Sonntagsblatt 1/2018 | Page 9

soll man eine lokale kulturelle Initiative ähnlich wie die erfolg- reiche Initiative von „Dél-Szlovákiáért” unterstützen. Die Natio- nalitätenvielfalt Ungarns ist einmalig und bei deren Bewahrung muss die aktuelle Regierung stets aktiv teilhaben. Auf lokaler Ebene findet man bereits jetzt positive Beispiele wie z. B. die mehrsprachigen Straßenschilder in einigen von Deutschen be- wohnten Ortschaften. Man muss solchen und ähnliche Initiativen stets Raum bieten, denn nur durch das Wissen um Vergangenes und die Stärkung unserer Erinnerungskultur können wir in die Zukunft bauen. MSZP Angesichts dessen, dass der Fortbestand und die Entwicklung der ungarländischen Minderheiten besondere Zusatzrechte, eine positive Diskriminierung erfordert, so muss man für die Durchset- zung einer tatsächlichen Gleichberechtigung im Alltag auch aktiv etwas tun. In diesem Licht denkt die MSZP, dass die Schaffung von Zweisprachigkeit in den von Minderheiten bewohnten Ge- bieten berechtigt ist. Momentum Die Ansprüche von Minderheitengemeinschaften sind in der Re- gel berechtigt, so auch im Falle der zweisprachigen Schilder im Bahnbetrieb - und sonstigen Straßenschildern -. Wenn solche Ansprüche gestellt werden, wird sie Momemtum unterstützen. Minderheiten in den ostmitteleuropäi- schen Parlamenten: eine funktionsfä- hige Praxis Von Stefan Pleyer Seit 2012 besteht die Möglichkeit für die Minderheiten in Ungarn, Abgeordnete in das Parlament zu schicken, im Falle, wenn sie genügend Stimmen von den Wahlbürgern erhalten. Dieser Schritt der ungarischen Gesetzgebung galt vor sechs Jahren als eine riesige Erneuerung in der ungarischen Geschichte. Wenn wir in die Nachbarländer schauen, sehen wir, dass die parlamen- tarische Vertretung der Minderheiten, Nationalitäten, Volksgrup- pen in den anderen Ländern des Karpatenbeckens im Laufe der vergangenen Jahre auch zur Praxis wurde. Aufgrund des Zerfalls „der alten Welt” in der östlichen Hälfte Europas 1989-1990 erfolgte eine Neugeburt der demokratischen Systeme in unserer Region: Neue Parteien, Verfassungen, Wahl- systeme lösten die frühere kommunistische Nomenklatur ab, um solche Fragen wie Macht, Landesführung, Vertretung bestimm- ter gesellschaftlicher Gruppen in eine Europa-fit-Dimension zu setzen. Dementsprechend mussten sich die postsozialistischen Länder in einer geistig und politisch nicht gebundenen Athmos- phäre wieder definieren, was das Staatsvolk ist und wer unter diese Kategorie fällt. Die rumänische Verfassung aus dem Jahre 1990 beantwortet diese Frage folgendermaßen: „Rumänien ist ein einheitlicher, unteilbarer Nationalstaat”, darüber hinaus, „die nationale Souveränität gehört dem rumänischen Volk” (Art. 1). Obwohl der damalige Akzent in der Neugestaltung nicht darauf gelegt wurde, aber bereits in den ersten Jahren nach dem ru- mänischen Systemwechsel erhielten Minderheiten bereits Plätze im rumänischen Unterhaus, später auch im Senat, gemäß den neuen Elementen der Verfassung: Das rumänische Wahlsystem ermöglicht nationalen Minderheiten im Unterhaus Abgeordneten- plätze zu haben, die zuerst von der madjarischen Minderheit sei- tens des DVdMR (Demokratischer Verband der Madjaren in Ru- mänien) besetzt wurden, dahingegen war im Senat die Präsenz derartiger Minderheitenabgeordneter nicht maßgebend: Wenn sonntagsblatt sie überhaupt dort erschienen, waren es größtenteils Madjaren (mit einer armenischen Ausnahme, Varujan Vosganian, der unter den Flügeln der NLP ein Mandat errang). Am Anfang führten die frisch gegründeten Minderheitenparteien aktive Wahlkämpfe für diese Repräsentation, aber später beurteilte die rumänische Gesetzgebung ihre Situation so, dass es noch glücklicher und demokratischer wäre, Minderheitenabgeordnete automatisch, abgesehen von ihren Wahlergebnissen