Sonntagsblatt 1/2017 | Page 18

es im Land nicht . Unter den Parteien waren die Kommunisten und die Nationale Bauernpartei die größten Verfechter der Vertrei - bung .
„ Es gibt kein Erbarmen , es gibt keine Gnade . Wir fordern die radikalste Lösung : Alle Schwaben müssen vertrieben werden ”, forderte mit schäumendem Mund Imre Kovács von der Bauern par - tei , und vervollständigte so seine traditionelle Schwabenfeindlich - keit , die mit dem Antisemitismus der Völkischen wetteiferte . Die Sozialdemokraten waren die am meisten gemäßigten , aber am lautesten protestierten die Kirchen , die ihre Mitglieder schützten , wegen „ des Bevölkerungsaustausches , der an faschistische Metho - den erinnerten ”. „ Die Art der Erledigung wird über kurz oder lang die gleiche Beurteilung erfahren wie die ungarischen Nation heutzutage wegen der Ghettoisierung der Juden ”, schrieben die Evan - gelisch – Lutherischen 1946 .
József Antall sen . ( der Vater des ehemaligen Ministerpräsiden - ten , der als Judenretter ausgezeichnet wurde ) hat die Vertreibung als Minister beaufsichtigt , aber er spielte eine unschöne Rolle : „ Aus nationalpolitischer Sicht ist es ohne Zweifel , dass es im Interesse Ungarns liegt , dass die Deutschen in der größtmöglichen Zahl das Land verlassen . Es ist eine einmalige Gelegenheit , die Deutschen loszuwerden ”, erklärte er .
„ Wenn wir auf die Schwaben keine Rücksicht nehmen , dann sollten wir wenigstens auf uns Rücksicht nehmen , und vergessen wir es nicht , dass ein Dasein mit dem Geraubtem eine derartige Demolarisierung bedeutet , die einen größeren Verlust bedeutet als der ökonomische Wert des Geraubten ”, schrieb hingegen István Bibó , der auch deshalb der Kollektivschuld verwahrte , weil man auf diese Weise den Tschechen eine Vorwand geben würde , „ das Gleiche den unter ihre Herrschaft gekommenen Madjaren anzutun ”. Obzwar die offizielle ungarische Politik danach strebte , die Frage der Tschechoslowakeimadjaren von der der ungarischen Deut schenpolitik zu trennen , hatte sie dafür nach der kollektiven Stigmatisierung aber weder eine politische noch eine moralische Legitimation . Ein elementares Bedürfnis nach der Fortsetzung der Vertreibung der Schwaben bestand auch , weil man Platz für die Tschechoslowakeimadjaren benötigte – während dessen man sich auch um die Unterbringung des Agrarproletariats der Tiefebene , der Bukowina-Sekler und anderer Flüchtlinge kümmern musste . Wenns gefällt oder nicht : Die schandvolle Deutschenpolitik trug selber einer ähnlichen Vertreibung der Auslandsmadjaren bei , also die ungarische Politik vollzog ihr böses Schicksal nach dem Drehbuch der Beneš-Dekrete .
Erging es ihnen besser ? Ist doch gut , aber warum jammert einer rum , der nach West - deutschland vertrieben wurde und bereits in den Sechzigern Heimaturlaub mit dem Auto machte ? Das ist die letzte Legende , mit der wir aufräumen wollen . Es ist kein Zufall , dass mehr als zehntausend von ihnen in ihre Heimatdörfer zurückkehren wollten , aus denen sie vertrieben wurden : Einerseits vergingen bis zur materiellen Konsolidierung gut zwanzig Jahre , während die stolzen schwäbischen Landwirte als angelernte Arbeiter überleben mussten . Andererseits : 1950 war jeder Fünfte in der BRD mit ihren 60 Millionen Einwohnern Flüchtling – lasst uns das jetzt vorstellen , wo es wegen einer Million Flüchtlinge eine allgemeine Krise herrscht .
Die Volksdeutschen standen kulturell natürlich viel näher zur Mehrheitsgesellschaft wie beispielsweise die Afghanen , aber es gab auch damals große Konflikte , und auch damals waren die Alteingesessenen eher abweisend als mitfühlend . Man wurde wegen der ungarländischen schwäbischen Mundart ausgelacht , die fremden Sitten wurden geringgeschätzt . Die Einheimischen waren nicht froh , dass man ihnen Fremde aufhalste , so wünschten sie sich anfangs , dass man die Vertriebenen erst gar nicht aus den Aufnahmelagern rauslässt , es kam vor , dass man sie nur unter dem Schutz von amerikanischen Soldaten mit Maschinenpistolen zu ihren zugewiesenen Wohnorten bringen konnte .
„ Wir verstanden uns mit den Madjaren stets besser als mit den Deutschen . Nach der Vertreibung waren wir dort nur die ungarischen Zigeuner ”, erinnerte sich im Buch von Györgyi Bindorffer eine Frau , die wegen ihrer deutschen Herkunft deportiert wurde . Wie sie sagte : „ Wir waren Schwaben , gute Ungarn ”.

