Sonntagsblatt 1/2016 | Page 20

Die großzügigen und energischen Maßnahmen brachten ihre Früchte . In der Mitte des Jahres 1946 war schon ein System der Na tionalitätenschulen ausgebaut . Bis zu der Zeit wurden 21 Schu - len mit Serbo – Kroatisch als Unterrichtssprache eingerichtet , außer dem gab es 15 auf Serbisch unterrichtende griechisch-orthodoxe Schulen . Auf Rumänisch unterrichtende Schulen gab es 8 , dazu kamen noch die 4 rumänischsprachigen griechisch-orthodoxen Grundschulen . Die Slowaken hatten 11 Schulen mit Slowa - kisch als Unterrichtssprache . Langsam entfaltete sich auch der Mit tel- und Hochschulunterricht der Nationalitäten . In Békés - csaba wurde ein slowakisches Gymnasium , in Tótkomlós eine vierklassige Bürgerschule , in Fünfkirchen ( Pécs ) und in Frankenstadt ( Baja ) ein serbo – kroatisches Lyzeum und Lehrerbildungsinstitut eröffnet .
Trotz des guten Willens der ungarischen Regierung war die Entwicklung des Nationalitätenschulsystems nicht reibungslos . So nicht einmal bei den südslawischen Schulen , deren Entwicklung der Regierung – schon als Erwiderung der guten kulturellen Lage des in Jugoslawien lebenden Ungartums – sehr auf dem Herzen lag . Die südslawischen Eltern erhofften nämlich das Fortkommen ihrer Kinder vor allem von der Aneignung der ungarischen Spra - che , so drückten sie sich vor den Nationalitätenschulen . Zur Ent - haltung vermahnte sie auch das Gerücht , dass bei dem Bevöl - kerungsaustausch , über den die Verhandlungen noch liefen , vor allem die Bejaher der südslawischen Schulen ausgesiedelt würden . Im Frühjahr 1947 gab es außer 15 griechisch-orthodoxen serbischen und 2 römisch-katholischen südslawischen Schulen formell noch 42 südslawische Staatsgrundschulen – doppelt soviel also als vor einem Jahr – doch waren in 17 von denen keine südslawischen Schüler eingeschrieben und in 11 von den anderen 25 Schulen erreichte die Schülerzahl nicht einmal die in der Ver - ordnung bestimmte 15 Mann .
Die Lage des rumänischen Unterrichts in Hinsicht der Grundschulen war 1947 praktisch unverändert . Weiterhin gab es 8 staatliche und – den früheren 4 gegenüber – 3 griechisch-orthodoxe rumänisch unterrichtende Schulen . Dem Mittelschulunterricht war es aber ein großer Fortschritt , dass im Schuljahr 1946 / 47 in Jula ( Gyula ) das rumänische Gymnasium eingerichtet wurde .
1947 klärte sich langsam auch die bisher trübe und unübersichtige Lage der slowakischen Schulen . Obwohl den heimischen Slowaken ab 1945 ein ausreichendes Schulsystem zur Verfügung stand – noch 8 slowakische Grundschulen und 1 Gymnasium ( in Békéscsaba ) – doch war das Schicksal dieser Schulen lange noch unsicher . Nicht nur der Verzug der tschechoslowakisch – ungarischen Verhandlungen über den Bevölkerungsaustausch verhinderte die slowakische Schulung , sondern auch die – die tschechoslowakische Ansicht teilende – Auffassung der heimischen Slowa - ki schen Leiter , der nach die nationale Minderheiten mittels Be - völ kerungsaustausch beseitigt würden , folglich blieben Zehn - tausende von ungarischen Kindern jahrelang ohne Schule . Die ungarische Regierung war mit dieser Auffassung nicht einverstanden , und nicht einmal als Retorsion wurden in Ungarn die slowakischen Schulen aufgelassen . Diese Schulen wurden aber – auf die Hetze ihrer Leiter – gerade von den heimischen Slowaken boykottiert , soweit , dass das slowakische Gymnasium in Békéscsaba 1947 keinen Schüler hatte .
