Sonntagsblatt 2/2017 | Page 9

von waren 1751 deutscher Muttersprache und 3039 Personen be - kannten sich zur deutschen Nationalität. Zehn Jahre danach, also bei der Volkszählung in 2011 ist die Einwohnerzahl auf 146 059 gesunken, dagegen aber gab es schon 6565 Bekenntnisdeutsche! Jahrelang war die deutsche Messe in Fünfkirchen – die auch im Rundfunk übertragen wurde – stets gut besucht. Allgemein – lan- desweit – betrachtet ist die Nachfrage, der Bedarf für den deut- schen Gottesdienst im Wachsen begriffen und die deutschen bzw. deutsch-ungarischen Messen sind allerorts gut besucht. Was ist also in Fünfkirchen geschehen oder eben nicht gesche- hen? Fehlt es an Organisatoren? Ist das Ableben von Pfarrer Ga - lambos-Göller und Josef Baling schuld an dieser (man könnte sagen) Tragödie? Aber die Deutsche Selbstverwaltung gibt es doch immer noch! Und es gibt mehrere ungarndeutsche Institutionen in der Stadt mit Angestellten und Mitarbeitern. Nennenswert dürf te auch die Zahl deutscher Schüler/Studenten sein. Ja, gehen diese Menschen nicht in die Kirche? Oder sie gehen doch, nur eben nicht zu deutschen Messen. Warum? Ist das Niveau der kirchlichen Veranstaltungen nicht entsprechend? Leider bekommen wir auf die hier gestellten Fragen im Bericht der Neuen Zeitung keine Erklärung. Sollte es nicht auch Aufgabe der Landesselbstverwaltung sein, derartigen Problemen nachzu- gehen und versuchen Abhilfe zu schaffen? Dass die Pfarrer fehlen – wie NZ andeutet, ist ein Problem von einem Jahrhundert. Die katholische Kirche Ungarns übt seit Ende des Ersten Weltkrieges keine deutsche Pfarrerausbildung. Wohl haben einst (zwischen den Kriegen) noch viele Ungarndeutsche die geistliche Laufbahn zum Lebensziel gewählt, d.h. es gab damals noch viele deutschstämmige/„schwäbische” Geistliche und Or - dens schwestern, deren Großteil aber leider als Opfer der wüten- den Madjarisierung keine Deutschen mehr sein wollten. Den - noch, sie beherrschten einigermaßen (gut oder weniger gut) die deutsche Sprache und in den Schwabendörfern war damals der Gottesdienst (wohl eingeschränkt) und die Anwendung der Sak - ra mente noch in der Muttersprache möglich und auch üblich. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Deutsch sozusagen vollkom- men aus der Kirche verdrängt und nur allmählich kamen wieder deutsche Kirchenlieder, dann auch Gottesdienste und in ganz sel- tenen Fällen deutsche Predigten zurück ins Gotteshaus. Aber Geistliche werden in deuscher Sprache nicht ausgebildet und wenn die Volksgruppe, bzw. deren Vertreter dies nicht ernsthaft fordern (was leider nicht geschieht), wird sich die Lage diesbezüg- lich auch nicht ändern. Auch dieser Umstand trägt dazu bei, dass unsere Landsleute der Kirche abtrünnig werden und auch man- cherorts den bloß „sogenannten” deutsche Gottesdienst meiden. Georg Krix O Neuanfang möglich? „Abschaffung” der deutschen Messe in Fünf kir chen lenkt Aufmerksamkeit auf die ungelöste Frage der deutschsprachigen Seelsorge in Ungarn Von Richard Guth Irgendwo in Ungarn: „Ich bin Pater Alex”, stellt sich der beschei- dene Geistliche den Gläubigen vor. Die deutsche Messe beginnt. Der Pater, der den Ortspfarrer vertritt, entschuldigt sich vielmals, die Predigt nicht in deutscher Sprache zu halten, und verspricht, beim nächsten Mal deutsch zu predigen (obwohl er die Sprache nicht wirklich spricht). Dem Missionar scheint die muttersprach- liche Seelsorge eine Selbstverständlichkeit zu sein. Und so bemüht er sich, als sprachlich durchaus talentierter Mensch, um richtige Aussprache und Betonung. Ortswechsel: Der Bischof zieht in die SONNTAGSBLATT Kirche ein. Die Zehn-Uhr-Messe, sonst in deutscher Sprache, fin- det diesmal auf Ungarisch statt. Nach der Messe begegne ich dem tschangomadjarischstämmigen