Sonntagsblatt 2/2017 | Page 13

als Deutsche oder eben nur als Schwaben bezeichneten). Sogar noch nach Krieg und Vertreibung gab es noch einen „…Verband der Deutschen…in Ungarn”. Diese grundsätzliche Frage müsste eigentlich von der jetzigen „Landesselbstverwaltung der Ungarn - deut schen” behandelt und geklärt werden, weil doch nur auf eine klare Gegenwart auch eine klare Zukunft aufgebaut werden kann. Weil nur auf einem festen (klaren) Fundament anhand eines gut überdachten/verständlichen Planes mit einer festen (klaren) STRA TEGIE ein standhaftes Bauwerk (eine lebendige Volksgrup - pe) für die Zukunft entstehen kann! Deutsche Muttersprache ist die Losung seit vielen Jahrzehn - ten – wir besingen sie in unserer Volkshymne, wir reden und schreiben über Erhalt, Pflege, Wiedergewinnung dieser Mutter - spra che. Doch – leider – nur so oberflächlich. Denn wer nimmt das schon ernst? – wer macht sich Gedanken darüber? Es genügt ja, nur die amtliche Statistik anzuschauen. In dieser spricht man über Deutsche – aus verschiedenen Gesichtspunkten aufgezählt (Nationalität, Muttersprache, Sprachgebrauch) – und dann kommt man letztendlich zu der Feststellung, dass es in Un - garn heute – laut Volkszählung von 2011 – 186 000 Deutsche (also Menschen, die sich zum Deutschtum bekennen) gibt. Wie man zu dieser Zahl kommt, ist mir ein Rätsel. Wenn man nun genauer hinsieht, so sagt diese Statistik auch, dass sich 2011 zur deutschen Muttersprache nur 38 000 Einwohner Ungarns bekannt haben, darunter ca. 12 000 nicht ungarische Staatsbürger. Nicht vergessen, früher war die Muttersprache maßgebend für die Volkszuge hö - rigkeit! Heute hat aber jeder Bürger in Ungarn das Recht/die Mög - lichkeit sich zu drei, bzw. zu zwei Muttersprachen (und Volkszu - gehörigkeiten=Nationalitäten) zu bekennen, wodurch das End - ergebnis umso fragwürdiger wird. Man darf annehmen, dass all jene, die Deutsch als Muttersprache angaben, sich auch zur deut- schen Nationalität bekannten und sehr wahrscheinlich in der Fa - milie und unter Freunden auch deutsch reden. Sind diese Beken - ner in den statistischen 186 000 also dreifach eingebunden? Nicht dass ich gegen diese schöne Summe etwas hätte, im Gegenteil, in Wirklichkeit gibt es sogar noch viel mehr Deutsche in Ungarn. Nur mit dem Bekenntnis sehe ich Probleme. Auffallend ist dabei, dass heute doch wieder viele Jugendliche (deutscher Abstammung) gut deutsch sprechen und sogar auch erklären, die deutsche Sprache am meisten zu lieben… Dennoch ist ihre Muttersprache Ungarisch – weil sie ja als Kleinkind von der (deutschen) Mutter (als Folge der Einschüchterungen nach dem Krieg) ungarisch gelernt haben und ungarisch zu reden be - gan nen. Obiges lässt einem zur Feststellung kommen: Die Definition der Muttersprache müsste geändert, d.h. geklärt wer- den. „Flügel” und auch „Strategie” der Deutschen Landesselbstver - waltung Ungarns befassen sich nicht mit dieser Frage. Warum nicht? Dazu muss noch erwähnt werden: Es heißt, wir pflegen und fördern DAS ERBE unserer Vorfahren und man meint damit, wir singen und tanzen und musizieren wie einst die Ahnen (?). Ja, wenn es um (materielles) Erbe geht, dann scheut man keine Mühe, nach Möglichkeit das ehemalige Eigentum der Ahnen (Haus und Hof) zu ergattern, weil uns doch dieses Erbe (nun auch schon nach dem Gesetz) zusteht. Dabei vergisst man jedoch, dass auch die SPRACHE unser Erbe ist, die deutsche/schwäbische Sprache! Die Sprache, die nach dem Krieg beschimpft, verpönt, verboten war, weshalb sie verschwiegen/abgetan/vergessen wurde. Und was tut die ungarndeutsche Volksgruppe – mit der Deutschen Landes - selbstverwaltung an der Spitze – für dieses „vergessene” Erbe? Darüber kann man nur einen Trauerbericht abgeben. So sollen auch hier diesbezüglich einige MERKWÜRDIGKEITEN stehen: – Nehmen wir unsere Volkshymne. Sie wird oft und gerne ge - sungen. Es heißt darin: …deutsche Sprache, deutsche