Sonntagsblatt 1/2017 | Page 15

war zwar früher erschienen , entwickelte sich jedoch erst bis 1943 zum Millionenseller .
Erst 1946 erfuhr Norbert Schultze , wie beliebt sein Lied bei den Feinden war . Als er die Komposition im amerikanischen Militär - klub in Berlin spielte , wurde er wie ein Held gefeiert . Schultze er - hielt erst ab 1962 etwa 150 000 Mark jährlich , da seine Tantiemen bis 1962 als „ Feindvermögen ” beschlagnahmt blieben . Die anhaltende Popularität kann man an den anfallenden GEMA-Ge - bühren sehen : So erhielt die Witwe des Texters Hans Leip in den 80er Jahren rund 60 000 Schweizer Franken Tantiemen pro Jahr aus dieser Quelle .
Heute erklingt das Lied , gesendet durch den Soldatensender Radio Andernach , täglich gegen 22:56 Uhr . Noch heute wird das Lied jedes Jahr am Ende der Bergkirchweih in Erlangen gespielt . Traditionell wird das letzte Fass Bier vor tausenden Anwesenden zu den Klängen von Lili Marleen begraben .
Im Seebad Wremen ( Niedersachsen ) ist eine Straße nach dem Lied benannt ( Lili Marleen Straße ). Die Melodie des Liedes wurde mit neuem Text zur National - hymne der Karen National Union der Karen , einer ethnischen Minderheit und Separationsbewegung in Myanmar ( Birma ).
( Aus Wikipedia – gekürzt )

❖ Die Ausweisung der Deutschen aus Palotabozsok / Boschok nach Deutschland im Jahre 1947

