Sonntagsblatt 2/2015 | Page 19

im Dienste der Madjarisierung der Nichtmadjaren erkannt hatte . Die Lücken , die nach Abtrennung dieser Gebiete im Aufbau des ungarischen Bildungswesens entstanden waren , schloss Graf Ku - no Klebelsberg während seiner zehnjährigen Tätigkeit als Kul - tusminister Ungarns in den Jahren 1922 – 1932 .
Er entstammte einem Tiroler Geschlecht , das in seinem Her - kunftsland zu beiden Seiten des Brenners auch heute noch blüht und für die Heimatinteressen segensreich arbeitet . Graf Kuno Klebelsberg , Freiherr von Thumburg , war der Sohn des Grafen Jakob Josef Konstantin und der Aranka Farkas von Alsó- und Felsôôr und wurde am 11 . Oktober 1875 in Magyarpécska im Ko - mitat Arad geboren . Nach seinen Studien arbeitete er im ungarischen Ministerpräsidium und wurde im Jahre 1903 persönlicher Referent des Ministerpräsidenten István Tisza und Leiter der dritten Sektion des Ministerpräsidiums . 1910 wurde er Richter am Verwaltungsgerichtshof . In einer Zeit , da die ungarische Öffentlichkeit mit größter Leidenschaftlichkeit gegen die Tätigkeit des Deutschen Schulvereins protestierte ; weil er dem bedrängten un - garländischen Deutschtum Hilfe in seinem Kampf um deutsche Schulen bringen wollte , gründeten die Madjaren den Julianverein . In dessen Leitung betätigte sich auch Graf Kuno Klebelsberg , der längst völlig im Madjarentum aufgegangen war , und setzte die Anstellung von 130 madjarischen Lehrkräften und damit die Er - zie hung von rund 9000 Kindern in Kroatien in ungarischem Geiste durch . 1914 wurde er wegen seiner Kenntnisse auf dem Ge biete der Nationalitätenpolitik als Staatssekretär ins Minis - terium für Kultus- und Unterricht berufen , 1917 wurde er Land - tagsabgeord neter , 1920 schickte ihn Ödenburg ins ungarische Parlament , also jene Stadt , wo sein Vorfahre Christoph Kle - belsberg 1550 – 1589 Bürgermeister gewesen war . Bei der Volks - abstimmung 1921 setzte er sich für den Verbleib dieser Stadt bei Ungarn ein . 1921 wurde er Innenminister und von 1922 bis 1932 war er Minister für Kultus und Unterricht .
Als Kulturpolitiker reichte sein Interessengebiet von den Volks - schulen bis zum Sport . 5000 neue Volksschulen danken ihm ihre Entstehung . Von den vier Universitäten Ungarns wurden zwei , nämlich die von Fünfkirchen und Szegedin , auf Klebelsbergs An - regung nach 1922 errichtet , und die medizinische Fakultät der Universität zu Debreczin hat er mit den neuesten Errungenschaf - ten der Forschung ausgestattet , so dass sie kaum ihresgleichen hatte in Europa . Die Gründung der Ungarischen Hochschule für Körperkultur war sein Gedanke , und sie wurde in der Sportwelt zweier Erdteile berühmt . Seine großartigen Leistungen auf dem Gebiete des Sports kann Ungarn dieser Hochschule danken . Da durch die stets fort-schreitende Madjarisierung des ungarischen Geisteslebens eine wachsende Isolierung eingetreten war , gründete Graf Klebelsberg im Ausland mehrere ungarische Institute , welche diesem Niedergang entgegenwirken und die Verbindung mit dem europäischen Geistesleben sichern sollten . Wenn diese Maßnahmen oft nur Träger einseitig nationalistischer Tendenzen wurden , so war das nicht nur Klebelsbergs Schuld .
Graf Klebelsberg war auch ein namhafter Historiker . Das His - torische Institut zu Berlin wählte ihn zum Ehrenmitglied , und auf seinen Vortragsreisen knüpfte er für Ungarn wertvolle internationale Kulturbeziehungen an . Die Universitäten von Rom , Bologna , Tartu und Würzburg haben ihm das Ehrendoktorat verliehen . Ungarische Schriften stellen mit Genugtuung fest , dass er zusammen mit anderen ungarischen Gelehrten viele führende ungarische und deutsche Persönlichkeiten dem turanischen Gedanken gewonnen hat , d . h . dem Gedanken der Vereinigung der Mad - jaren mit den Ostvölkern ( vgl . Sassi Nagy , Der Turanismus ... als Weltidee , Budapest , 1942 , S . 29 ). Es ist zweifellos Klebelsbergs Tätigkeit zuzuschreiben , dass nach dem ersten Weltkrieg die europafeindlichen Tendenzen der ungarischen Gesellschaft gestärkt wurden , dass sich der ungarischen Öffentlichkeit eine wachsende Nostalgie nach der asiatischen Urheimat bemächtigte , dass sich der Turanismus frei entfalten konnte , ja sogar gefördert wurde .
Die Weltwirtschaftskrise hatte zu Beginn der 1930er Jahre auch Ungarn in Mitleidenschaft gezogen , so dass es 1932 vor dem Ruin stand . Da wurde Kultusminister Graf Kuno Klebelsberg , der Schöpfer so vieler wertvoller Kulturinstitute , als der Sündenbock hingestellt , der mehrere Millionen „ sinnlos ” dahingeopfert und nicht rechtzeitig gespart habe . Er musste zurücktreten und war einer hemmungslosen Hetze ausgeliefert . Erbittert und verlassen starb er noch im Jahre seines Sturzes , am 11 . Oktober 1932 , in Budapest . Erst im Jahre 1938 wurde er durch ein Denkmal – ein Werk des Eugen Grandtner – in Budapest geehrt . Aus : Johann Weidlein „ Die verlorenen Söhne ” – Wien , 1980
Johann Wachtelschneider