Art, die die Väter hochgehalten, haben treu wir uns bewahrt… Was denken SONNTAGSBLATT sich wohl unsere Landsleute beim Singen dieser Aussage? Ich muss annehmen, die Worte werden gar nicht verstanden – und man macht sich auch keine Gedanken darüber. Als Beispiel dazu nenne ich die Landesgala der Deutschen Landesselbstverwaltun - gen, die jedes Jahr veranstaltet und gut besucht wird. Zur Eröff - nung der Feier wird die Volkshymne gesungen. Schön, lautstark, gut verständlich – man hat das Gefühl, man befindet sich unter begeisterten deutschen Menschen. Doch wie reden diese begeis- terten Deutschen nachher, in der Pause und beim Heimgehen un - tereinander? Eine andere, eine fremde Sprache – nur Ungarisch! Ungewollt beschleicht einem die Frage: Wo bin ich? Wer sind diese Menschen? Das sollen Deutsche, oder eben Schwaben sein? Wa - rum reden sie dann nicht so, wie sie es vor 3 Stunden in der Volks - hymne gelobt haben? Eigentlich sollte es mir nicht auffallend sein: In der Pause sah ich unseren „Volksgruppenführer”, d.h. unseren Vorsitzenden der Deutschen Landesselbstverwaltung, Otto Hei - nek, im Kreise einer Schar von Männern, darunter auch mir be - kannte Schwabengesichter, Amtsträger der Volksgruppe, – sie un - ter hielten sich Ungarisch! Demnach haben also die Ungarndeutschen nicht nur eine unga- rische Muttersprache, sondern Ungarisch ist auch schon zu ihrer Umgangssprache geworden. Somit darf man sich also nicht wun- dern, wenn die Sitzungen unserer Selbstverwaltungen (abgesehen von einigen lobenswerten Ausnahmen) ungarisch verlaufen, wenn die amtliche Korrespondenz der Ungarndeutschen – überwiegend – auf Ungarisch geschieht. „Damit die Leute es auch verstehen” – bekommt man zur Er - klärung, wenn man Kritik übt und die Pflege der Muttersprache erwähnt. Denn in Gesetzen, Verordnungen wird wichtigtuerisch die Freiheit zum Gebrauch der Muttersprache de r Nationalitäten betont, in Programmreden, Satzungen wird stets der Gebrauch, die Pflege, die Rückgewinnung der Muttersprache als wichtigstes Ziel und erstrangige Aufgabe hingestellt. Doch die Praxis ist eine andere! Besehen wir uns die (ungarn)deutschen Kulturgruppen – Tanz gruppen, Gesangchöre, Musikkapellen – von näher an. Näm - lich, sie werden doch tatkräftig finanziell und auch moralisch un - terstützt als (Zukunfts)Träger ungarndeutscher Kultur. Auf Inhalt der Darbietungen möchte ich nicht näher eingehen, schließlich scheint und klingt ja alles (überwiegend) deutsch/schwäbisch, abgesehen von sich häufenden Fehltritten. Die Zusammensetzung der Mitgliedschaft würde mich auch nicht stören, denn es sollte doch schön und gut sein, wenn auch „Fremde”, also Madjaren oder Slowaken in der deutschen Gruppe mitmachen. Störend ist es aber, wenn die Fremden in der Überzahl sind, bzw. wenn diese nicht eben dem Deutschtum zuliebe mitmachen. Daraus folgt, dass den fremden Mitgliedern wegen (aus Höflichkeit?) in der Grup pe nicht deutsch gesprochen wird. Nicht deutsch wird auch schon dem „Leiter” der Tanz- oder Gesanggruppe wegen gespro- chen, weil dieser allgemein ein „Fremder” ist bzw. sogar auch ein gut deutschsprechender Leiter „unterrichtet” nur ungarisch, als wie wenn dies so obligatorisch wäre. Demnach könnte man sagen, die sog. deutschen Kulturgruppen sind wirklich nur „sogenannte deutsche”, weil sie sich ausschließlich der ungarischen Sprache be - dienen. Dazu kommt noch, dass auch die Tätigkeiten der deutschen Selbstverwaltungen, Institutionen, Organisationen viel zu wün- schen übrig lassen. Dienen diese wirklich der Aufrechterhaltung und Fortpflanzung des Ungarndeutschtums? Es gibt bestimmt gute, nützliche Ausnahmen, doch – leider – darf man sagen, dass die als Unterstützung vom Staat erhaltenen Gelder (mit deutschen Augen gesehen) oft nicht zweckentsprechend verwendet werden. Ich denke da an Gruppen-Ausflüge, Ball-Veranstaltungen, Sau - (Fortsetzung auf Seite 14) 13