Aussiedlung war die Bezeichnung für die Ausweisung bzw . Ver - treibung der Ungarndeutschen nach dem Zweiten Weltkrieg nach Deutschland , ein Lehnwort zu ung . kitelepitös . In anderen Dörfern sagte man Auslieferung . Die Ungarndeutschen verwendeten meistens die ungarische Bezeichnung kitelepítés . Sie war der dritte Ab - schnitt des Leidenswegs der Ungarndeutschen nach der Depor - tation der jungen Frauen und Männer im noch nicht wehrpflichtigen Alter nach Russland , nach der Enteignung des Vermögens und der politischen Entrechtung . Die Ausgewiesenen verloren die ungarische Staatsangehörigkeit .
Die Vertreibung der Deutschen begann im Januar 1946 in anderen von Deutschen bewohnten Regionen Ungarns , zuerst in der Ge meinde Budaörs , am Rande von Budapest , gefolgt von weiteren deutschsprachigen Orten der Umgebung . Die Vertreibung wurde dann für einige Zeit eingestellt , weil die westlichen Siegermächte in ihren Besatzungszonen die Annahme verweigerten . 1947 wurde sie fortgesetzt , nachdem die Russen für ihr Gebiet , die „ Russische Zone ”, die Ausgewiesenen annahmen .
In den für die Ausweisung vorgesehenen Dörfern gab es schon mehrere Wochen vorher sogenannte kitelepítési listák , „ Listen für die Aussiedlung ”, die Namen waren jedoch geheim . In Boschok sind die Leute , die auf der Liste standen , über die Hälfte der deutschen Bewohner , ohne Vorankündigung an einem Sonntag , am 7 . September 1947 , in der Frühe aus dem Schlaf geholt worden , sie müssen sofort packen , 25 kg pro Kopf , sie werden in zwei Stunden abgeholt und , nach Véménd gebracht und einwaggoniert . Die ersten hatten jedoch nur wenige Minuten Zeit zum Packen . Ins - gesamt waren es 85 Familien , 333 Personen . Für den Transport , für die „ Einsammlung ”, standen mehrere Lastwagen zur Verfügung . Am Bahnhof des Nachbarorts Vömönd standen die Waggons , Viehwaggons , schon bereit . In einen Waggon sind 15 Familien , im Durchschnitt 40 Menschen gepfercht worden . Die für die Ausweisung vorgesehenen Deutschen in Véménd wurden zur gleichen Zeit zum Bahnhof gebracht .
Die Bahnstation war bis auf ein Gleis abgesperrt , drumherum Tag und Nacht bewacht von unfreundlichen Hilfspolizisten in merkwürdiger Uniform , mit Gewehren in den Händen – die Leute nannten sie Partisanen . Einigen nahmen sie den Schmuck ab , Ohrringe , Taschenuhren , auch Geld , sogar Mehl und andere weniger wertvolle Sachen .
Die ganze Zeit gab es über 30 Grad Hitze , wer konnte , hat auf dem Waggondach geschlafen , weil die Hitze im Waggon auch noch in der Nacht unerträglich war . Es hat keine Verpflegung , kein Essen gegeben , die Leute haben das mitgenommene Essen aufgezehrt . Manchen wurde von zurückgebliebenen Verwandten Essen gebracht , das man nicht einmal aufwärmen konnte . Das Wasser wurde auf einem Bauernwagen in einem Fass bereitgestellt und war rar . Es gab nur 2 Liter pro Person und Tag , das reichte nicht einmal zum Trinken .
Für die Notdurft hat es nur eine Latrine gegeben , ein Loch , da - rüber ein Brett , umgeben von Maisstengelbüscheln als Sichtschutz . Die Kinder und die Alten konnten sie nur in Begleitung benutzen . Nach wenigen Tagen war sie voll . Danach mussten die Leute unter dieW Roten Kreuz oder von anderen Hilfsorganisationen gab es in der ganzen Zeit , in Véménd und beim Abtransport , keine Spur . Dass keine Epidemie ausbrach , grenzt an ein Wunder .
Ein erschütterndes Schicksal traf die Familie Czirjak . In ihrem Waggon waren 38 Personen samt Hab und Gut untergebracht . Ihre jüngere Tochter war erst acht Monate alt . Sie konnte nicht ihrem Säuglingsalter entsprechend ernährt und gewaschen werden . An warmes Essen oder ein Bad war gar nicht zu denken . Das Kind weinte unaufhörlich . Ein Polizist erbarmte sich und holte einen Eimer Wasser „ extra ” von einem Brunnen — der einzige Licht blick dieser Tage . Der Großvater , Martin Steiner , stürzte vom Waggon heraus auf die Schiene und wurde am Kopf schwer verletzt und bewusstlos . Er musste heimgebracht werden , die Familie durfte mit . Das Haus war jedoch verschlossen und plombiert . Den Todkranken legte man auf den Gang des Hauses , wo er am 12 . Sep tember in der Frühe um vier Uhr verstarb .
Auf inständiges Bitten bei der Gemeindeverwaltung wurde ihnen nur ein Zimmer , das einen separaten Zugang hatte , geöffnet , da ist er aufgebahrt worden . Nach seiner Beerdigung wollte man die Familie wieder in den Waggon bringen . Mit Bargeld , goldenen Ohrringen und sonstigem Schmuck wurde der zuständige Arzt bestochen , der unter irgendeinem Vorwand erreichte , dass die Familie zurückbleiben konnte . Sie bekam ein abrissfälliges Haus zugewiesen und stand vor dem Nichts , denn die Haustiere , die Schweine , das Geflügel waren von den ungarischen Nachbarn ge - stohlen worden . Ihr eigenes Haus samt der vollständigen Einrich - tung , Möbeln , Bildern , Kücheneinrichtung bekam ein Ungar , der aus der Slowakei ausgewiesen wurde . Dieser konnte sein ganzes Mobiliar , sämtliche landwirtschaftlichen Geräte , Brennholz , sogar sein Heu und Stroh von dort mitnehmen . Er wäre auf die im Haus verbliebene Einrichtung gar nicht angewiesen gewesen . Heraus - gegeben hat er jedoch nichts . Vereinzelt gab es aus der Slowakei ausgewiesene wohlhabende Ungarn , die sogar mit einem Sonder - zug gekommen sind . Es ging hier wesentlich humaner zu .
In niederträchtiger Weise haben nicht wenige die Schicksale der deutschen und der ungarischen Vertriebenen gleichgesetzt , und tun es heute noch . Die Ungarn setzten sich in das fertige Nest , die Deutschen , die in das vollkommen zerstörte Nachkriegs deutsch - land . Nach knapp zwei Wochen Aufenthalt am Bahnhof sind die Leute in der Nacht abtransportiert worden . Der Zug fuhr durch den Bahnhof Boschok mit beängstigender Geschwindigkeit , schneller als ein Expresszug . Die Schreie des Abschieds der Menschen hörte man durch die verriegelten Viehwaggons bis
( Fortsetzung auf Seite 16 )
15