PhotoWeekly 14.08.2019 | Page 23

Interview KLAUS WOHLMANN  23 „Ich halte fest, was passiert!“ Klaus Wohlmann sprach mit PhotoWeekly über Schattenwelten, Reisen mit dem Motorrad nach Afrika und die Dinge, die gute Street-Fotografen auszeichnen. Interview: Ruben Schäfer Klaus, du bist in vielen Berei- chen aktiv und viel unterwegs. Woran arbeitest du aktuell? Im Moment widme ich mich mei- nem Schattenwelten-Projekt, was ich über Jahre hinweg betrieben und immer weiter verfeinert habe. Da höre ich natürlich nicht auf, nur weil ich ein Buch ge- macht habe. In einem neuen Pro- jekt versuche ich, Geschwindig- keit in der Langsamkeit zu zeigen – zum Beispiel mit einem Mit- zieher von Arbeitern, die Kartof- felsäcke tragen. Außerdem plane ich gerade die Fotoreisen für das nächste Jahr. Zur Person: Klaus Wohlmann arbeitet seit über 20 Jahren als Künstler und Foto- graf. Seine große Leidenschaft ist das Reisen in ferne Länder. Zu seinem Repertoire gehört die Dokumentation von Veranstaltun- gen und Street-Fo- tografie. Er hält viele Vorträge und gibt sein Wissen in Workshops weiter. klauswohlmann.com Kommen wir zu deinem aktuel- len Buch „Schattenwelten“ – was möchtest du erzählen? Im Prinzip ist das Street-Fotografie, also Bilder von unterwegs, in der Stadt und auf dem Land. Die Schattenwelt reduziert meine Eindrücke von dort auf reine Schwarzweiß-Fotografie, wo die Men- schen immer im Schatten sind. Die Schatten be- kommen so eine Position, die sie sonst nicht hätten. Entweder als Schatten-Wurf oder als Schatten-Riss.  Sony Alpha 9 mit Tamron 28-75 mm f/2.8 Aufnahme-Details: f/8 | 1/200 s | ISO 400  Nikon Z6 mit Tamron 24-70 mm f/2.8 Aufnahme-Details: f/2,8 | 1/10 s | ISO 250 Wie kamst du denn eigentlich zur Fotografie? Begonnen hat das Ganze wie so häufig: Mein Vater hat mir eine Kamera geschenkt und die habe ich auf viele Reisen mitgenommen. Mit 16 bin ich dann auf dem Mokick nach Marokko gefahren, und die Reisen wurden dann eben immer länger, auch mal drei Monate nach Indonesien. Ich bin immer viel gereist. Ich war dann aber erstmal Künstler, Maler und habe Performance-Stücke geschrieben. Gab es dann so etwas wie ein initiales Projekt für die Fotografie? Kann man so sagen: Vor 12 Jahren habe ich mein Motorrad gepackt und bin damit nach Togo gefah- ren. Dort bin ich fünf Monate geblieben. Die Bilder, die dabei entstanden sind, habe ich auch in einem Bildband verarbeitet, der „Begegnungen Westafrika“ heißt. Ich habe dort jeden Tag Leute besucht und getroffen, habe aber niemals als erstes ein Foto ge- macht. Meine Herangehensweise sah so aus: Wir haben uns getroffen, etwas gegessen, Kaffee getrun- ken, dann habe ich denen ein Polaroid, also ein So- fortbild, geschenkt. Und dann haben die meisten von selbst gefragt, ob ich nicht auch ein Bild für „Und dann haben mich machen möchte. die meisten von selbst gefragt, ob ich nicht auch ein Bild für mich machen möchte.“ Wie ging es weiter? Ich bin danach noch ein paar Mal mit dem Mo- torrad nach Afrika auf- gebrochen, unter ande- rem in den Kongo, wo ich meinen ersten gro- ßen Auftrag für die Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit umsetzen durfte. Ich habe deren Projekte vor Ort fotografiert. Unter anderem habe ich dort Menschen besucht, die ein Jahr zuvor in Deutschland ein Stipendium bekommen haben. Ich habe gezeigt, was sie heute machen. Mit dem Motorrad von Köln nach Afrika – sind Fotoreisen für dich immer ein Abenteuer? Das muss nicht zwangsläufig sein. Ich finde aber, dass Reisen, gerade für die Fotografie, ein biss- chen entschleunigt werden muss. Selbst mit dem Motorrad war ich völlig übermotorisiert. Als ich in Burkina Faso war, habe ich mir da einfach ein bil- liges Moped gekauft und bin dann in dem langsa- men Tempo drei Monate umhergefahren. Durch die Langsamkeit hat man eine ganz andere Wahrneh- mung und schwimmt einfach mit.  