aufzunehmen. Das kam ja nicht von ungefähr: Die große Zahl der Madjaren sicherte für sie eine Art von Hegemonie in der Nationalitätenpolitik, darüber hinaus buhlten immer mehr neue politische Formationen „um die Seele ihrer Wahlbürger.” Aus diesem Grunde war eine Reform im System notwendig: Seit 2003 können die Minderheiten Rumä- niens einen sicheren festen Sitz im Parlament bekommen (mehr kann es natürlich auch sein), ganz unabhängig vom Wahlerfolg, jedoch darf sich nur eine Organisation kandidieren. Dank dem neuen System arbeiten die Parteien der Minderheiten auch im Senat effektiver als früher: Beispielsweise übt dort der ungari- sche DVdMR sein Mitspracherecht mit neun Abgeordneten aus. Wichtig ist es zu betonen, dass auch die rumänischen Diasporen neben den Minderheiten einen Abgeordneten delegieren, der dann das ganze Auslandsrumänentum vertritt. Das wiederum unabhängig gewordene Kroatien und das gan- ze Westbalkan waren seit jeher multiethnisch: Seit dem Mittel- alter, aber auch in den Jahrhunderten danach prägten Serben, Ungarn, Deutsche, Italiener und Slowaken das Gesamtbild Kroatiens, nicht umsonst galt dieses Land als ein echtes Span- nungsfeld ethnischer Konflikte. Wie im Falle Rumäniens sollte auch die kroatische Elite etwas mit Hilfe juristischer Intrumente mit der Sache der in Kroatien lebenden Minderheiten anfangen. Die blutige Geschichte der 1990er Jahre begann jedoch mit einer heilsamen Neuigkeit: Auch die Weihnachtsverfassung aus dem Jahr 1990 („božićni ustav”) lässt die Frage der Volkssouveräni- tät nicht unbeantwortet, der Inhaber dieses Rechtes soll selbst das kroatische Volk sein, daneben wird anerkannt, dass Kroatien nicht nur aus einem alleinigen Staatsvolk, dem kroatischen, be- steht, sondern aus Serben, Ungarn, Deutschen, Österreichern gleichfalls. Diese Anerkennung bot im Weiteren die Möglichkeit für eine künftige parlamentarische Vertretung im Sabor (merk- würdigerweise erscheinen auch die Juden als nationale Minder- heit und nicht als Religionsgemeinschaft - noch ferner, bezüg- lich der Weihnachtsverfassung wurde kritisiert, dass sie andere ethnische Gruppen wie die Bosniaken oder die Roma nicht er- wähnte). Das Endziel, also die Repräsentation der nationalen Minderheiten, gelang durch mehrere Phasen in der kroatischen Politik: Zuerst wurde die Verfassung mit einem Kapitel ergänzt („Der Schutz der Menschenrechte und der Grundfreiheiten”), das war der erste Schritt, einen Abgeordneten ins Parlament zu schi- cken, jedoch schrieb es dieses Recht „nicht obligatorisch” vor. Im Jahre 2002 verabschiedete der Sabor ein Nationalitätengesetz, wonach diese Vertretung für die Minderheiten und den Sabor verbindlich ist: Es bestimmte eine Mindest-Präsenz, wie im ru- mänischen Wahlsystem, aber schließt eine größere Fraktion der Minderheitenorganisationen nicht aus, trotzdem sind diese Wäh- ler zu einer Doppelwahl nicht berechtigt. Nach einer langen De- batte bezüglich der Problematik der serbischen Minderheit in der Zeit des serbisch-kroatischen Krieges (erste Hälfte der 1990er Jahre) maximalisierte der Gesetzgeber die Zahl der Sabor-Ab- geordneten der Nationalitäten in fünf Personen (insgesamt): Solche Minderheiten konnten wählen, deren Anteil weniger als 8% beträgt. In der nächsten Phase wurden diese Verhältnisse gewissermaßen konsolidiert: Nach der heutigen Zusammen- setzung des Sabors verfügen die Serben (die größte Minderheit Kroatiens) über drei Abgeordnete, die zweitgrößte, die Italiener, über einen, die Madjaren werden durch einen Abgeordneten re- präsentiert. Weitere Minderheiten wie die Deutschen, Bulgaren und Romani haben sogenannte „gemeinsame Vertreter”: Zum Beispiel ist der Abgeordnete Veljko Kajtazi das Sprachrohr der Österreicher, Deutschen, Polen, Roma, Russen, usw. gleicher- (Forsetzung auf Seite 10) 9