Sonntagsblatt 2/2015 | Page 13

Frankreich sollte sich nie wieder an die „belgische Provinzen” wagen. Die Konstellation dauerte aber nur einige Jahrzehnte, 1830 erklärte Belgien seine Unabhängigkeit, 1867 Luxemburg. Eines der langlebigsten Ergebnisse des Wiener Kongresses war die Ausarbeitung von Normen zur freien Schifffahrt auf Flüssen. In zwölf Sitzungen wurde dieser wichtige Aspekt des modernen Völkerrechts erarbeitet. Üblicherweise machten im Kriegsfall die Kriegsparteien ihren Teil der Wasserwege für ausländische Trans - porte dicht, auch für unbeteiligte Dritte. Nun wurde dekretiert, dass der Schiffsverkehr auf allen Wasserwegen in Friedens- und Kriegszeiten frei zu sein habe. Das erleichterte den Handel, damit auch den Frieden. Im Lauf des 19. Jahrhunderts wurde die Bestim mung auf etwa 300 europäische Flüsse und Kanäle ausge- dehnt, darunter Elbe und Donau. Der Wiener Kongress war aber auch bekannt für seine Vergnü - gungen der besonderen Art für Hochadel und Diplomatie. „Der Kongress tanzt” – ist nicht nur ein legendärer UFA-Film, das Un - ter haltungsspektakel am Rande des diplomatischen Parkettes war Teil der Verhandlungsabläufe. Fasanenjagd im Prater, „Karous - sell” (Geschicklichkeitsbewerbe für Reiter und Wagenfahrer ) in der Winterreitschule, festliche Redouten in der Hofburg – der Wiener Kongress war ein Ort allerhöchsten Amüsements. An - geblich waren die Wiener zu Beginn recht erfreut, dass so viele Menschen, Vertreter des Hochadels aus ganz Europa und ihre Minister, Berater und Entourage nach Wien zu Verhandlungen kamen. Allerdings, der Kongress dauerte anstatt wie anfangs geplant ein paar Wochen, ganz e neun Monate, bis zum 9. Juni 1815. Und spätestens nachdem die Preise in Wien für Wohn - raummieten, Fahrdienste und Nahrungsmittel massiv anstiegen und auch neue Steuern für die Finanzierung des Kongresses ein- geführt worden waren, hatte sich die Begeisterung der Wiener wohl schnell gelegt. Im Zeichen des Wiener Kongresses: Die Kaiserliche Wagen - burg zeigt historische Fuhrwerke, Hofuniformen und Ordensor - nate, und im Wiener Stadt- und Landesarchiv werden die Auswirkungen des Kongresses auf Musik, Kultur und Wissen - schaft in Wien dargestellt. Im Unteren Belvedere werden ab 20. Februar sowohl die politischen als auch die gesellschaftlichen Aspekte des Kongresses beleuchtet. Buchtipp: Hannes Etzlstorfer, „Der Wiener Kongress. Redouten, Karoussel und Köllnerwasser” Verlag Kremayr&Scheriau 2014. Aus: Der Eckart, Heft Februar 2015 O Das Ende des großen Napoleon – vor 200 Jahren: WATERLOO Am 18. Juni 1815 konnte Napoleon in der Schlacht bei Waterloo (auch Schlacht bei Belle-Alliance genannt), zwanzig Kilometer südlich von Brüssel, endgültig bezwungen werden. Gegen die stür- misch angreifenden Franzosen hielt der englische Heerführer Wellington mit 67 000 Mann (davon rund die Hälfte Deutsche, ein Drittel Engländer, ein Sechstel Holländer) im Vertrauen auf die Preußen stand, wobei er gesagt haben soll: „Ich wollte, es würde Nacht, oder die Preußen kämen!” Das Vertrauen wurde nicht ent- täuscht: Die Preußen mit Blücher und Gneisenau an der Spitze kamen heran und trieben nach wilder Schlacht die Franzosen zur Flucht. Die Verfolgung war scharf. Das letzte Heer Napoleons wurde vernichtet. Der seit zwei Jahrzehnten auf dem Abendland lastende Fluch war gebannt. Die Verbündeten hatten rund 20 000 Gefallene, davon zwei Drittel Deutsche. 