Evakuierung Schorokschars

1944 ( II . Teil )

Ein übergebener geräucherter Schinken ( war letzter Großvorrat !) und die Hartnäckigkeit meiner Großmutter brachten den Den - tisten endlich so weit , dass er sich des ungewöhnlichen Falles annahm . Er kam täglich zu uns in die Wohnung und desinfizierte mit einfachsten Mitteln den Wundkanal in Vaters rechter Ge - sichtshälfte .
Vater war noch sehr schwach , hatte er doch einen enormen Blutverlust erlitten , und es dauerte eine geraume Zeit , bis er sich so weit erholt hatte , dass er auf den Weg der Besserung kam . Die Wunde heilte langsam , doch Vater geriet in einen depressiven Zustand , der lange anhielt .
Die allgemeine Lage in der Stadt war noch keineswegs geklärt oder hatte sich normalisiert , da sich Teile der deutschen Vertei - digungstruppen im Burgviertel von Budapest verschanzt hatten . Die Kampfhandlungen hielten an , und die Rote Armee beschoss die Verteidiger auf der Burg pausenlos von allen Seiten – auch von der Pester Seite , auf der wir uns befanden . Einige Ausbruch - versuche der Verteidiger scheiterten , und schließlich mussten sich die Resttruppen aus Deutschen und Ungarn den Sowjets ergeben . Damit war die ganze Stadt besetzt und das Leben in der Stadt begann sich langsam zu normalisieren , wenn man das so bezeichnen konnte !
Die Stadt war gezeichnet von schweren Zerstörungen und in ihr herrschte Not und Mangel in allen Bereichen . Wir konnten uns mit unseren mitgebrachten Vorräten noch relativ gut versorgen . Nachdem dies aber bei unseren Mitbewohnern bekannt wurde , war Teilen angesagt . Dies ging dann so weit , dass Großvater nach äußerstem Widerstand endlich bereit war , sein mitgebrachtes Pferd , den braven „ Bandi ”, zum Schlachten herzugeben . Der Druck auf ihn war so groß geworden , dass er letztendlich verzweifelt nachgeben musste .
Vater machte bei seiner Genesung Fortschritte und wurde jetzt von einem Arzt versorgt , natürlich nur gegen Naturalien , denn Geld hatte in der derzeitigen Situation in Budapest seinen Wert verloren . Der Mediziner machte Vater aber bald klar , dass er ohne einige operative Eingriffe enorme Probleme im Alltag bekommen würde . So sei die Einpassung eines Glasauges ohne eine vorhergehende Operation nicht möglich . Auch müsse der zerfetzte Tränenkanal reguliert werden . Dies alles könne aber in der mo - mentanen Situation nicht verwirklicht werden . Erst wenn die allgemeine Lage und vor allem die medizinische Arbeit und Ver - sorgung wieder gewährleistet seien , könnte man bei ihm diese
( Fortsetzung auf Seite 20 )
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