SchollZ SchollZ 12/2013 (Ausgabe 9) | Page 51

SchollZ außen war der Weihnachtsmarkt friedlich und schön , aber wenn man das Treiben hier genauer betrachtete , merkte man , dass etwas nicht stimmte : die heimlich hin und her huschenden Blicke , das verschwörerische Augenzwinkern ... Hier lief nicht alles so wie es sollte ; heimliche Geschäfte , schreckliche Versprechen . Wenn in dem Punsch etwas drin war , das da nicht rein gehörte , dann wäre meine ganze Ausbildung umsonst , ich würde alles vergessen ... Aber ich musste es wagen , für die Kinder in der Welt , für Kre , für mich . Ich hob den Becher an meinen Mund und trank entschlossen einen großen Schluck . Dann wartete ich , was wohl gleich mit mir passieren würde ? Entweder gar nichts oder aber ich würde in der nächsten Sekunde umkippen und ein halbes Jahr im Koma sein und außerdem würde ich dann alles vergessen , was ich in meinen 1 3 Lebensjahren von Kre gelernt hatte , mal schauen . Es passierte nichts , noch nichts , schließlich hatte ich den Punsch erst vor ein paar Sekunden getrunken . Aber nach elf Minuten stillem Dastehen bewegte ich mich langsam , der Punsch war anscheinend nicht illegal . Sofort lies ich den Becher fallen und der Rest der warmen Flüssigkeit ergoss sich vor meinen Füßen . Ich lehnte mich weit über die Theke und blickte dem Mann mit der roten Knubbelnase fest in die Augen . „ Könnte ich bitte alles von dem Punsch kaufen ?“ fragte ich ihn mit fester Stimme . „ Hat er ihnen so gut geschmeckt ? Aber es tut mir leid , wir dürfen ihn nicht verkaufen , nicht alles .“ Anscheinend verstand er noch nicht richtig , aber das würde er schon noch tun . Er hielt meinem Blick nicht lange stand und schaute sich hilflos um . Aber da war keiner . „ Passen sie mal auf mein Herr ! Ich gebe ihnen 2 . 000 Euro , mehr nicht und weniger nicht !“, Kre hatte mir zum Schluss noch gesagt , ich könnte so viel Geld ausgeben wie nötig und er hatte mir unauffällig 5 . 000 Euro zugesteckt . Das hatte ich natürlich gemerkt , ich hatte besonders gute Augen und wenn ich wollte konnte ich mit meinem Blick auch Leute zum Weinen bringen . Der Mann blickte mich mit riesengroßen Augen an . „ Na wenn das so ist , werde ich natürlich noch mal mit meinem Chef sprechen , aber sie müssen kurz warten , ich will ihn anrufen !“ beeilte sich der dicke Mann . Er verschwand und die Leute hinter mir regten sich auf und viele gingen einfach zum nächsten Stand . Nur zwei waren noch da , ein Ehepaar . Es unterhielt sich gerade über Atommüll und Babynahrung , ich wartete ungeduldig und lauschte auf das Gespräch des
Punschverkäufers und seinem Chef . Das war doch nicht zu fassen ! Sie sprachen gerade über die Bedienung eines Computers ! Nach einer gefühlten Stunde wurde es mir zu viel , ich sah mich verstohlen um und huschte schnell um den Stand herum . Da stand er , der Verkäufer und unterhielt sich mit einem seligen Lächeln übers Kochen . Ich wartete bis er mir den Rücken zuwandte und flitzte durch die Hintertür in den Stand . Ich bückte mich schnell hinter der Theke und kramte ungeduldig ein Bündel Geld aus meiner Jackentasche , dass müssten ungefähr 2 . 000 Euro gewesen sein . Dann schaute ich mich hastig nach einem Stein um , legte das Geld darunter und kritzelte schnell eine Notiz auf ein Taschentuch : Lieber Herr ! Ich bin wahrscheinlich schon über alle Berge wenn sie das hier lesen . Vielen Dank für den Punsch ! Die 2 . 000 Euro habe ich ihnen hier gelassen ! Auf Wiedersehen ! Ich ließ das Taschentuch fallen als ich hinter mir hörte wie sich der Verkäufer von seinem Chef verabschiedete und sprang über die Theke und riss aus Versehen einen Porzellan-Weihnachtsmann mit mir , der dann schäppernd auf dem Boden in tausend Teile zersprang . Aber ich rannte trotzdem weiter , meine Mütze wehte mir vom Kopf , aber das war egal , ich hörte nur noch wie eine immer leiser werdende Stimme nach mir schrie . Dann hob ich endlich ab und hörte nichts mehr , nur den rauschenden Wind , mit dem ich jetzt immer höher in die Lüfte stieg und zurück nach Karaban flog .
„ Und was hast du heraus gefunden ?“ fragte mich Kre ruhig . Nach meiner Ankunft in Karaban hatte er mich sofort abgefangen , ich konnte ihn noch überreden , mich wenigstens eine Stunde auszuruhen , denn zu fliegen ist sehr anstrengend . Die Kanister mit Punsch hatte ich ihm schon mal dort gelassen . „ Der Punsch ist vorzüglich , keines Falls illegal ! Du kannst ihn gerne an alle Kinder verschenken !“ antwortete ich matt . „ Gut gemacht , Lu ! Wirklich gut , ich überlegte schon , dich zu befördern , aber das würdest du wahrscheinlich nicht so gerne wollen , hm ?“ überlegte er leise . Doch er beantwortete sich seine Frage schon selbst , bevor ich überhaupt darüber nachdenken konnte . „ Nein , ich denke es ist noch zu früh , aber freue dich schon auf die Zeit bei Milo ! Sie ist mindestens um das hundertfache so anstrengend wie dein letzter Auftrag ! Aber glaub mir , du wirst das schaffen ! Du bist schließlich einer meiner besten Wakris !“
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