Pfarrer in der Sakristei und frage ihn nach dem Warum. Es sei eine Entscheidung des Pfarrge mein - derates gewesen, so die Antwort des Geistlichen, dem das Ganze sehr unangenehm zu sein scheint. Des Pfarrgemeinderates, wohl- gemerkt, mehrheitlich bestehend aus Schwaben. Zeitsprung: Die kleine Kapelle ist bis auf den letzten Platz gefüllt. Es ist das letzte Mal für den ungarndeutschen Pfarrer, der in einen anderen Ort versetzt wird. Auch dort würden irgendwie Schwaben wohnen, sagt er später. Er gedenkt auf Deutsch seinen Vorfahren, die einst in dieser Kapelle von Woche zu Woche beteten, der Geistliche ist den Tränen nahe. Wieder mal Ortswechsel: Wieder eine deut- sche Messe, die deutsch anfängt, aber liturgisch zwischendurch ins Ungarische wechselt, um doch deutsch zu enden. Deutschspra chi - ge Predigt? Fehlanzeige. Der Pfarrer spricht die Sprache nicht, so sind die vorgelesenen Stellen auch nicht immer verständlich. Ein ungarndeutscher Gläubige Mitte 60 aus dem Nachbarort schüttelt den Kopf und ruft seine Kindheit mit deutscher Messe und ungarndeutschem Seelsorger in Erinnerung. Und zum letzten Mal ein Ortswechsel: Man sucht die deutsche Messe vergebens. Es gibt nur eine Heilige Messe am Sonntag, und die ist auf Ungarisch, obwohl der Großteil der Gl äubigen Ungarndeutsche sind. Dies zu ändern? Naja, es ist ja eh schon immer so gewesen, so die Antwort der Gemeindemitglieder. Fünf kleine Geschichten, allesamt aus dem Erfahrungsbereich der Zeichner dieser Zeilen, aus einem geografisch überschaubaren Raum. Fünf kleine Episoden aus dem Alltag ungarndeutscher Ge - meinden oder besser gesagt Kirchengemeinden mit ungarndeut- schen Mitgliedern, die von Vielfalt, aber auch von Schwie rigkeiten zeugen. Trotz dieser differenzierten Wahrnehmung der Situation traf mich die Nachricht von der „Abschaffung der deutschen Messe in Fünfkirchen” in der Neuen Zeitung dennoch, war diese doch eine Institution für mich. Die Gründe wären vielschichtig, so unter anderen hätten die Messe immer weniger Menschen be - sucht. Also, Faktor Demografie. Der zuständige Pfarrer würde laut Zeitungsbericht von Christine Arnold aber grundsätzlich nicht dagegen sein, gelegentlich deutsche Messen zu halten, insbesonde- re beim Besuch von deutschen Reisegruppen. Nicht nur deswegen könnte dieser Vorfall symbolischen Charakter haben, weil diese im Radio landesweit übertragen wurde. Es stellt sich nämlich die Frage: Wenn schon in Fünfkirchen nicht, dann wie ist es erst recht auf dem platten Land!? Auf Anfrage teilte der Kommunikationschef des Bistums, Dr. György Heidl, mit, dass ungefähr in zwanzig Pfarrgemeinden der Diözese Fünfkirchen regelmäßig deutsche Messen gelesen werden würden. Er räumte allerdings ein, dass diese Regelmäßigkeit von Messen in Zweiwochenrhytmus (sic!) bis Hochämter an hohen Feiertagen reichen würde. In viel mehr Gemeinden würde man in den meist Sonntagsmessen Raum für deutschsprachige Gebete, Fürbitten und Lieder bieten. Deutschsprachige Predigten, so Dr. Heidl, wären seltener, in der Regel situationsgebunden, meist bei Besuchen von deutschen Gruppen praktiziert. Dies, obwohl nach Angaben des Bistums gegenwärtig fünf–sechs Pfarrer Deutsch auf Muttersprachenniveau beherrschten. Nach eigenem Bekunden achtet das Bistum auf die muttersprachliche Seelsorge: Das Bischöfliche Ordinariat Fünfkirchen unterhält ein eigenes deut- sches Referat, mit Pfarrer Stefan Wigand als Referatsleiter. Dies wäre einzigartig in Ungarn. Das Referat würde die Ortspfarrer regelmäßig über Programme (Art und Frequenz) und hinsichtlich Wünsche der Gemeindemitglieder befragen. Aus den Antworten der Pfarrer würde hervorgehen, dass diesedieWünsche und Ansprüche des Kirchenvolksbezüglich deutschsprachiger Gottes - (Fortsetzung auf Seite 10) 9