Sonntagsblatt 1/2019 | Page 27

legen. Auch in der Kundschaft des Hotelbetriebs hätten sich in den letzten Jahren, Jahrzehnten Veränderungen vollzogen: Heu- te spricht man von einer gemischten Kundschaft, nicht zuletzt aufgrund der veränderten Eignerstruktur der Moorer deutschen Firmen, die globaler aufgestellt sind als noch vor 15-20 Jahren. Auf die Kundenwünsche versuche man flexibel und schnell zu reagieren, auch als Konsequenz veränderten Buchungsverhal- tens: „Früher erreichten uns in der Woche hundert Briefe, heute tausende E-Mails und Anfragen. Wir sind natürlich auf allen Bu- chungsportalen präsent.” Im Falle der Konkurrenz, die Elisabeth Möllmann „Mitstreiter” nennt, bemühe sie sich um gute Kontakte, so auch mit dem aus der Schweiz heimgekehrten Paul Molnár, der gerade einen 130 Hektar großen Weinbesitz aufbaut. „Das ist die Rettung für den Moorer Weinbau”, so die Einschätzung von Möllmann. Mit ihrer zweisprachig aufgewachsenen Tochter Esther und ihrem Schwiegersohn Csaba, die gerade ein Kind bekommen haben, scheint die Zukunft des Familienbetriebs ge- sichert zu sein. Elisabeth Möllmann engagiert sich aber nicht nur im unterneh- merischen Sinne: Ihr liegt nach eigenem Bekunden sehr viel an der Förderung der deutschen Sprache und Kultur im Landkreis Moor: Sie hat in den vergangenen Jahren zahlreiche Program- me organisiert und alte Traditionen wiederbelebt: So auch den Weiberfasching am 11. 11. (um 11:11), den viele von uns nur noch aus den rheinischen Karnevalshochburgen Düsseldorf, Köln und Mainz kennen. Er war auch in der Moorer Gegend Tradition, wahrscheinlich brachten die Ahnen diese Fasnet-Tra- dition aus der alten schwäbischen Heimat mit – denn an die- sem Tag durften Frauen den Weinkeller betreten, was an den restlichen Tagen nur Männern vorbehalten war. Darüber hinaus hat Elisabeth Möllmann die Veröffentlichung der Ortschronik von Alois Schwartz unterstützt und ist unter anderem als Vorsitzen- de des Deutschen Nationalitätenchores von Pußtawam tätig. Dabei beobachtet sie, wie schwierig es geworden sei, Leute zu mobilisieren und sie dazu zu motivieren Verantwortung zu über- nehmen. Die Älteren wollten nicht mehr, unter den Jüngeren gäbe es welche, die sich, zum Beispiel in der Pußtawamer Tanz- gruppe, engagierten und sagen würden: „Es wäre gut, wenn es einen Ort gäbe, wo man nur deutsch sprechen würde.” Diese Jugendlichen nennt Elisabeth Möllmann „Fackelträger”. Auf der anderen Seite gebe es viele, die sich völlig abschotten würden und nichts mit dem Deutschtum zu tun haben wollten, obwohl ihre deutsche Herkunft mehr als deutlich ist. Erfreulich findet die Unternehmerin, dass in ihrem Heimatort sowohl Kindergarten als auch Grundschule von der örtlichen deutschen Selbstverwaltung getragen werden: „Dort fängt es an”, resümiert sie. Ansichten - Einsichten s mein (ungarn-) deutschtum (30) Klara Mester (Mahler) aus Elek über die Beziehung von Herkunft und Identität „Ich bin Ungarin mit einer - sowohl geographisch als auch his- torisch und sprachlich – verzweigten Geschichte der Vorfahren. Durch das Germanistikstudium, durch Verwandte und Freunde in beiden Teilen von Deutschland (vor der Wende), durch die Tätigkeit als Reiseleiterin und Dolmetscherin in der Studenten- zeit, durch eine vielseitige Arbeit als Deutschlehrerin, durch das Pflegen des väterlichen Nachlasses zum Thema „Eleker Deut- sche“, durch das „Liebgewonnen“ der deutschen Sprache und Kultur habe ich angefangen nach meinen Wurzeln zu suchen. Dazu kommt jetzt auch eine Erinnerungs- und Forschungsarbeit in meinem Heimatort. Es ist jedenfalls keine einseitige, nur das Deutschtum betonende Identität, die ich „gefunden