❖ Das Vertreibungsdenkmal in Schorokschar

Johann Wachtelschneider
Am 7 . und 8 . Mai wurde in einer würdigen und aufwändigen Feier an die Vertreibung der Schorokscharer Deutschen gedacht . Der Stadtbezirk und die Deutsche Selbstverwaltung haben keine Mühen gescheut , um dieser Katastrophe für das Deutschtum der Gemeinde zu gedenken .
Höhepunkt der Feierlichkeiten war die Enthüllung des Vertrei - bungsdenkmals auf dem Hősök-tere hinter der Kirche . Dieser Zeremonie mit kirchlicher Einweihung durch den Schorokscharer Pfarrer , Herrn Szerencsés Zsolt , wohnten Vertreter der Politik , der Bezirksverwaltung , Abordnungen der Deutschen Selbstverwal - tungen der Nachbargemeinden und eine große Anzahl von Scho - rokscharer Bürgern und den „ Ehemaligen ” aus Deutschland bei .
Für die Gestaltung des Denkmals hatten sich die Verantwort - lichen für den Bildhauer Sándor Kligl (* 1945 in Mosonma gyar - óvár ) entschieden . Der Künstler ist Mihály-Munkácsy-Preisträger und einer der bedeutendsten Bildhauer des Landes in der Gegenwart , auch mit internationaler Geltung . Kligl hat die Thematik „ Vertreibung ” auf seine künstlerisch unverwechselbare Art gelöst und ein würdiges Ambiente geschaffen .
Die Szenerie ist zweiteilig angelegt . Im Hintergrund steht ein „ Sparherd ” auf welchen noch ein größerer Suppentopf steht . Symbolisch für den schnellen Aufbruch und die letzte Mahlzeit – a guadi Rindsuppn oder nur a Grumbien-suppn ? – im eigenen Haus . Aber auch exemplarisch für das Zurücklassen des gesamten Hausrats und der landwirtschaftlichen Geräte des Hofes ! Die Küchentüre ( Haustüre ) bleibt halb geöffnet , der Schlüssel steckt im Schloss , denn das Haus musste offen bleiben für die „ Neusied - ler ”! Dieser ganze hintere Teil der Anlage , auch der Boden , wurde vom Künstler aus weißem Kalkstein ( Süttői mészkő ) gefertigt und soll das Vertraute , das Zuhause , das Heimatliche symbolisieren .
Aus der Türe sind soeben zwei Personen herausgetreten , eine junge Mutter mit ihrem kleinen Sohn , den sie an der Hand führt . Der Vater ist nicht dabei , wahrscheinlich bei der „ malenkji robot ” im Donbass ! Der Junge schaut zurück zu seinem Spielkameraden , einem Puli ( -hund ), der in der Nähe der Türe sitzen bleibt . Das Tier zeigt stellvertretend für alle Tiere Schorokschars den Weg der leidenden Kreatur – was ist nach der Vertreibung aus den Pferden , Kühen , Schweinen , Hunden , Katzen usw . geworden ?
Kligl schafft mit den Bronzefiguren einen scharfen Kontrast zum Weiß des Kalksteins und zeigt damit den Bruch im Leben der Teilfamilie , die das Vertraute verlassen muss und einer ungewissen Zukunft in der Fremde entgegensieht .
Die Figuren sind realistisch , oft bis ins kleinste Detail ( Kof fer - schlösser !) dargestellt . Die Mutter trägt ein gebundenes Kopftuch , eine geknöpfte Bluse , einen langen Rock , dazu die obligatorische Schürze ( Fiata ) und darüber einen leichten , kurzen Mantel . Hohe
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