Sonntagsblatt 2/2017 | Page 15

• Zeitgeschehen • Zeitgeschichte •
• Geschichte •
alles halten , aber sicher nicht für zukunftsweisend . Das künftige Rückgrat der ungarndeutschen Intelligenz ist die Studentenschaft , deswegen müssen sie von der jeweiligen ungarndeutschen Füh - rung unterstützt werden , sonst wird es keine Intelligenz geben , über die man sprechen kann . Ohne Intelligenz schreitet das Ungarndeutschtum auf dem Weg zum endgültigen Verschwinden weiter voran . Deswegen wäre es wichtig , dass der Mäzen der un - garn deutschen Studentenschaft endlich gefunden wird .

• Zeitgeschehen • Zeitgeschichte •

• Geschichte •

Jakob Bleyers Zeitung : das SONNTAGSBLATT

Die politische Konzeption Jakob Bleyers

Vor 100 Jahren stieg Jakob Bleyer in die Politik ein
Die bedeutendste Persönlichkeit der ungarndeutschen Ge schich te von 1917 bis zu seinem Tod 1933 war Jakob Bleyer . Am 25 . Januar 1874 in Tscheb , in der nach 1918 jugoslawischen Batschka , als Sohn bäuerlicher Eltern geboren , war ihm die bäuerliche Le - benswirklichkeit der ungarndeutschen Bauern zutiefst vertraut . Er besuchte nach der deutschsprachigen Volksschule seines Heimat - ortes die Gymnasien in Neusatz ( Újvidék , Novi Sad ) und ab 1886 das Jesuitengymnasium in der Bischofsstadt Ka lotschau ( Kalocsa ) in ungarischer Unterrichtssprache . Weltan schaulich war Bleyer katholisch – konservativ geprägt . Wofür er lebenslang offen blieb , war seine nicht nur vom Christlichen herkommende Liebe zu der dörflichen agrarkulturellen pannonisch – deutschen Lebenswelt und die sie verkörpernden Träger deutscher Muttersprache . Nach seinen Studien in Budapest , Freiburg und Leipzig war er zunächst Gymnasialprofessor , 1905 habilitierte er sich und wurde Privat - dozent für Germanistik und seit 1911 Professor der Germanistik an der Budapester Universität .
Nach seiner eigenen Aussage hatte er „ seit der Jahrhundertwen - de mit wachsender Sorgfalt alle Zeitungsberichte gesammelt ”, die das Ungarndeutschtum betrafen . Er war also über die ersten Ver - suche politischer Aktivität des Ungarndeutschtums in der Ungarländischen Deutschen Volkspartei und wohl auch in der Arbei - terbewegung im Bilde . Nach langem Beobachten trat er mit einem im März 1917 gleichzeitig in der Budapesti Szemle und in der im Deutschen Reich erscheinenden Deutschen Rundschau veröffentlichten programmatischen Artikel Das ungarländische Deutsch - tum in die aktive Politik eins . Er war ein „ Quereinsteiger ”, der ge - genüber den bisherigen politischen Regungen einen dritten Weg geben wollte . Er suchte einen Weg zwischen der nationalmagyarischen Forderung nach radikaler Vollmagyarisierung und des Wi - derstands gegen jede Assirnilierung , wie er gemäß Übereinkunft des „ Schwaben ” Edmund Steinacker und des „ Sachsen ” Rudolf Brandsch von der Ungarländischen Deutschen Volkspartei ( UDVP ) vertreten wurde .
Wir machen das Sonntagsblatt für Sie in ehrenamtlicher Arbeit . Aber Druckerei und Post wollen bezahlt werden . Dafür brauchen wir Ihre Spende ! Wir danken für Ihr Verständnis !
SONNTAGSBLATT
Vater des AUSGLEICHS
zwischen Österreich und Ungarn , 1867

FRANZ DEÁK = Deák Ferenc

Der Weise des Vaterlandes = A haza bölcse
Deák wurde am 17 . Oktober 1803 in Söj tör geboren und starb am 28 . Januar 1876 in Budapest .
Franz Deak , Lithographie von Josef Kriehuber , um 1830
Er war das sechste Kind von Ferenc Deák dem Älteren und Er - zsébet Sibrik , die bei der Geburt starb . Den damaligen Sitten entsprechend , wurde der Neugeborene noch am gleichen Tag in der Sankt-Jakob-Kirche in Söjtör getauft . Da der Vater den Anblick des Kindes nicht ertragen konnte , wurde der Junge bis 1808 von seinem Onkel , József Deák , in Zalatárnok erzogen .
Die Schule besuchte er in Keszthely ( 1811 – 12 ), Pápa ( 1812 – 13 Königliches Untergymnasium der Benediktiner ) und Nagykani - zsa ( 1813 – 17 Piaristengymnasium ).
Im Herbst 1817 immatrikulierte er sich an der Königlichen Aka - demie der Wissenschaften in Győr . 1817 – 1819 studierte er an der Philosophischen Fakultät , ein zweijähriges Jurapraktikum absolvierte er in Pest . Ende 1823 bekam Deák sein Juradiplom .
In seiner Freizeit las Ferenc Deák viel und studierte die ungarische Rechts- und Verfassungsgeschichte . In der Literatur bevorzugte er die Dichtung von Dániel Berzsenyi und Sándor Kisfaludy , aber am liebsten waren ihm die Werke von Mihály Vörösmarty , mit dem er sogar korrespondierte und zu dem er später auch persönlichen Kontakt und eine Freundschaft pflegte . 1839 wählte ihn die Ungarische Akademie der Wissenschaften zu ihrem Mitglied , 1855 wurde er deren Präsident .
Einstieg in die Politik Zwischen 1824 und 1832 bekleidete er das Amt des Honorar - staatsanwalts im Komitat Zala und war Schreiber des Waisen - ausschusses . 1833 löste er seinen Bruder , Antal Deák , als Gesand - ten in den Ungarischen Landtag in Pressburg ab , der ihn mit den folgenden Worten empfahl : „ Ich schicke Euch statt meiner einen jungen Mann , in dessen kleinem Finger mehr Wissen steckt als in mir insgesamt .” Im Landtag gehörte er zur Opposition .
Franz Deák , Franz war ung . Landtagsdeputirter und Justizmi - nister im ersten ungar . Ministerium 1848 . Auch war er Mitglied der Deputation , welche noch im J . 1848 an den Fürsten Windischgrätz wegen Friedensunterhandlungen geschickt , jedoch nicht an - ge nommen worden war . Durch eine lakonische Bemerkung entschied er in jenen unheilvollen Tagen eine folgenreiche Frage : In der Landtagssitzung vom 7 . Oct . 1848 war der Landtag aufgelöst worden , wollte aber nicht auseinandergehen . Es gestaltete sich eine der verwickeltsten staatsrechtlichen Fragen . Niemand wagte in dieser Situation die Initiative zu ergreifen . Da erhob sich Deák , berief sich auf den Paragraph 6 des IV . Gesetzartikels vom letzten Preßburger Reichstag , demgemäß der Reichstag vor Revision der Rechnungen für das vergangene und Beschluß über den Voran - schlag für das künftige Jahr nicht geschlossen werden könne . Die schwierige Frage war nun mit einem Schlage gelöst und auf gesetzlichen Boden gestellt .
Als Redner gehörte Deák in die Classe der Denker , er improvisirte nicht , er überdachte reiflich Alles , was er sprach , daher auch die unabweisbare Ueberzeugung , die sich seiner Hörer bemächtigte , wenn er gesprochen hatte . Nie beleidigte er durch Spott , wurde
( Fortsetzung auf Seite 16 )
15