Sonntagsblatt 1/2015 | Page 8

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„ Mein Vater war ein Wandersmann und mir steckt ’ s auch im Blut , drum wand ’ r ich froh , so lang ich kann , und schwenke meinen Hut . Valleri , vallera , – valleri , vallera-ha-ha-ha-ha-ha , – valleri , vallera , und schwenke meinen Hut .”
Eines solchen harmlosen Liedes wegen wurden aber der Prog - rammgestalter ( dessen Name mir nicht mehr geläufig ist ) und der Kapellmeister Franz Heinrich von den Gendarmen angezeigt und vor das Gericht gestellt , weil sie , wie es in der Anklage hieß , „ durch das » Ha-ha-ha-Spottlied « die Gendarmerie lächerlich gemacht und somit den Tatbestand der Behördenbeleidigung und Missachtung erfüllt haben .”
Wohlgemerkt , dieser Hass gegen die Nationalitäten und insbesondere gegen das Ungarndeutschtum zeigte sich hauptsächlich nur „ OBEN ”, d . h . in Regierungsämtern , in der Verwaltung , bei Gericht und Militär , Schule und Kirche u . a ., nicht aber unter dem einfachen Volk . In Ortschaften mit gemischter Bevölkerung ha - ben sich die Menschen sehr friedlich und freundlich miteinander vertragen . Da ich jene Zeit miterlebt habe , kann ich das bezeugen . Mein Geburtsort war zu gut 90 % von Deutschen bewohnt . Die wenigen Madjaren und Bunjewatzen ( Raitzen ) konnten ( fast ) alle Deutsch und somit wurde im Ort nur Deutsch ( schwäbische Mundart ) gesprochen . Das war – könnte man sagen – für den Stipan , Pero , Tuntscha oder Joschka und Jenô und auch für den Sami mit seiner Rosa ganz selbstverständlich . Niemand hat deswegen protestiert oder Vorwürfe gemacht . Unter meinen Spiel - kameraden waren auch Kinder mit eben genannten Namen , da - runter auch der Juda-Edi , der von allen besonders angesehen war . Ja , mit Großvater ging ich oft mit zur Schwartz-Familie ( Juden ), weil die schon damals ( Anfang der dreißiger Jahre ) ein Radio hatten und es dort manchmal auch Matzes gab . Hatten die Schwartzens Besuch aus Budapest ( Weiner-Familie ), so waren die natürlich auch unsere Gäste . Taglöhner , Schnitter , Handwerker waren überwiegend Nicht-Schwaben , was aber zu keinerlei Rei - bereien führte . Die Obrigkeit / Intelligenz ( dazu können gezählt werden : Pfarrer , Gemeindearzt , Apotheker , Konstabler-Führer , Lehrer ) jedoch zeigte Hochmut , der auch in Hass ausartete . In den benachbarten madjarischen Dörfern waren die Menschen freundlich und friedlich . In der Stadt dagegen war das Bild schon ein anderes . Da lief die Madjarisierung auf Hochtouren und bald war der Judenhass öffentlich sichtbar und der Schwabenhass spürbar . Beide wurden „ amtlich ” gefördert und betrieben .
Ein Thema , schwer kurz zu erklären , das heute – leider – oft falsch dargestellt wird . MERKWÜRDIG !
Vor 20 Jahren

