PhotoWeekly 23.10.2019 | Page 30

Praxis P R O J E K T: A N TA R K T I S  30 „Verlasst auch mal den Mainstream!“ Tim David Müller-Zitzke, Dennis Vogt, Michael Ginzburg Tim, Dennis und Michael sollten eigentlich „etwas Vernünftiges“ machen – und drehten stattdessen einen Kinofilm in der Antarktis. Uns erzählen sie über ihr Abenteuer. Interview: Ruben Schäfer Erzählt mal, kann man einfach so in die Antarktis reisen? Einfach war es nicht, aber dass so ein Unter- nehmen mit vielen Hür- Alle drei sind freiberufliche den verbunden ist, war Filmemacher und Fotografen. uns klar, immerhin ist Sie verband der gemeinsame die Antarktis 14.000 Traum, einmal in die Antarktis zu reisen. Doch damit nicht Kilometer entfernt von genug, über die erfolgreiche Deutschland und durch Expedition wollten die drei die Drake-Passage von auch einen Kinofilm machen. der südamerikanischen projektantarktis.de Küste getrennt. Sie gilt als die stürmischste Seepassage der Erde mit über 15 Meter hohen Wellen. Die Kosten einer solchen Expedition sind enorm hoch und die Antarktis ist ein lebensfeindlicher Kontinent. Somit war es von Beginn an schwierig, dort hin zu kommen. Man sagt, wer die Drake-Passage nicht übersteht, der hat in der Antarktis nichts verloren. Wie habt ihr das dann realisiert? Habt ihr auf einem Schiff als Tellerwäscher angeheuert? Michael arbeitet als Expeditionsleiter auf einem Expeditionsschiff, dort konnten wir eine kleine Kabine bekommen. Kein Luxus, aber eine Reise- möglichkeit und unser Ticket in die Antarktis. So sind wir einem Monat lang auf dem ehemaligen russischen Forschungsschiff Ortelius mitgereist. Die Arbeit im ewi- gen Eis verlangte von Mensch und Maschine alles. Hubschrauber, Schlauchboote, Forschungsschiff – einen Monat lang. Hattet ihr auf der einmonatigen Reise bestimmte Ziele oder wart ihr reine Passagiere? Gab es ein Drehbuch oder entstand die Produktion spontan? Normalerweise wären wir „nur“ Passagiere gewesen. Da Michael jedoch alle erforderlichen Lizenzen hat, um sich in der Antarktis bewegen zu dürfen, hatten wir die Möglichkeit, auch selbst mit dem Schlauch- boot auf eigene Faust losziehen. Das Konzept des Films war von Beginn an als Reisedokumentation ausgelegt. Wir hat- ten kein festgeleg- „Wer die Passage tes Script, allerdings nicht übersteht, schon grobe Ziele, wie die Kolonie der Kaiser- hat in der Antarktis pinguine. Was sich nichts verloren.“ als sehr schwer ent- puppte, da die Vögel weit im Landesinneren brüten und das Eis zu dünn ist, um mit einem Helikopter zu landen. Ansonsten standen Landschaftsaufnahmen im Mittelpunkt, aber auch die weitere Tierwelt mit Walen und an- deren Pinguin-Arten. Der Film nimmt die Zuschau- er mit auf die Reise. Wir wollten sie so authentisch und nahe wie möglich dabeihaben und letztendlich motivieren, auch selbst mal etwas zu wagen, der eigenen Passion zu folgen und nicht immer den angenehmsten Weg zu wählen. Wagt euch auch mal aus dem Mainstream heraus! Kommen wir zu eurem Equipment. Bei den klima- tischen Bedingungen sind die Geräte doch beson- ders gefordert, wie habt ihr das gemacht und was habt ihr genutzt? Die Arbeit war extrem anspruchsvoll. Bei Tempera- turen zwischen -20°C und -30°C und viel Spritzwas- ser auf dem Schlauchboot galt es jede Nacht, die Ka- meras zu trocknen und säubern. Auch die tägliche Datensicherung war wichtig, insgesamt kamen 32 TB an Filmmaterial zusammen, zuzüglich den Fotos. Bei den Fotos kam die Canon EOS 5D MK III zum Einsatz, eine robuste und spritzwassergeschützte Kamera, auf die man sich verlassen kann. Als Optik war das EF 16-35mm f2.8L II USM die erste Wahl. Weiterhin war das Sony #alphaddicted-Paket dabei. Das ist ein ganzer Koffer mit Zeiss-Objektiven für alle erdenk- lichen Situationen. Als Body nutzten wir die Sony A7 SII und die A9 zum Filmen und Fotografieren. Was war euer Favoritenbild und was ist die Geschichte dahinter? Eines meiner Lieblingsbilder ist auf jeden Fall das mit der Bugwelle der „Ortelius“ – unserem Schiff in der Drake-Passage. Die dort herrschenden Kondi- tionen erwähnte ich be- reits. Das Foto drückt „Die Kameras sehr viel von den wid- mussten jede rigen Bedingungen aus, welche teilweise über Nacht getrock- drei Tage dauern. Da- net werden.“ rauf, diesen Moment festzuhalten, habe ich lange gewartet. Ein weiteres Bild, das sehr viel aussagt, ist die „Ortelius“, als sie an einem Eisberg parkt. Der Kapitän hat, da die Ankerkette zu kurz für das tiefe Meer war, das Schiff sanft an den Eisberg gesetzt. Nicht wie in „Titanic“, sondern bewusst und vorsichtig lehnte er es an, um ein Abdriften zu ver- hindern. Wobei das Geräusch, das wir an Bord hörten, doch beängstigend war. Das Auftauen und Trocknen der Kameras war ein fester Bestand- teil der Reise. Pinguine zu foto- grafieren entpupp- te sich als echte Herausforderung. Der Film lief bereits vergangenes Jahr in den Kinos, seit kurzer Zeit ist er auf den gängigen Plattformen auch als VOD verfügbar. Wie seid ihr das angegangen und wie geht es weiter? Die gesamte Vermarktung und nun auch den Ver- trieb der Doku als Home-Entertainment und auf DVD/Blu-ray machen wir selbst und das wird uns auch die nächste Zeit weiter beschäftigen. Letztes Jahr sind wir nach der Premiere in über achtzig Städten in Deutschland und Österreich gewesen. Sehr viele Vorführungen waren ausverkauft und das Publikum jeden Alters war durchweg begeis- tert. Die Übersetzung ins Englische steht als Nächstes an, da wir den Film auch weltweit ver- treiben möchten. Gerade der asiatische Raum ist sehr fasziniert vom Thema Antarktis, was durch die Klimadiskussion auch sehr aktuell ist. Bis zu minus 30 Grad Celsius herrschten in der Nacht. Mit bis zu 15 Meter hohen Wellen ist die Drake-Passage eine Härteprüfung. Der Film lief bereits in achtzig Kinos und überzeugte die Zuschauer. Jetzt kann er auch gestreamt werden.