Sonntagsblatt 1/2018 | Page 27

wenn man die Stimmen eines „ normalen “ Wahlkreissiegers erreicht hat . Eine andere Lösung wäre , wie es in manchen Ländern praktiziert wird , wenn die Nationalitätenangehörigen eine extra Stimme erhalten würden . sie es nicht leicht . Sie musste auch bei großen Gewittern unter freiem Himmel stehen ! Doch immerhin war sie hier ihre eigene Herrin . Die anderen hänzelten sie oft . Die Menschen quälen gern die Schwächeren .
Aber , wie ich es am Anfang beschrieben habe , das Ziel von Fidesz war eigentlich nicht eine anständige Lösung anzubieten , sondern nur den eigenen Machterhalt , auch dadurch , zu sichern . Das Traurige daran ist , dass die betroffenen „ Minderheiteneliten “ sich widerstandslos ergeben haben , und so sie ihre Leute , genauso wie die Regierung , ständig belügen .
Literatur
Klara Burghardt : Brillant
( An meine Mutti )
An dem kalten Morgen war es noch dunkel , als Lisi warm gekleidet in die untere Gasse ging .
Hinter geschlossenen Fenstern schliefen noch die Leute . Lisi zog ihre Wolljacke frierend zusammen . In einer Leinentasche trug sie ihr Essen für den ganzen Tag . Sie ging mit schnellen Schritten . Rechts , in der Mitte der unteren Straße stand ein großes Bauernhaus , dahinter der noch größere Stall . Es gehörte dem Besitzer des Vliesbetriebes und seiner Familie .