habe“. SoNNTAGSBLATT „Passt es wirklich in Ihr Blatt?” An Richard Guth war die Frage gerichtet, nachdem er mich ge- beten hat über das Thema „Ungarndeutschtum” zu schreiben. (Grund dafür waren - während einer Studienreise - einige kri- tische Bemerkungen zum Thema Muttersprache, Gründe des Sprachverlustes, Deutschunterricht etc. Auf seine Ja-Antwort kommt jetzt eine etwas längere Erörterung. Eine durchschnitt- liche Geschichte einer “Monarchiefamilie“ aus der Region des Banats und der Werdegang einer „ungarndeutschen“ Familie aus dem heutigen Komitat Bekesch im 20. Jahrhundert - als Vorge- schichte meiner eigenen. Die mehrsprachigen Urgroßeltern Als vor Jahren die Esszimmergarnitur meiner Großmutter in unserem Haus Platz fand, dachte ich nur an die Vorteile des großen, praktischen Tisches. Für heute wurden mir diese Gar- nitur und ein altdeutsches Sofa ein „symbolischer Rahmen” für unsere Familiengeschichte. Das Esszimmer stammt nämlich aus Nagybecskerek/Großbetschkerek/Zrenjanin im Banat/Vojvodina (heute Serbien), wo die Wurzeln meiner Mutter - mütterlicher- seits - zu finden sind, das Sofa aus Elek (früher am Rande des Banats, heute Ungarn, Komitat Bekesch), woher mein Vater stammt. Auch zwei große Porträts ergänzen den Raum: von Wenzel Hruschka (geb. 1851, Horní Bucice/Oberbutschitz - Böh- men) und Laura Wichtner (geb. 1853, Pétervárad/Peterwardein bei Neusatz, Vojvodina). In Großbetschkerek sprach die Familie deutsch, aber der Vater Wenzel Hruschka – als Unternehmer und Mühlenbesitzer - beherrschte fünf Sprachen. Die Mutter, Lau- ra Wichtner, konnte nur Deutsch, Beweis dafür sind die an sie geschriebenen Briefe. Als Folge des Ersten Weltkrieges verlor Wenzel Hruschka sein Vermögen, nach der Grenzziehung von Trianon fiel seine Mühle auf die rumänische Seite. In den letzten Lebensjahren, Ende der 1930er Jahre, fand das Ehepaar bei der jüngsten Tochter in Kétegyháza/Ungarn Obdach. Sie haben hier auch ihre letzte Ruhestätte gefunden. Die Geschichte der Vorfahren in Elek ist einbahnig: 1724 kamen die ersten Ansiedler - nach der 150-jährigen Türkenherrschaft – hier, in einer verödeten Gegend an; viele aus Gerolzhofen/ Unterfranken, darunter die Ahnen der Großmutter meines Vaters (Theresia Zielbauer 1864-1948, Elek). Alle seine Vorfahren sind aus der „Eleker Sippe“; hier geboren und gestorben. Der größte Teil der Bewohner von Elek hat „ihre deutsche Mutter- sprache“ - besser gesagt ihren bayrisch-fränkischen Dialekt - bis 1946 behalten. Da wurden 90% der Einwohner vertrieben. Mehr- sprachigkeit war schon im 19. Jahrhundert in Elek vorhanden; unter den Dienstpersonen waren nämlich viele Rumänen und in der Gemeindeverwaltung auch Ungarn (Madjaren). Auch ein Foto bzw. Tableau mit der Gemeindeverwaltung aus dem Jah- re 1892 fand Platz bei uns. Das Bild ist ungarisch beschriftet: „Elek község elöljárósága 1892-ben”. Der Richter hieß Vilmos Magyar, die meisten Personen hatten einen deutschen Namen. Alois Mahler, der vereidigte Verwalter der Gemeindeziegelei, Mit- glied des Schulvorstandes („téglagyári esküdt”, az „iskolaszék tagja”) musste wohl auch schon Ungarisch können. - Er war der Großvater meines Vaters. Und wenn sich heutzutage die Großfamilie um den oben erwähn- ten großen Esstisch versammelt, ist die für meine Urgroßeltern typische Mehrsprachigkeit in der vierten und fünften Generation wieder vorhanden. Deutsch ist dabei stark vertreten. Deutschkenntnisse der Nachkriegsgeneration, mein Werde- gang Ich bin in Elek geboren, bis zum Abschließen des örtlichen Gym- nasiums hier zur Schule gegangen. Meine Tage/Jahre – beson- ders als Kleinkind – vergingen in der Achse Elek-Kétegyháza, (Fortsetzung auf Seite 28) 27