschen Gemeinschaft und darüber , was sie sich für die nächsten Parlamentswahlen wünscht . Das Interview ist in der Budapester Zeitung erschienen . Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung von Chefredakteur Jan Mainka .
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Frau Nagy , wir gratulieren natürlich zunächst einmal zu Ihrer Wahl zur „ Auslandsdeutschen des Jahres “! Wie haben Sie von der Ausschreibung erfahren und wer oder was hat Sie bewogen , sich zu bewerben ?
Danke schön ! Von der Ausschreibung habe ich aus verschiedenen deutschsprachigen Medien wie zum Beispiel www . zentrum . hu oder der Hermannstädter Zeitung erfahren . Zuerst hat es mich ehrlich gesagt nicht bewegt , ich hatte den Aufruf aber auch meiner Mutter geschickt und plötzlich erhielt ich von ihr die Nachricht , dass sie mich nominieren möchte . Und da gab es keine Widerrede .
Was glauben Sie , warum hat Ihre Mutter gerade in Ihnen eine besonders geeignete Kandidatin gesehen ?
Für mich ist es , egal wo ich bin , wichtig zu betonen , dass ich ungarndeutscher Abstammung bin . Es hat mich zu der Person gemacht , die ich heute bin . Geeignet bin ich aber auch aufgrund meiner intensiven Kontakte zu den deutschen Minderheiten beziehungsweise Nationalitäten in der Region Mittel- und Osteuropa , wobei mir das YOU . PA-Programm ( Young Potentials Academy ) der Otto Benecke Stiftung e . V . sehr geholfen hat . YOU . PA bringt junge Menschen mit deutscher Abstammung aus verschiedenen Ländern der mittel-osteuropäischen Region zusammen . Durch dieses Programm konnte ich Freundschaften schließen , die jetzt schon zu Partnerschaften vertieft worden sind . Ganz wichtig finde ich aber auch den Kontakt zu Deutschland . Das Gefühl , dass wir zusammengehören und dass wir etwas auf dem Weg der Zusammenarbeit bewegen können , ist einfach einmalig .
Ist der Titel „ Auslandsdeutsche des Jahres “ mit einem Preisgeld oder sonstigen Leistungen verbunden ? Oder bringt er Ihnen am Ende nur Verpflichtungen ?
Einen konkreten Preis habe ich damit nicht gewonnen . Ich würde
Zuerst war das auch für mich ein bisschen seltsam . Warum sollten nur junge Frauen teilnehmen dürfen ? Aber dann habe ich einen Artikel , wenn ich mich nicht irre , aus Australien gelesen , wo dieser Wettbewerb als eine Art Schönheitswettbewerb vorgestellt wurde , bei dem aber nicht die körperliche Schönheit im Fokus steht , sondern das Engagement und die Tätigkeiten der jungen Teilnehmerinnen . Damit bin ich völlig einverstanden . Wichtig ist , denke ich , dass die Leute erfahren , dass auch Jugendliche , vor allem auch junge Frauen , Welten zusammenbringen können und auch sie ihre Daseinsberechtigung in Kultur und Politik haben .
Was wissen Sie über Ihre Vorfahren ? Spielt die ungarndeutsche Herkunft in Ihrer Familie auch heute noch eine Rolle ?
Wir wissen leider nicht viel darüber , woher unsere Vorfahren stammen . Die Dokumente wurden im Krieg durch einen Bombentreffer im Staatsarchiv vernichtet . Mein Heimatort Neudörfl ( ung .: Újbarok ) ist eine Zweitsiedlung . Die Kolonisten kamen aus anderen ungarischen Ortschaften hierher , aus Obergalla ( ung .: Felsőgalla ) und aus Werischwar ( ung .: Pilisvörösvár ), also nicht direkt aus Deutschland .
Unsere ungarndeutsche Abstammung spielt natürlich auch heute noch eine wichtige Rolle in der Familie . Viele aus unserer Verwandtschaft wurden nach dem Zweiten Weltkrieg nach Deutschland vertrieben , trotzdem haben wir den Kontakt weiter gepflegt . Auch bei meiner Ausbildung und Schulwahl spielte unsere Abstammung eine wichtige Rolle . Schon zu Hause haben ich und mein Bruder durch unsere Mutter Deutsch gelernt und dann habe ich natürlich einen Nationalitätenkindergarten sowie die Nationalitätengrundschule besucht , leider kein solches Gymnasium . Aber bei der Wahl meines Studienfaches an der Universität stand es außer Frage , dass ich mich für Deutsch als Minderheitensprache auf Lehramt entscheiden würde .
Das Bestreben , unser kulturelles Erbe weiterzuführen , sah und sehe ich täglich in unserer Familie . Mein Opa , Antal Pats , war bei der Gründung der ungarndeutschen Selbstverwaltung in der Gemeinde dabei , meine Mutter hat dann später seine Arbeit weitergeführt . So nahm ich schon als Kind an allen möglichen Veranstaltungen der deutschen Nationalität teil . Jetzt arbeite ich auch persönlich als Abgeordnete für die Ungarndeutschen .
Sie sind in Ungarn aufgewachsen , sind von der Kultur in Ungarn geprägt , Sie haben sicher einen ungarischen Pass , warum ist es Ihnen da dennoch wichtig , Ihre deutschen Wurzeln zu pflegen ?
Genau , ich bin in Ungarn aufgewachsen , aber die deutsche und ungarndeutsche Kultur waren immer Teil meines Lebens . Für mich sind beide untrennbar . Ich bin halt ungarndeutsch und keine Deutsche in Ungarn oder irgendetwas anderes . Es ist gar nicht der Pass , der uns definiert , wichtiger ist , wozu wir uns zugehörig fühlen . Ich habe 21 Jahre in Ungarn gelebt , die beiden Kulturen , beide Sprachen gepflegt und habe mich dabei völlig zuhause gefühlt . Aber als ich wegen meines Erasmus-Stipendiums nach München zog , fühlte ich mich auch da heimisch . Ich habe in den Menschen dort viele Eigenschaften wiedergefunden , die auch die Ungarndeutschen charakterisieren . Wir sprechen dieselbe Sprache , ich verstehe sogar ihren Dialekt , kenne die meisten ihrer Lieder und so weiter . Trotzdem ist es für mich wichtig , mir
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