's Dorfblattl Haiming - Digitalausgabe Dorfblattl Haiming Frühjahr 2016 - 02/16 | Page 16

´s Dorfblattl Haiming Brauchtum und Tradition Bitten und Beten im Wandel der Zeiten I Chronik m alten Huaminger Bauernjåhr hatte noch jeder Tag einen Namen; Arbeiten und Feiern bereicherten das Leben im exakt festgelegten Rhythmus des Jahreskreises. Das Brauchtum war tief im Volksglauben verankert. Mit den unter dem Schutzmantel der Kirche geübten Ritualen lösten die Menschen ihre Ängste und schöpften daraus in schwierigen Zeiten auch Hoffnung und Zuversicht. Die Existenz der Bauern schien nämlich ständig von Unheil bedroht. Die Menschen wussten, dass sie auf den „Segen von oben“ angewiesen sind, sie beteten dafür und baten darum. Im Lauf der letzten fünf Jahrzehnte ist einiges an Bräuchen verloren gegangen; bisweilen sind nur noch „Relikte“ erhalten; von den einst zahlreichen Prozessionen und Wallfahrten um gutes Wetter bzw. um Schutz vor Katastrophen ist in Haiming nur mehr ein Bittgang in jeder der Pfarren übrig geblieben. Im 19. Jahrhundert huldigte man in Oberinntaler Gemeinden be- reits am 23. April dem heiligen Georg als „Wetterherrn“ und Viehpatron. Die erste Bitt-Prozession war auf den Marxn-Tag (Markus, 25. April) angesetzt. Weitere fixe Tage, um Segen für die Felder und Schutz vor Unwettern zu erbitten, waren der 3. Mai (Auffindung des hl. Kreuzes), der 12. Mai (Fest des hl. Pankraz), der 16. Mai (Fest des hl. Nepomuk) und der Sonntag nach Kassian (13. August); letzter Termin für einen Bittgang war der 14. September, am Fest der Kreuzerhöhung. An diesem Tag galt nämlich das Wachstum der Pflanzen als abgeschlossen, deshalb hörte mit diesem Tag auch der Wettersegen auf, der seit 3. Mai nach jeder Messe gespendet worden war. Fix, bei wechselndem Datum, waren auch die Bittprozessionen an den drei Tagen vor Christi Himmelfahrt; es waren die „eigentlichen“ Bitttage. Zum dritten Tag dieser „Bittwoche“ ist in der Silzer Pfarrchronik verzeichnet: Mittwoch - Die Haiminger kommen gegen 6 Uhr nach Silz, in der Silzer Pfarrkirche feiert der Haiminger Seel- sorger die Segensmesse. Gegen 6.45 Uhr ziehen die Silzer mit den Haimingern zurück nach Oetz, wo eine Predigt gehalten wird. Den Pfad des Bittgangs nach Silz säumten einst 15 RosenkranzBildstöcke mit den Motiven des „Marianischen Psalters“. Das bedeutete: Den Bittenden war das Beten des freudenreichen, des schmerzhaften und des glorreichen Rosenkranzes vorgegeben. Zur Frage, warum die Leute solche Auflagen und Strapazen auf sich genommen haben, findet sich im Lexikon für Theologie und Kirche (1994) unter Bittprozession folgende Erklärung: „….Da ausbleibender Segen und Unheil als Folgen menschlicher Schuld begriffen werden kann, haben Bittprozessionen auch Bußcharakter.“ Für eine Neu-Orientierung bzw. für eine Anpassung der Bittprozessionen an Gegebenheiten des 21. Jahrhunde