25 000 Franzosen blieben auf dem Schlachtfeld. Als die Römer frech geworden Von Jan Ackermeier Heuer wird eines der bekanntesten deutschen Nationaldenk - mäler 140 Jahre alt: Das Hermannsdenkmal im Teutoburger Wald. Das Denkmal soll an den Cheruskerfürsten Arminius und die Schlacht im Teutoburger Wald erinnern, in der ger- manische Stämme unter Führung von Arminius den römis- chen Legionen unter Publius Quinctilius Varus im Jahre 9 eine entscheidende Niederlage beibrachten. Mit einer Figurhöhe von 26,57 Metern und einer Gesamt - höhe von 53,46 Metern ist es die höchste Statue Deutschlands und war von 1875 bis 1886 sogar die höchste Statue der Welt. Der Bau ist vor dem Hintergrund der deutsch-politischen Situation des 19. Jahrhunderts zu sehen, in der der Begriff „Deutschfranzösische Erbfeindschaft” durch Jahrhunderte alte Konflikte geprägt war. Durch die Niederlagen gegen die Franzosen unter Napoleon Bonaparte und die politische Zersplitterung Deutschlands begann man zunehmend die nationale Identität in der germanischen Ver - gangenheit zu suchen. Mit der zeitgenössischen Wertung Armi - nius‘ als einen ersten Einiger der germanischen Stämme bot sich diese Figur an, zumal die Arminius-Figur seit der Wiederent - deckung römischer Historiker durch den Humanismus im 16. Jahrhundert im gesamten deutschen Sprachraum bekannt war. Der Erbauer Ernst von Bandel ging nach damaliger For - schungs lage noch davon aus, dass die Schlacht im Teutoburger Wald stattgefunden habe. Die Wahl auf die Grotenburg bei Det - mold als Standort für das Denkmal fiel allerdings aus praktisch- ästhetischen Erwägungen. Der lippische Fürst wollte den Bau - platz nur unter der Bedingung zur Verfügung stellen, dass das Denkmal auf der Berghöhe errichtet würde, da es von dort aus weithin über Lippe sichtbar wäre. Mittlerweile ordnen die meisten archäologischen Fachwissenschaftler die Fundregion Kalkriese bei Bramsche in Niedersachsen als wahrscheinlichsten Ort der Schlacht ein. Mit dem Bau des Hermanndenkmals wurde 1838 begonnen. Schon vor Baubeginn, aber auch infolge des Baus entstanden über- all in Deutschland Vereine, die erfolgreich Gelder für das Denkmal sammelten. So berichtet etwa Heinrich Heine 1843 und 1844 „zu Detmold ein Monument gesetzt; hab selber subskribieret.” Im Jahr 1846 wurde der Sockel des Denkmals fertiggestellt. In der Reaktionsphase nach der Revolution von 1848 ruhte der Bau bis 1863. Es fehlte in dieser Zeit sowohl das finanzielle als auch das politische Interesse, den Bau weiter zu führen. Erst mit der Gründung des Deutschen Reiches nach dem Deutsch-Fran - zösischen Krieg (1870–1871) wurde das Denkmalprojekt wieder populär. Sowohl der neue deutsche Reichstag als auch Kaiser Wilhelm 1. ermöglichten schließlich mittels Großspenden 1875 die festliche Einweihung des Baus. Die Entstehung des Denkmals ist nicht von seinem Erbauer, dem Bildhauer Ernst von Bandel zu trennen. Dieser widmete sich zeitlebens dem Denkmalprojekt und versuchte, insbesondere in der Zeit der Bauunterbrechung weitere finanzielle Unterstützung für die Vollendung zu finden. Während der Arbeiten lebte Bandel zeitweise in einem unterhalb des Denkmals errichteten Block - haus, der Bandel-Hütte, die man auch heute noch dort besichtigen kann. Bandel konnte die feierliche Einweihung im Jahr 1875 noch erleben. Er starb 1876. Die Ästhetik des Hermanndenkmals ist vor allem im Licht der historischen Ereignisse während der von 1838 bis 1875 andauern- den Bauzeit einzuordnen. In dem Denkmal spiegeln sich sowohl (Fortsetzung auf Seite 14) 13