PhotoWeekly 06.05.2020 | Page 2

Aktuell EDITORIAL 02 Wolfgang Heinen & Florian Schuster, Herausgeber Ein Frage der Brennweite Überall auf der Welt werden nach und nach die Corona-Regeln gelockert oder zumindest darüber diskutiert. Klar ist: Wir alle wollen wieder mehr Freiheit genießen – dabei aber sicher keinen Rückfall zu al- ten Infektionszahlen provozieren. Wie viel Lockerung jetzt richtig ist, ob nun Markus Söder, Armin Laschet oder Stephan Weil Recht haben? Das wollen wir hier gar nicht kommentieren. Wir haben da zwar eine Meinung, aber ehrlich gesagt keine Ahnung, sondern maximal ein gutes oder schlech- tes Bauchgefühl. Ob allerdings, wie in Georgia letzte Woche, mit als erstes auch Tattoo-Studios öffnen sollten, nun ja ... Im Mittelpunkt der Berichterstattung über Social Distancing sehen wir immer wieder Aufnahmen von scheinbar vol- len Stränden, von viel zu dicht stehenden Menschen, die vor » Ab 300 mm sehen Geschäften warten. Dabei fällt auf, dass wir plötzlich eine vor allem die Boule- Menschenmasse. « vardpresse im Sinne sich schnell verbrei- tender Bilder, besonders über Social Media, auf einen der ältesten Tricks der Fotogra- fie zurückgreift: die lange Brennweite, die das Bild verdichtet, sodass auch ordentlich praktiziertes Social Distancing auf dem Bild aussieht wie eine dichte Menschen- menge. Oder der kalifornische Strand wie sonst im Hochsommer – obwohl ein Bild vom Helikopter aus der Luft zeigt, dass fast alle Menschen sich nur in kleinen Grup- pen mit weitem Abstand voneinander in den Sand gesetzt haben. Ab 300 mm wird daraus halt eine Menschenmasse. So kommt uns Fotografen, die diesen Effekt kennen und erklären können, im Rahmen von Corona wenigstens im Priva- ten eine ganz besondere Rolle zu: die der Fact Checker, die Übertriebenes erkennen – oder eben bestätigen, dass der Eindruck, der entsteht, der richtige ist, zum Beispiel bei Ikea in Köln letzten Samstag. Viel Spaß beim Lesen & Fotografieren!