Lisi wollte die Erste im Stall sein . s

Seit ihrer Kindheit plagte sie eine schwere Krankheit , die Epilepsie , so konnte sie ihre Arbeit viel langsamer erledigen , als die anderen .
Sie musste aber arbeiten , denn sie war eine alleinerziehende Mutter mit zwei kleinen Töchtern .
So ging sie halt früher , als ihre Mitarbeiter in den Stall . Dort stand ein einziges Pferd . Es war schneeweiß und sah edel aus . Es hieß Brillant . Lisis Arbeit war das Saubermachen des Rosses , des Stalls und das Füttern . Als sie mit dem Putzen fertig war , waren auch die anderen angekommen . Sie machten sich schnell an ihre Arbeit . In der Zeit spannte Lisi das Ross in den Wagen ein , der auf dem Hof , vor dem Stall stand . Sie legte eine grobe Decke auf den Sitz , brachte die Peitsche aus dem Stall und wartete auf ihren alten Brigadier . Der kam auch bald . Ein älterer Mann , mit braungebranntem Gesicht , mit großen , rauhen Händen , die im Leben schon sehr viel gearbeitet hatten .
Seine braune Ledertasche legte er nach hinten . Er nahm die Peitsche , legte sie daneben . Für dieses Pferd brauchte man keine Peitsche , es war vernünftig und folgte dem Brigadier . Er setzte sich nach vorne , reichte Lisi die Hand und half ihr hinaufzusteigen .
Sie musste tagsüber bei den Schafen arbeiten , die aber sehr weit , hinter dem Bahnwärterhaus waren . Auf einer riesengroßen Wiese stand der lange Stall der Schafe . Hierher fuhren die zwei mit dem Pferdewagen . Ihr Weg führte an den Fischteichen entlang , auf einen Hügel hinauf . Sie fuhren über die Gleise , neben einen Wald , auf die Wiese . Lisi stieg vom Wagen , nahm ihre Tasche und winkte dem alten Mann zu : - „ Bis zum Abend !” - - „ Gut , Lisi , ich hole dich gegen Abend ab . Du musst solange mit den Schafen wieder hier sein . Sie sollen bis dahin im Stall sein !” - - „ Ja , das mache ich ! Auf Wiedersehen !” -Der Mann fuhr mit dem Pferdewagen weiter . Er hatte für den Tag noch viel zu tun . Lisi blieb alleine . Sie trieb die Schafe aus dem Stall , nahm ihren Stock und begann mit ihrem kleinen Hund , Mopsl die Schafe zu treiben . Es waren 500 Schafe , auf die sie aufpassen musste .
Diese Arbeit gefiel ihr , wenn das Wetter schön war . Sie liebte die Freiheit und fühlte sich nie allein mit den Tieren . Sie mochte die Natur , die schöne Landschaft . Wenn es aber regnete , hatte
Die Schafe ließen Lisi in Ruhe . Sie nahm die Lämmer auf den Schoß . Nur sie hörten sie singen . Sonst sang Lisi nicht . Auch die Töchter hörten ihre Lieder nie . Zu Hause war keine Zeit zum Singen .
Bis der Brigadier zurückkehrte , waren die Schafe und der Hund versorgt im Stall , Lisi saß auf einem Stein , und wartete auf den alten Mann .
Der Tag war lang .
Nach der Rückkehr spannte sie das Pferd aus , führte es in den Stall und fütterte es .
Es war schon dunkel , als sie nach Hause kam .
Die Oma wartete mit warmem Essen auf sie . Die kleine Familie saß um den Tisch , die Mädchen erzählten ihre Tageserlebnisse . Sie waren nicht laut , denn ihre Mutti war sehr müde .
Bald war es still im Haus . Oma hatte die Verantwortung für den Haushalt und für die Mädchen , Lisi war von ihrer Arbeit erschöpft . Der Opa war gestorben , der Vater weit weg . Die zwei Frauen hatten es nicht leicht .
Lisi kümmerte sich jeden Tag liebevoll um das Pferd . Der eine Tag war wie der andere , die Werktage so wie die Sonntage . Die Schafe mussten fressen , das Pferd musste versorgt werden , auch an Feiertagen .
Lisi bekam manchmal einen freien Tag . Diesen Tag nutze sie dafür , dass sie alle Arbeiten erledigte , die die Oma und die Kinder zu Hause nicht hatten machen können . An einem Tag lieh Lisi den Pferdewagen mit dem Pferd aus . Sie wollte einen Holzschuppen bauen lassen und wollte von den Fischteichen Schilf heimliefern .
Sie wusste , alleine hätte sie keine Kraft das Schilf auf den Wagen zu legen , so rief sie Hilfe . Ein Junge versprach zu helfen . Die Mädchen wollten unbedingt mitfahren . Sie hatten noch nie mit dem Wagen fahren dürfen . Auch der Cousin war dabei .
Anna war vier , Peter drei und Eva zwei Jahre alt .
Die Kinder fanden es schön , mit dem Pferdewagen zu fahren . Sie saßen hinten auf einer Decke , die Mutter mit dem Jungen vorne auf dem Sitz .
Das Schilf hat Lisi mit einigen Männern schon früher ausgeschnitten , nun lag es am Ufer des Teiches bereit . Als es aufgeladen war , legte Lisi eine Decke darüber und setzte die Kinder darauf . Sie waren schon müde zum Laufen . Brillant ging langsam . Die Traglast war schwer , der Feldweg führte nach oben . Der Junge hielt den Zaum in der Hand und lief neben dem Ross . Lisi lief neben dem Wagen und passte auf die kleinen Kinder auf . Als das Pferd oben angekommen war , blieb es stehen und verschnaufte .
Die Kinder saßen still , sie hatten Angst .
Dann ging Brillant los . Der holprige Weg führte steil hinunter . Der Junge musste den Zaum ganz fest halten , um das Pferd zurückzuziehen . Lisi half ihm .
Auf einmal fing das Schilf langsam zu rutschen an . Lisi merkte es nicht .
Aber dann ging es los ! Das Schilf stach den Hintern des Pferdes . Es bekam solche Angst , dass es zu galoppieren begann . Das Schilf rutschte noch mehr herunter und bevor Lisi die Kinder abnehmen konnte , fielen die drei Kleinen unter den rennenden Wagen . Lisi schrie laut , der Junge ließ den Zaum los . Die Kinder lagen zwischen den Rädern . ( Fortsetzung auf Seite 28 )
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