Sonntagsblatt 1/2017 | Page 22

schwäbische Geschichte, mangels Pressburg, Bartfeld, Hermann - stadt und Temeswar würde die ungarländische deutsche Kultur viel ärmer. Mein ungarländisches Deutschtum ist ja Minderheit in der Min derheit, auch wegen meinem bürgerlichen Selbstbild. Gab es bei uns einst in der Heanzerei irgendeine Volkskultur, dann ver- sank sie in die Vergangenheit, niemand kann die Tradition weiter- reichen: traditio (lat.)-Übergabe. Jedoch ist das Kennenlernen der Kultur der Vorfahren eine sehr wichtige Aufgabe für die Zukunft, die unsere Landsleute erfüllen müssen. Wir dürfen am so genann- ten ungarischen ländlich–urbanen Streit nicht teilnehmen, was nur Barrikaden zwischen unseren Leuten errichten kann: Die „Flam me” der deutschen Volkskultur muss gepflegt werden, aber damit wäre es notwendig, den Geist des meinungsformierenden, deutschen Bürgertums in Ungarn zum Leben zu erwecken, nur so können wir vollständig sein. O Mehr als nur Erholung Ungarndeutsche und deutsche Familien treffen sich zum zwölften Mal zu einem VUK-Familienwochende Von Richard Guth Auf den Fluren des Wellnesshotels am Rande der Tolnauer Gemeinde Tengelic werden allmählich Kinderstimmen laut. Auch die letzten Gäste treffen sich in der großzügigen Herberge ein, das Wochenende kann beginnen. Zum zwölften Mal hat der Verein für Ungarndeutsche Kinder VUK ein Familienwochende für ungarndeutsche und in Ungarn ansässige deutsche Familien organisiert. Der Ort variiert sich von Jahr zu Jahr, das Ziel hingegen bleibt immer das Gleiche: die Be - gegnung und der Austausch ein- und zweisprachiger Familien mit ungarn- oder bundesdeutschem Hintergrund. Ein Anspruch, des- sen Bedeutung nicht oft genug betont werden kann, denkt man an die Bindekraft solcher Netzwerke. Die Kinder haben sich ausgetobt, die letzten Gute-Nacht-Mär - chen werden zu Ende gelesen. Die Erwachsenen versammeln sich zu einer Kennenlern- und Gesprächsrunde. Es wird schnell klar, aus wie vielen unterschiedlichen Quellen sich „Deutschsein” speist und wie vielfältig die eigene Identität sein kann. Dabei ist die Ge sprächs - runde ein Spiegelbild dessen: Neben ungarndeutschen Familien, in denen beide Elternteile donauschwäbischen Familien entstammen, sitzen binationale Ehepaare und deutsche Mütter und Väter, die sich mit ihren Familien au