In der Nationalitätenfrage war aber auch der ungarische Standpunkt nicht konsequent . Während die ungarische Regierung das Auflassen der ungarischen Schulen in der Slowakei verurteilte , hat sie denselben Fehler seiner eigenen Nationalität , den Deutschen gegenüber begangen . Ende September 1945 wurde ein Entwurf über den Nationalitätenunterricht angefertigt , dessen Punkt 23 . erklärt : „... die deutschsprachigen Eltern , die Mitglieder des Volksbunds waren , dürfen bis 1 . Januar 1950 die in dieser Ver - ordnung gesicherten Rechte nicht ausüben ( die Nationalitäten - schu lung also ; B . B .).” Am 10 . Februar 1947 wurde der Pariser Friedensvertrag zwischen Ungarn und der Tschechoslowakei unterzeichnet und das begünstigte die Beendung der sich verzogenen und komplizierten Beratungen über den Bevölkerungsaustausch . Die Slowaken selbst verlangten jetzt das Einrichten von slowakischsprachigen Schulen in Békéscsaba , Tótkomlós , Szarvas , Gerendás , Csabacsûd und Kenderes . In den ersten zwei Siedlungen wurde gleich mit dem Unterricht angefangen und auch in den anderen wurde eine baldige Lösung versprochen - Die Wende 1947 / 48 in Ungarn schien neue Möglichkeiten für die Lösung der Nationalitätenfrage zu bieten . Das wurde auch von der im Sommer 1948 gegründeten kommunistischen Einheits - partei , von der Partei der Ungarischen Werktätigen versprochen in ihrer Programmerklärung . Die Verpflichtung der Ungarischen Volksrepublik der Gleichberechtigung der Nationalitäten gegenüber bewies auch der Gesetzartikel Nr . LX . des Jahres 1948 , der die Verfassung der Organisation der Vereinten Nationen für Er - ziehung , Wissenschaft und Kultur ( UNESCO ) inartikulierte . Noch größere Bedeutung hatte die im Sommer 1949 verabschiedete Verfassung , dessen § 49 . erklärt : „ Die Staatsbürger der Unga - rischen Volksrepublik sind vor dem Gericht gleich und genießen die selben Rechte . Jede nachteilige Unterscheidung der Bürger nach Geschlecht , Konfession oder Nationalität wird gesetzlich streng bestraft . Die Ungarische Volksrepublik sichert jeder Na - tionalität auf ihrem Gebiet die Möglichkeit des Unterrichtes in der Muttersprache und der Pflege der Nationalitätenkultur .”
Obwohl die Verfassung den Nationalitäten zweifelsohne breite Rechte sichert , hat sie einen großen Mangel : die Nationalitäten - rechte werden hier bloß deklariert , aber nicht garantiert . In der künstlich gemachten euforistischen Stimmung der damaligen Zei - ten ist es aber niemandem aufgefallen , umso weniger , da die Ur - sachen , die die Nationalitätenprobleme immer aktuell hielten , sich zu lösen schienen : die deutschen Aussiedlungen und der tsche choslowakisch – ungarische , bzw . jugoslawisch – ungarische Bevölkerungsaustausch .
Die Angst vor dem Bekenntnis der Nationalitätenzugehörigkeit löste sich aber nur sehr langsam auf . Das beweist die erste Volks - zählung nach dem zweiten Weltkrieg , die am 1 . Januar 1949 durch geführt wurde . Bei dieser Volkszählung bekannten sich der Muttersprache nach 22 455 als Deutsche , 14 713 als Rumäne , 30 054 als Südslawe und 25 988 als Slowake , die Zahl der Nationalitäten - angehörigen erreichte also kaum die 92 210 . Die neugegründete Nationalitätenabteilung des Ministeriums für Kultus und Unterrichtswesen sammelte bis Ende 1948 die Ergebnisse und die bevorstehenden Aufgaben auf dem Gebiet des Nationalitätenunterrichts und veröffentlichte sie . Das Bild machte von beiden Seiten einen positiven Eindruck . Zwar hat sich die Zahl der slowakischen Schulen zur Lage Mitte 1946 von 11 auf 7 vermindert , diese Tatsache ist aber mit den Heimsuchungen des Bevölkerungsaustausches zu erklären . Die Zahl der südslawischen Schulen war der Lage Mitte 1946 gegenüber ( 21 staatliche und 15 kirchliche , also insgesamt 36 Schulen ) 1948 / 49 auf 60 erhöht . Die Rumänen hatten Mitte 1946 8 staatliche und 4 kirchliche , insgesamt also 12 Schulen . 1948 hatten sie fast das Zwei - fache , 23 ; 8 davon mit Rumänisch als Unterrichtssprache , 15 mit Rumänisch als Schulfach . Als Vorzeichen der Änderung in der deutschen Nationalitätenpolitik – und damit ja in der Schulpolitik – werden 1950 auf den deutschsprachigen Gebieten einige Schu - len eingerichtet , in denen die Muttersprache als Schulfach . in 2 Stunden pro Woche unterrichtet wird . Diese vielversprechende Entwicklung des Nationalitätenunter - richts wurde von der dogmatischen – sektiererischen Politik , die in
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