Praxis
P R O J E K T: A N TA R K T I S
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„Verlasst auch mal
den Mainstream!“
Tim David Müller-Zitzke, Dennis Vogt,
Michael Ginzburg
Tim, Dennis und Michael sollten eigentlich „etwas
Vernünftiges“ machen – und drehten stattdessen
einen Kinofilm in der Antarktis. Uns erzählen sie
über ihr Abenteuer.
Interview: Ruben Schäfer
Erzählt mal, kann
man einfach so in
die Antarktis reisen?
Einfach war es nicht,
aber dass so ein Unter-
nehmen mit vielen Hür-
Alle drei sind freiberufliche
den verbunden ist, war
Filmemacher und Fotografen.
uns klar, immerhin ist
Sie verband der gemeinsame
die Antarktis 14.000
Traum, einmal in die Antarktis
zu reisen. Doch damit nicht
Kilometer entfernt von
genug, über die erfolgreiche
Deutschland und durch
Expedition wollten die drei
die Drake-Passage von
auch einen Kinofilm machen.
der südamerikanischen
projektantarktis.de
Küste getrennt. Sie gilt
als die stürmischste Seepassage der Erde mit über
15 Meter hohen Wellen. Die Kosten einer solchen
Expedition sind enorm hoch und die Antarktis ist
ein lebensfeindlicher Kontinent. Somit war es von
Beginn an schwierig, dort hin zu kommen. Man
sagt, wer die Drake-Passage nicht übersteht, der
hat in der Antarktis nichts verloren.
Wie habt ihr das dann realisiert? Habt ihr auf einem
Schiff als Tellerwäscher angeheuert?
Michael arbeitet als Expeditionsleiter auf einem
Expeditionsschiff, dort konnten wir eine kleine
Kabine bekommen. Kein Luxus, aber eine Reise-
möglichkeit und unser Ticket in die Antarktis. So
sind wir einem Monat lang auf dem ehemaligen
russischen Forschungsschiff Ortelius mitgereist.
Die Arbeit im ewi-
gen Eis verlangte
von Mensch und
Maschine alles.
Hubschrauber,
Schlauchboote,
Forschungsschiff –
einen Monat lang.
Hattet ihr auf der einmonatigen Reise bestimmte
Ziele oder wart ihr reine Passagiere? Gab es ein
Drehbuch oder entstand die Produktion spontan?
Normalerweise wären wir „nur“ Passagiere gewesen.
Da Michael jedoch alle erforderlichen Lizenzen hat,
um sich in der Antarktis bewegen zu dürfen, hatten
wir die Möglichkeit, auch selbst mit dem Schlauch-
boot auf eigene Faust losziehen. Das Konzept des
Films war von Beginn an als Reisedokumentation
ausgelegt. Wir hat-
ten kein festgeleg-
„Wer die Passage
tes Script, allerdings
nicht
übersteht,
schon grobe Ziele, wie
die Kolonie der Kaiser- hat in der Antarktis
pinguine. Was sich
nichts
verloren.“
als sehr schwer ent-
puppte, da die Vögel
weit im Landesinneren brüten und das Eis zu dünn
ist, um mit einem Helikopter zu landen. Ansonsten
standen Landschaftsaufnahmen im Mittelpunkt,
aber auch die weitere Tierwelt mit Walen und an-
deren Pinguin-Arten. Der Film nimmt die Zuschau-
er mit auf die Reise. Wir wollten sie so authentisch
und nahe wie möglich dabeihaben und letztendlich
motivieren, auch selbst mal etwas zu wagen, der
eigenen Passion zu folgen und nicht immer den
angenehmsten Weg zu wählen. Wagt euch auch
mal aus dem Mainstream heraus!
Kommen wir zu eurem Equipment. Bei den klima-
tischen Bedingungen sind die Geräte doch beson-
ders gefordert, wie habt ihr das gemacht und was
habt ihr genutzt?
Die Arbeit war extrem anspruchsvoll. Bei Tempera-
turen zwischen -20°C und -30°C und viel Spritzwas-
ser auf dem Schlauchboot galt es jede Nacht, die Ka-
meras zu trocknen und säubern. Auch die tägliche
Datensicherung war wichtig, insgesamt kamen 32 TB
an Filmmaterial zusammen, zuzüglich den Fotos. Bei
den Fotos kam die Canon EOS 5D MK III zum Einsatz,
eine robuste und spritzwassergeschützte Kamera,
auf die man sich verlassen kann. Als Optik war das
EF 16-35mm f2.8L II USM die erste Wahl. Weiterhin
war das Sony #alphaddicted-Paket dabei. Das ist ein
ganzer Koffer mit Zeiss-Objektiven für alle erdenk-
lichen Situationen. Als Body nutzten wir die Sony A7
SII und die A9 zum Filmen und Fotografieren.
Was war euer Favoritenbild und was ist die
Geschichte dahinter?
Eines meiner Lieblingsbilder ist auf jeden Fall das
mit der Bugwelle der „Ortelius“ – unserem Schiff in
der Drake-Passage. Die dort herrschenden Kondi-
tionen erwähnte ich be-
reits. Das Foto drückt
„Die Kameras
sehr viel von den wid-
mussten
jede
rigen Bedingungen aus,
welche teilweise über
Nacht getrock-
drei Tage dauern. Da-
net
werden.“
rauf, diesen Moment
festzuhalten, habe ich
lange gewartet. Ein weiteres Bild, das sehr viel
aussagt, ist die „Ortelius“, als sie an einem Eisberg
parkt. Der Kapitän hat, da die Ankerkette zu kurz für
das tiefe Meer war, das Schiff sanft an den Eisberg
gesetzt. Nicht wie in „Titanic“, sondern bewusst und
vorsichtig lehnte er es an, um ein Abdriften zu ver-
hindern. Wobei das Geräusch, das wir an Bord
hörten, doch beängstigend war.
Das Auftauen und
Trocknen der
Kameras war
ein fester Bestand-
teil der Reise.
Pinguine zu foto-
grafieren entpupp-
te sich als echte
Herausforderung.
Der Film lief bereits vergangenes Jahr in den
Kinos, seit kurzer Zeit ist er auf den gängigen
Plattformen auch als VOD verfügbar. Wie seid
ihr das angegangen und wie geht es weiter?
Die gesamte Vermarktung und nun auch den Ver-
trieb der Doku als Home-Entertainment und auf
DVD/Blu-ray machen wir selbst und das wird uns
auch die nächste Zeit weiter beschäftigen. Letztes
Jahr sind wir nach der Premiere in über achtzig
Städten in Deutschland und Österreich gewesen.
Sehr viele Vorführungen waren ausverkauft und
das Publikum jeden Alters war durchweg begeis-
tert. Die Übersetzung ins Englische steht als
Nächstes an, da wir den Film auch weltweit ver-
treiben möchten. Gerade der asiatische Raum
ist sehr fasziniert vom Thema Antarktis, was
durch die Klimadiskussion auch sehr aktuell ist.
Bis zu minus 30
Grad Celsius
herrschten in
der Nacht.
Mit bis zu 15 Meter
hohen Wellen ist
die Drake-Passage
eine Härteprüfung.
Der Film lief bereits in achtzig Kinos und überzeugte die
Zuschauer. Jetzt kann er auch gestreamt werden.