Eine merkwürdige Fehlentscheidung – Auflösung des Verbandes der Ungarndeutschen

Aus den ersten Kommunalwahlen vom 11 . Dezember 1994 , in denen gleichzeitig auch die Minderheitenselbstverwaltungen nach dem Minderheitengesetz gewählt wurden , sind 124 deutsche Selbst verwaltungen hervorgegangen , mit insgesamt 751 gewählten Vertretern ( je Selbstverwaltung 3 oder 5 Personen ). Infolge einer Nachwahl Anfang 1995 ist die Zahl der Deutschen Selbst ver - waltungen auf 162 angestiegen . Somit gab es also Anfang 1995 den Verband der Ungarndeut - schen und daneben auch schon gewählte Selbstverwaltungen , denen die Aufgabe noch bevorstand ein an der Spitze stehendes Organ , eine Landesselbstverwaltung zu wählen .
Wie nun weiter ? Für den Verband ( der sich laut Satzung von 1990 auch schon als Landesselbstverwaltung deklarierte ) gab es drei Möglichkeiten . Der Verband bleibt auch weiterhin ( neben der neuen Landesselbstverwaltung ) bestehen , – der Verband wird um - ge wandelt – der Verband löst sich auf .
Das Präsidium des Verbandes entschied am 10 . Februar 1995 für die Einberufung des Kongresses , dem die Empfehlung für das Auflösen des Verbandes vorgelegt werden sollte .
Am 10 März 1995 tagte der Kongress . Dieser hat mehrheitlich für die Auflösung gestimmt . Die „ Jakob Bleyer Gemeinschaft ”, der „ Deutsche Kulturverein Budapest ” und die Vertreter der „ Re - gion Nord des Verbandes ” votierten gegen die Auflösung und wa - ren für eine Umwandlung des Verbandes in eine unabhängige , kulturpolitische zivile Organisation als „ Union Deutscher Vereine ”.
Rückblickend kann festgestellt werden , dass die Auflösung des Verbandes eine tragische Fehlentscheidung war . Eigentlich unverständlich , wie damalige Vertreter des Ungarndeutschtums , die doch eigentlich sich nach Besserung und Fortschritt sehnten , den im Erwachen begriffenen Verband für tot erklärten , d . h . eintauschten für eine staatlich organisierte und kontrollierte neue Organisation , eine ( damals ) vom ungarischen Volk ( nicht von den eigenen Landsleuten !) gewählte ( sogenannte ) Deutsche Selbst - ver waltung . Es hätte doch – auch damals – jedem klar sein müssen , dass dieses von der Regierung den Minderheiten aufgedrängte ( eigentlich den Forderungen des „ Minderheiten-Rundtisches ” vielfach widersprechende ) Selbstverwaltungssystem nicht der oben bereits zitierten Aussage des J . Antall („ eine auf die Selbstor - ga ni sation der Minderheiten bauende , diese aktiv fördernde Minder - heitenschutzpolitik ”) gerecht wird .
Schon am Tag nach dem Kongress , also am 11 . Februar kamen von den 751 gewählten Elektoren – Vertreter der lokalen Selbst - verwaltungen – 599 zusammen und wählten 53 Personen in die Vollversammlung der Landesselbstverwaltung . Diese erhielten einen Monat später ihre Beglaubigungsurkunde von der Regie - rung , worauf sie zu einer Sitzung antraten und den Vorstand der Landesselbstverwaltung wählten . Vorsitzender wurde Dr . Jenô Kaltenbach ( bis dahin Vorsitzender des Kontrollausschusses des Verbandes ). Einer der vier Stellvertreter war Lorenz Kerner aus Fünfkirchen . Die Pikanterie dieser Wahl lag darin , dass man zur Zeit der Wahl bereits wusste , dass Kaltenbach vom Parlament als Ombudsmann der Minderheiten ( Fürsprecher beim Parlament , sozusagen Beratender ) vorgesehen ist . Er wurde auch sehr bald dafür ernannt und übergab seinen Posten an Lorenz Kerner . Zwanzig Jahre sind seither vergangen und inzwischen ist viel geschehen . Bekannte Personen kamen – und gingen . Probleme gab es und gibt es . Vorsätze , Pläne , Versprechen wurden verlautbart – und ??? Ja , was ist wirklich geschehen ?
Die Frage von damals muss auch heute gestellt werden : Hat das Ungarndeutschtum eine Zukunft ?
Eine merkwürdige Frage ? Vielleicht doch nicht . Weil wir zur Lage auch heute noch feststellen müssen : „ Wie ’ s nicht sein soll !” – gemäß einem vor 31 Jahren in der „ Neue Zeitung ” ( Budapest , 28 . Januar 1984 – Seite 1 ) erschienenen Artikel . Bitte lesen :
Wie ’ s nicht sein soll !
„ Ja , ja die Schule . Deutsch hatten wir schon , aber sprechen gelernt haben wir da nicht . Nur Sätze wie ‚ Das ist der Vater ’ oder ‚ Das ist der Stuhl ’. Das ist doch kein Unterricht ”, meinte ein junger Mann auf meine Frage , ob er denn nicht in der Schule Deutsch gelernt habe . „ So kann man keine Sprache erlernen , wie das heutzutage in den Schulen versucht wird . Was sind schon drei bis vier Stunden , zumal
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