Sony Alpha 9 mit Tamron 28-75 mm f/4 Aufnahme-Details: f/8 | 1/1000 s | ISO 200  Nikon D750 mit Tamron 70-210 mm f/4 Aufnahme-Details: f/7,1 | 1/1000 s | ISO 125 Deine Bilder sind ja von einem eigenen Stil geprägt: Warum fotografierst du so und was reizt dich an Schwarzweiß-Fotografie? Die Schattenwelt habe ich tatsächlich ganz schwarzweiß umgesetzt, ich bin in der Street-Foto- grafie aber auch in Farbe unterwegs. Mich reizt an der Street-Fotografie, dass ich das festhalte, was in diesem Moment auf der Straße passiert. Ich habe mal mit dem Käthe-Kollwitz-Museum zusammen- gearbeitet, wo mir auffiel: Sie hat im Kern nichts an- deres gemacht, nur hat sie das Pech gehabt, in ei- ner schwierigen Zeit zu leben. Sie hat das Grauen festgehalten, was um sie herum passierte. Mir geht es auch nicht um die Leute an sich, sondern immer um die Situation. Wie gehst du an ein Street-Foto heran? Ich begebe mich an eine Location, die mir gefällt, stelle mich dort hin und beobachte erstmal – die Kamera hole ich noch gar nicht heraus. Nehmen wir an, da wird gerade eine Speise zubereitet: Dann gehe ich dahin, spreche mit den Leuten, probiere, nehme eine Portion und ziehe mich erstmal wieder zurück und esse. Ich lobe die Leute dann für das Es- sen und rede mit ihnen. Irgendwann frage ich dann, ob ich ein Foto machen darf. Du gibst zahllose Workshops: Was zeigst du den Leuten? Ein großes Thema ist natürlich Kommunikation; wenn die Leute gut kommunizieren, können sie die Bilder inszenieren und die Ergebnisse werden auto- matisch besser. Mir geht es kein bisschen darum, mit einer Festbrennweite irgendwo verstohlen an einer Ecke zu stehen und Bilder zu machen, im Ge- genteil. Ein zweites großes Thema ist, dass die Leu- te sich Zeit nehmen sollen; deswegen biete ich aus- gedehnte Reisen an. Wir haben vor kurzem eine Tour nach Kalkutta gemacht, da gibt es dann jeden Abend eine Bildbesprechung und von früh bis spät Begleitung und Tipps – da tut sich einiges. Kameras und Einstellungen sind weniger wichtig, die Motiv- suche und die Bildideen sind das zentrale Element. So entwickeln sich die Leute wirklich weiter. Trotzdem macht man das Bild ja mit einer Kamera: Was verwendest du? Ich habe maximal zwei Objektive auf der Straße dabei: Ein 24-70er f/2.8 von Tamron und eine Fest- brennweite, zum Beispiel das 85mm f/1.8 von Tam- ron. Mit einem anderen Objektiv muss man auch immer anders schauen. Manchmal ärgere ich mich dann und denke: „Hätte ich mal ein Weitwinkel mit“, aber das ist dann eben so. Da setze ich auf Nikon, verwende aber auch in letzter Zeit immer mehr die Sony Alpha 9. Da kommen dann das 28-75mm und das 17-28mm f/2.8 von Tamron zum Einsatz. Das ist ein sehr schönes und leichtes System, aber die Spiegelreflex hat auch noch ihre Vorteile. Die Bewegung in der Langsamkeit festhalten – ein kleines aktuelles Projekt von Klaus Wohlmann. „Street-Fotografie muss gar nicht in der Stadt gemacht werden“, sagt Wohlmann. Er hält einfach fest, was passiert. Klaus Wohlmann