Sonntagsblatt 2/2016 | Page 2

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( Fortsetzung von Titelseite )
Dr . Attila Pók , stellvertretender Vorsitzender des Historischen Instituts der Ungarischen Akademie der Wissenschaften , in seiner Vorstellungsanalyse . Der Übersetzung ins Ungarische nahm sich federführend der Dozent der Historischen Fakultät ( Univ . FK ), Dr . Zsolt Vitári mit einem vierköpfigen Team an . Alle Achtung und Dank für diese Mammutarbeit !
Die Geschichte der Deutschen in Ungarn vom Mittelalter bis zur Gegenwart musste von einem Ausländer geschrieben werden , resümierte Lorenz Kerner . Hätte es ein / e Ungarndeutsche / r geschrieben , wäre es von vornherein auf Skepsis , wenn nicht auf Ablehnung in der Mehrheitsgesellschaft gestoßen . Ob die Gnade seiner „ Ausländergeburt ” Gerhard Seewann von Verdächtigun - gen oder Anwürfen bewahren wird ? Wir wünschen es ihm . Jeden - falls kennen wir keinen ungarndeutschen Forscher , dessen historische „ Bereinigungsbemühungen ” in dem so lange ungeklärten mad jarisch – schwäbischen Verhältnis von der ungarischen Histo - rikerzunft Gnade gefunden hätten . Und der einzige magyarische Forscher , der bereits vor der politischen Wende in den 1980er Jahren die unantastbar geschützte Potsdamer Legende als unhaltbar entlarvte , erntete schroffe Ablehnung , seine Arbeiten wurden öfters boykottiert . Für den Titel Vom Volksbildungsverein zum Volksbund wurde die Druckgenehmigung zurück gezogen , das Buch musste in Deutschland , in deutscher Sprache erstveröffentlicht werden . Dieser ehrliche ungarische Anwalt der Ungarn - deutschen hieß Béla Bellér . Er war das sprichwörtliche Körnchen Salz , in dem von ungarischen Historikern angebotenen schwäbischen Vaterlandsverrätermenü zur Zeit der Ein-Parteiendoktrin . Bellér war der Ehrenretter der ungarischen Geschichtsschreibung in der „ Schwaben- und Vertreibungsfrage ” vor der Wende . Viel Mut und Standvermögen brauchte es damals dazu . Bellér wurde von der Politik , und von seinen Standesgenossen gezielt marginalisiert . In Ungarn blieb sein Name weitgehend unbekannt . Auch an dieser Veranstaltung im ungarndeutschen Lenau-Haus wurde er ( wohl versehentlich ) nicht erwähnt . Die Geschichte verdienter Geschichtsschreiber ist gelegentlich gnadenlos . Postum ehrte ihn die Suevia Pannonica e . V . Heidelberg mit ihrem Wissenschafts - preis , wie auch Gerhard Seewann für seine Geschichte der Un - garndeutschen .
Gerhard Seewann : A magyarországi németek története 2 . Bände . Argumentum Kiadó . 12 000 Ft . Erhältlich im Lenauhaus Fünfkirchen oder im Buchhandel .
Nachbetrachtung Erst auf der Heimfahrt von der gelungenen und ohne Übertreibung historisch zu bewertenden Buchvorstellung kam ich ins grübeln . Irgendwas passte nicht zusammen , irgendwas störte die un - bekümmerte Stimmung , die aufkeimende Hoffnung auf eine be - dingungslose Gleichstellung , die bei den Anwesenden aufkam . In unserer euphorischen Stimmung , dass auch wir Schwaben endlich ein greifbares Buch der ( unserer ) „ historischen Wahrheit ” besitzen , übersahen wir den Schatten im Verhältnis von Schwaben und Ungarn , den Lorenz Kerner mit seiner Formulierung vom glücksbringenden Ausländerautor in den Raum projizierte
Wenn es wirklich so ist ( und es ist bis heute leider so !), dass sich kein aus dem Ungarndeutschtum kommender Autor mit solch einer historischen Monografie in so klarer Sprache über die Ge schichte und das tragische Schicksal der Deutschen in Ungarn an die ungarische Öffentlichkeit wagen würde , wenn das so ist , dann können wir von geistiger Freiheit und Unabhängigkeit der Min derheiten , geschweige denn von Beispielhaftigkeit und Mus ter gültigkeit der Minderheiten - politik , was unsere politische Füh rung im stolzen Brustton zur Selbst - bespiegelung so gern von sich gibt und der ganzen Welt einzureden versucht , dann können wir davon nicht sprechen . Dann stimmt etwas nicht a pannon mezôkön . Angst ist ein sensibler Seismograph . Tj

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Wie in der vorigen Nummer des Sonntagsblattes ( 1 / 2016 ) ver - spro chen , befassen wir uns nochmals mit der Landesgala der Deut schen Selbstverwaltungen 2016 .

