Sonntagsblatt 2/2017 | Page 26

schichteten unbekannte Besucher in der Zeit der Perestroika zwei kleine Steinhügel auf . Eine deutsche Jugendgruppe brachte 1995 ein schlichtes Birkenkreuz an . In Flex ’ Heimatstadt Eisenach gibt es außerdem ein symbolisches Grab . Von der Errichtung dieser Gedenkstätte machte der ehemalige Freundeskreis Walter Flex die Schenkung des Nach - lasses des Dichters an die Stadt Eisenach abhängig . Der Bestand wird im Stadtarchiv aufbewahrt . Zahlreiche Werke verewigen den Namen WALTER FLEX . Ein vertontes Gedicht von Flex wird heute auch im Deutschen Bundesheer gesungen :
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WILDGÄNSE RAUSCHEN DURCH DIE NACHT
Wildgänse rauschen durch die Nacht Mit schrillem Schrei nach Norden – Unstäte Fahrt ! Habt acht , habt acht ! Die Welt ist voller Morden .
Fahrt durch die nachtdurchwogte Welt , Graureisige Geschwader ! Fahlhelle zuckt , und Schlachtruf gellt , Weit wallt und wogt der Hader .
Rausch ’ zu , fahr ’ zu , du graues Heer ! Rauscht zu , fahrt zu nach Norden ! Fahrt ihr nach Süden übers Meer – Was ist aus uns geworden !
Wir sind wie ihr ein graues Heer Und fahr ’ n in Kaisers Namen , Und fahr ’ n wir ohne Wiederkehr , Rauscht uns im Herbst ein Amen !
„ Was keiner wagt ”
Was keiner wagt , das sollt ihr wagen , Was keiner sagt , das sagt heraus , Was keiner denkt , sollt ihr befragen , Was keiner anfängt , das führt aus .
Wenn keiner ja sagt , sollt ihr ’ s sagen , Wenn keiner nein sagt , sagt doch nein , Wenn alle zweifeln , wagt zu glauben , Wenn alle mittun , steht allein .
Wo alle loben , habt Bedenken , Wo alle spotten , spottet nicht , Wo alle geizen , wagt zu schenken , Wo alles dunkel ist , macht Licht !
Walter Flex ( 1887 – 1917 )

Das SONNTAGSBLATT allen Landsleuten denen das Schicksal der ungarndeutschen Volksgruppe am Herzen liegt !

Auszug aus dem entstehenden Roman

DER EINSIEDLER VON BUDAÖRS

von Nelu Bradean Ebinger
0 . Dies ist die Lebensgeschichte von Franz Wendler , dem Ein - siedler von Budaörs ( dt . Wudersch ), einem ungarndeutschen Vor - ort von Budapest , und von seinem Ururenkel Josef Wendler .
Wir schreiben das Jahr 1854 , als Wendler im Mannesalter von 39 Jahren oben am Steinberg eine wundervolle Erscheinung erlebt : Ein Rosenstrauch geht vor ihm in Flammen auf , worin die heilige Bild der Muttergottes Maria erscheint . Am nächsten Tag wiederholt sich das gleiche Bild noch einmal . Am dritten Tag spricht die Muttergottes zu ihm :
– Baue mir hier oben am Berg eine Kapelle zum Beten für je - den Wanderer , der hier vorbeikommt !
Wendler zog sich nach diesem Ereignis von der Familie zurück , ging in sich , betete und grübelte : – Wie soll ich das allein schaffen ? Nach einigen Tagen und Nächten ohne Schlaf rief er seine Fa - mi lie zusammen , um ihnen seinen Entschluss mitzuteilen :
– Ich werde euch verlassen , um oben am Steinberg eine Kapelle für die Unbefleckte Jungfrau Maria aufzubauen . Dazu werde ich mir eine kleine Höhle in den Berg schlagen , um dort den Rest meines Lebens nach der Regel „ Ora et labora ” ( Bete und arbeite ) für unseren Glauben zu verbringen .
Gesagt , getan . Im Spätfrühling 1854 schnürte er seinen Ruck - sack mit Kleidern und Proviant , nahm die nötigen Werkzeuge zu sich und ging auf den Steinberg . Innerhalb von einer Woche war sein neues Zuhause fertig : eine winzige Höhle mit einer Pritsche zum Schlafen , einem kleinen Kreuz aus Holz und dem Bild der Muttergottes zum Beten . So begann er nun das Leben eines Ein - siedlers zu führen .
Nachts entwarf er Pläne für den Bau der Kapelle , seine neue Lebensaufgabe . Dazu brauchte er Material , Steine und Holz , das er in den Wäldern am Berg fand . Es wurde zu einer mühsamen Arbeit , zu einem Wettlauf mit der Zeit , denn der Winter nahte . Bis dahin wollte er wenigstens das Fundament und die Mauern der Kapelle fertig haben .
Er brauchte aber auch Nahrung zum Leben . Die fand er bis zum späten Herbst im Wald und am Berg : Beeren , Trauben und Früchte . Wöchentlich einmal schickte ihm seine Familie Milch und Brot . So konnte er all die Jahre , die noch vor ihm standen , überleben . Tags arbeitete er unermüdlich am Bau der Kirche zu Ehren der Muttergottes , nachts im Dunkeln meditierte und betete er in seiner kleinen Höhle zu Gott dem Allmächtigen , dem er von nun an sein restliches Leben widmete .
Diese Geschichte lebt bis heute in Budaörs weiter .
1 . Wir schreiben nun schon das Jahr 2002 , als Josef Wendler , der Ururenkel des Einsiedlers , ein Manager mittleren Alters , in einer schwierigen Lebensphase nach einem Burnout nach einem Aus - weg aus dieser prekären Lage suchte . Dabei stieß er auf dem Dachboden des alten Familienhauses der Wendlers auf die Schrif - ten und Habseligkeiten seines Urgroßvaters aus dem 19 . Jahr - hundert . Er machte sich sofort ans Lesen in den Schriften über Franz Wendler , den Einsiedler . Schon als kleines Kind hatte er in den Erzählungen seiner Großeltern von der Geschichte des Eremiten gehört , später aber alles vergessen .
– Wer war dieser außergewöhnliche Mensch , der sein Leben
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