's Dorfblattl Haiming - Digitalausgabe Dorfblattl Haiming Herbst 2015 - 04/15 | Page 26

´s Dorfblattl Haiming Ein Blick in die Geschichte - Haiming 1852 Für ein halbes Kilogramm Kaffee ein Tag schwere Arbeit W ir schreiben das Jahr 1852. Auch in Haiming leidet die Bevölkerung unter den Nachwirkungen der Wetterkapriolen des Vorjahres. Nässe und Kälte haben den „Türken“ nicht wachsen lassen, der Roggen ist im Winter unter Schnee bei offenem Boden erstickt und ausgestorben. Die Erdäpfel sind wieder faul geworden. Durch das knappe Angebot an bäuerlichen Erzeugnissen explodieren die Preise. Die Maß Wein kostet 28 Kreuzer, die Halbe Bier 4 1/2 Kreuzer, Branntwein die halbe Maß 36 bis 40 Kreuzer. Der Mangel an Silbergeld wirkt sich ebenfalls negativ auf die wirtschaftlichen Verhältnisse aus. Chronik In Haiming leben zwischen 930 und 940 Menschen. Die Häuseranzahl in Haiming und Steigge mit Magerbach beträgt 116. Als Gemeindevorsteher fungiert Nikolaus Stigger, ihm zur Seite steht Johann Stigger als erster Gemeinderat. Weitere bedeutende Funktionen erfüllen der Kirchprobst und zweite Gemeinderat Isidor Kuen. Er führt im Dorf, Hausnummer 33, mit seiner Gattin Maria Scherer eine Krämerei, seine Tochter Anna heiratet den Simon Wegleiter aus Tscherms bei Meran. Dieser führt nach dem frühen Tod seiner ersten Frau die Krämerei weiter. Isidor Kuen stirbt im Mai 1876 im 71. Lebensjahr. Kuen ist an vorderster Front für die Organisation und Finanzierung der Neugestaltung des Kirchturmes verantwortlich. Eben in diesem Jahr 1852 wurde nämlich eine Vergrößerung und Verzierung des Turms vorgenommen - derselbe wurde mittels einer Laterne und einer neuen Kuppel erhöht. Dieser Baumaßnahme verdanken wir auch diesen Situationsbericht über das Leben in Haiming anno 1852 - nach Bau- und Restaurationsmaßnahmen war es üblich, in der Kirchenkuppel Informationen über die Pfarre und Gemeinde des jeweiligen Jahres zu hinterlegen. Für die Seelsorge sind Hochwürden Kurat Franz Leopold Sterzinger und Kooperator Joseph Grassmayr tätig. Josef Stocker fungiert als Chirurg, Alois Etschmann als Lehrer und Messner. Josef Stocker ist auch als Wundarzt und Totenbeschauer tätig, seine Spuren finden sich in Haiming noch im Hausnamen „Bader‘s“ (Familienname: Haid) - als Bader bezeichnete man weitläufig die Ärzte der kleinen Leute. Die Tätigkeit der „Bader“ war vielfältig - sie reichte von Assistenzeinsätzen bei Chirurgen bis zum Aderlass und Zähne ziehen. Den Plan zur Umgestaltung des Turmes machte der hiesige Zimmermeister Joseph Schöpf, der mit seinen vier Gesellen Joseph Nagele, Marinus Gager, Joseph Scherer und Johann Köttner die Bauarbeiten zur vollkommenen Zufriedenheit durchgeführt hat. Den Putz und die Ausbesserung des Mauerwerkes machten Marzellus Götsch und Johann Raffl, Maurer von hier. Der Lohn beträgt für den Meister 44 Kreuzer, der Gesellen 40 Kreuzer am Tag. Durch den Zimmergesellen Joseph Nagele wird der neue Goldknopf mit dem Kreuz auf den neugestalteten Turm ausgesetzt, dessen Vergoldung beim dem Goldarbeiter Paulin Reitmair in Innsbruck mit sieben Gulden per Quadratschuh bedungen worden ist. 1852 kostet ein Zentner Heu 3 bis 4 Gulden. Für ein Pfund Schmalz muss man 40 Kreuzer zahlen, für ein Pfund Zucker 30 Kreuzer, für ein Pfund Kaffee 40 Kreuzer. Das Starland Feld wird um 160-200 Gulden verkauft. An Papiergeld sind folgende Sorten im Umlauf: 6 Kreuzer, 10 Kreuzer, 1 Gulden, In der Kuppel der Pfarrkirche Haiming wurden für nachfolgende Generationen wertvolle Informationen hinterlegt. Seite 26 Herbst 2015 5 Gulden, 10 Gulden, 50 Gulden, 100 Gulden, 1000 Gulden. Ein weiteres Dokument wurde in der Kirchenkuppel vom Schmiedemeister Alois Schilcher und Postmeister Georg Schilcher im Jahre 1912 hinterlegt. In dem Bericht wird zuerst auf die Familiengeschichte Bezug genommen:“... von Johann Schilcher (Schmied aus Telfs) und Hildegard leben heute noch fünf - Anna, Elisabeth, Aloisia, Alois und Georg. Nur Alois hat sich mit Agnes Stigger (Zickeler) getraut, dessen Ehe 8 Kinder, wovon heute 5 leben, der älteste Sohn Johann ist heute 9 Jahre alt, Georg, Franz, Lina und Hildegard....“. Dann beschreiben die Schilcher ihre Tätigkeit und stellen fest, dass die jeweiligen Besitzer des Schmied-Anwesens in finanzieller Hinsicht sehr gut dastehen. Gewöhnlich arbeiten der Meister, ein Geselle und ein Lehrling. Die gewöhnliche Schmiedearbeit kostet 80-90 Heller. Ein neues Hufeisen kostet 30 Heller, ein Waggon Steinkohlen 10.000 kg 40 Kronen. Die Kommunionbank in der Kirche wurde vom Schmied Alois Schilcher gratis gemacht. Anmerkungen: 1 Tiroler Pfund sind ca. 0,56 kg. 1 Starland in Haiming sind 721,58 m2. 1 Gulden (=60 Kreuzer) des Jahres 1852 entspricht heute ca. € 14,80 (Quelle: Inflationscockpit der OENB). Umgerechnet hat damals also ein Liter Wein rund 7 Euro gekostet, die halbe Bier einen guten Euro. Die Gesellen haben am Tag etwa 5 Euro verdient, für den Erwerb eines Starlandes Feld musste man umgerechnet zwischen 2.300 und 3.000 Euro berappen. Eine Krone im Jahre 1912 entspricht nach heutiger Kaufkraft € 5,24. Ein Waggon Steinkohlen hat also „nur“ gut 200 Euro gekostet. Ein Hufeisen knapp 2 Euro. (Text und Fotos: Manfred Wegleiter)