Grußworte von Otto Heinek auf der Gala 2016

Liebe Gäste , meine sehr verehrten Damen und Herren ! Im Namen der Landesselbstverwaltung der Ungarndeutschen begrüße ich Sie alle recht herzlich anlässlich unserer 20 . Landes - gala am Tag der Ungarndeutschen Selbstverwaltungen ! Ich wünsche Ihnen viel Freude am Programm und natürlich ein erfolgreiches Jahr 2016 !
Wir feiern mit unserer Veranstaltung heuer ein kleines Jubilä - um : Das zwanzigste Mal versammeln wir uns am zweiten Wochen - ende des Jahres in Budapest oder in Fünfkirchen , um zusammen zu sein , um einander über das vergangene Jahr zu berichten und um für die bevorstehenden Aufgaben Kraft zu schöpfen . 2015 war im Leben von vielen ungarndeutschen Selbstverwal - tun gen ein Meilenstein : Sie haben Trägerschaften von Schulen und Kindergärten und damit Verantwortung für die Erziehung der Nachwuchsgenerationen übernommen . Auch die LdU konnte ihr Schulnetz erweitern : Mit der Übernahme des Budapester Deut - schen Nationalitätengymnasiums haben wir nun auch in der Haupt stadt ein wichtiges Schulzentrum , in dem hervorragende fachliche und identitätsfördernde Arbeit geleistet wird . Die Übernahme von Kindergärten und Schulen fügt sich in die langjährigen Zielsetzungen der LdU ein , ist Teil unserer Strategie , welche wir 2015 in vielen Diskussionen und Expertengesprächen komplettiert und verabschiedet haben . Diese Strategie soll unsere Politik und unsere zukunftsorientierte Arbeit in den Bereichen Bildung , Kultur , Medien , Jugendförderung bestimmen , genauso , wie unsere internationale Aktivitäten oder unsere Auseinandersetzung mit unserer Vergangenheit . Liebe Freunde ! Vor einem Jahr habe ich in meinem Grußwort auch über die kaum genutzten Chancen einer ehrlichen Auseinandersetzung mit der Geschichte des 20 . Jahrhunderts und der Rolle unseres Landes darin geschrieben . Das l00jährige Jubiläum des Ausbruchs des ersten und das 75 jährige des Beginns des zweiten Weltkrieges , der 70 . Jahrestag des Holocaust hätten gute Anlässe dazu geboten . Nun begehen wir erneut runde und für uns wichtige Jahrestage , ja sogar Gedenkjahre : 2015 – 2017 erinnert sich Ungarn an die Russ - landdeportation , von der auch mehrere Zehntausend junge un - garn deutsche Frauen und Männer betroffen waren . Beim Ver - fassen dieser Zeilen für das Programmheft der Gala 2016 lassen die versprochenen Ausschreibungen leider noch auf sich warten , obwohl es sehr wichtig wäre , der Opfer dieses lange verschwiegenen Unrechts durch Veranstaltungen , Gedenktafeln , Publikatio - nen würdig zu gedenken .
Am 19 . Januar werden wir im Rahmen des Gedenktages der Verschleppung und Vertreibung der Ungarndeutschen den 70 . Jah restag des Beginns der Vertreibung begehen . Die in Wudersch stattfindende Veranstaltung soll an das an unserer Volksgruppe begangene Verbrechen erinnern , aber auch darauf aufmerksam machen , dass es in der Erforschung und Bekanntmachung der Vertreibung und nicht zuletzt ihrer Folgen noch viel zu tun gibt . Zu den bevorstehenden Aufgaben wünsche ich uns allen viel
Kraft , Ausdauer und Zuversicht ! Otto Heinek , Vorsitzender
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