Sonntagsblatt 2/2017 | Page 27

un ter großen Entbehrungen der Unbefleckten Jungfrau Maria ge - widmet hat? – fragte er sich. – Dem muss ich in allen Details nachgehen. – nahm er sich vor. Gesagt, getan. Schon am nächsten Morgen machte er sich an die Arbeit. 2. Vor seiner seelisch–psychischen Krankheit hatte Josef das typi- sche Leben eines Managers geführt: strenge Arbeit von früh bis spät, ständig unter Zeitdruck, wechselnde Liebschaften, keine feste Bindung, alles in allem: Stress. In seiner Kindheit und Jugend hatte er noch ein geregeltes Le - ben im alten Elternhaus in Budaörs, dem Vorort der ungarischen Hauptstadt Budapest, geführt. Seine Eltern hatten ihn nach den christlich-katholischen Wertevorstellungen seiner ungarndeut- schen Ahnen erzogen, die vor 300 Jahren als Kolonisten nach der Verwüstung durch die 150-jährige Türkenherrschaft ins schöne Ungarland gekommen waren. Josef war als Kind ein fleißiger Ministrant, ein Liebling des Pries ters, von dem er sehr viel lernte. Vor allem im theologischen Bereich, was ihn auch später veranlasste, sich ernste Gedanken zu machen, selbst Priester zu werden. Jedoch das Leben wollte es anders. Er studierte Wirtschaft und wurde Manager. Zum Glück für seine spätere Karriere fand am Ende seines Studiums die poli- tische Wende im Lande statt, sodass er schnell eine gut dotierte Stelle bei einem deutschen Großunternehmen fand. Beim Einstieg in die Firma schwamm er wie ein Goldfisch im Becken, übernahm wichtige Aufgaben, fuhr viel ins Ausland, er - zielte zahlreiche Erfolge und kletterte so die Karriereleiter hoch. Als Hauptabteilungsleiter für Export bereiste er die ganze Welt, lernte fremde Kulturen kennen, ließ sich von schönen Frauen ver- führen und sorgte gleichzeitig für einen guten Absatz der Pro - dukte seines Unternehmens. Er genoss das Leben eines Erfolgs - mannes in großen Zügen. So verlief sein Leben mehrere Jahre hindurch, bis sich die ersten negativen Zeichen seiner ausgiebigen Lebensführung zeigten: Alp träume im Schlaf verbunden mit schlaflosen Nächten, Herz - schlagen, Müdigkeit, Ängste. Nach dem Studium hatte er auch Familienpläne geschmiedet, aber seine damalige Freundin wollte noch nichts von Kindern wis- sen. Wie alle ihre Zeitgenossen wollte sie zuerst Karriere machen und reich werden. Das war der innigste Wunsch der Jugendlichen in den Jahren des wilden Kapitalismus nach der Wende in Ost - europa. Josef hatte nicht die seelische Kraft dazu, sich dieser neuen Lebensweise zu widersetzen, er schwamm mit diesem Strom mit. 3. Josef Wendler sitzt nun schon seit Tagen auf dem Dachboden des Familienhauses und stöbert in den Akten und Erinnerungen seines Ururgroßvaters herum nach der Suche des Geheimnisses des Eremiten. Wer war dieser sonderbare Eremit, der Franz Wend - ler vor fast 150 Jahren in seinen Bann gezogen hatte? Endlich wird er fündig: der Heilige Eremit Paulus aus Theben in Ägypten. „Unter den Verfolgern Decius und Valerian vernichtete der schreck liche Sturm zahlreiche Kirchengemeinden in Ägypten und der unteren Thebais. In dieser Zeit lebte in der unteren Thebais Paulus, ein junger Mann von ungefäh