PhotoWeekly 01.07.2020 | Page 25

Interview WOLFGANG MOERSCH 25 Deutschlands letzter Fine-Art-Masterprinter Wolfgang Moersch blickt auf erfolgreiche Jahrzehnte zurück. Und resümiert, dass die analoge Fotografie heute jünger und angesagter ist denn je. Interview: Dagmar Schelhas-Pelzer, Fotos: Wolfgang Moersch Wie sind Sie selbst zur Fotografie gekommen und ab wann wussten Sie, dass Sie damit Ihre Berufung gefunden haben? Vor mehr als 50 Jahren kam ich bei einer Fotoausstellung aus dem Staunen nicht heraus. Ich war so nachhaltig beeindruckt, dass ich beschloss, dieses Handwerk zu erlernen. Meine Ausbildung erhielt ich bei Helmut Stahl in Köln und nach der Lehrzeit ging ich zur Werkkunstschule Köln. Nach etwa 20 Jahren als Werbefotograf fand ich, es sei an der Zeit, einen Schnitt zu machen und mich nur noch der Schwarzweiß-Fotografie zu widmen. Zu Beginn verdiente ich meinen Lebensunterhalt mehr schlecht als recht mit Laborarbeiten für ehemalige Kollegen, Stiftungen und Archive. In dieser Zeit entstanden die ersten Produkte wie spezielle Entwickler und Toner. Margarethenweiher Tri-x in Finol N+1 Fomatone 132 in SE5 Lith Jeder Fotograf hat ja einen eigenen Stil, oder eher jeder gute Fotograf … Haben Sie quasi einen eigenen Entwicklungsstil? Eine eigene Bildsprache entwickelt sich mit ein wenig Talent und viel Praxis im Laufe der Jahre. Wir alle sind, ob wir es nun wollen oder nicht, beeinflusst durch das Werk derer, die vor uns Bilder geschaffen haben. Ich kann jedem jungen Fotografen nur raten, die alten Meister zu studieren. Bildgestaltung ist erlernbar, ebenso wie die Technik. Anfangs habe ich mich gescheut, eigene Negativentwickler auf die geneigte Kundschaft loszulassen, weil damit doch einige Verantwortung übernommen werden muss. Mittlerweile biete ich sechs Filmentwickler an, die ich bis auf zwei Ausnahmen auch nach wie vor selber benutze. Welche Dienstleistungen machen denn das Hauptgeschäft von Moersch Photochemie aus? Der Laborservice spielt heute kaum noch eine Rolle. Printaufträge werden nur noch angenommen, wenn mich Negative anlachen oder wenn alte Kunden Nachdrucke wünschen. Das Hauptgeschäft ist die Produktion von Werkzeugen aller Art für die analoge Fotografie (www.moersch-photochemie.de). Allein für den heimischen Markt könnte man damit kein Auskommen finden, „Eine eigene Bildsprache entwickelt sich mit ein wenig Talent und viel Praxis im Laufe der Jahre.“ doch es bestellen seit vielen Jahren Anwender und Händler aus aller Welt und erfreulicherweise gehen die Umsätze allein aus dem Grund nicht zurück, weil ständig neue Kunden hinzukommen. Weltweit ist der Markt immer noch riesig. Ein gewichtiges Argument für Produktakzeptanz mag der gebotene Beratungsservice sein. Ich bemühe mich, jede Frage zur Technik, auch dann, wenn es sich nicht um produktspezifische Anfragen handelt, nach bestem Wissen zu beantworten. Fuchsia Kallitype auf Weston Diploma Parchment Sie haben auch ein Buch herausgebracht „Walking the Dog“ – was möchten Sie uns darüber erzählen? Es begann mit dem Vorschlag eines Freundes, mir eine Holga zuzulegen, um mit meinen Arbeiten nicht nur das Interesse der „Fineprinter“ zu erreichen. Ich muss zugeben, ich war anfangs etwas skeptisch, wegen der doch recht mäßigen Abbildungsqualität. Über Jahrzehnte darauf getrimmt, technisch höchstes Niveau anzustreben, kostet es Überwindung, sich auf das Gegenteil einzulassen. Das Teil hatte damals aber einen unschätzbaren Vorteil, dem Hund fiel es kaum auf, wenn ich bei den täglichen Runden kurz stehenblieb. Dinge an denen ich früher achtlos vorbei gegangen war, fielen mir plötzlich ins Auge. Bei der Holga 120N gibt es keine Möglichkeit, Blende oder Belichtungszeit zu variieren. Mit der ersten Belichtung ist die Entscheidung über die Filmempfindlichkeit und die dazu passende Entwicklung getroffen. Dies „Ich kann jedem jungen Fotografen nur raten, die alten Meister zu studieren. Bildgestaltung ist erlernbar, ebenso wie die Technik.“ zwingt zur exakten Belichtungsmessung. Bei der Unterschiedlichkeit der mir zur Verfügung stehenden Entwickler bezüglich der Empfindlichkeitsausnutzung können ISO-Werte zwischen 50 und 800 mit nur zwei Filmsorten abgedeckt werden. Der Betrieb – mit Produktion, Versand und Workshops – ließ mir kaum Zeit, längerfristig Projekte in Angriff zu nehmen. Für Beispielbilder der wachsenden Produktpalette wurden aber nun mal Negative benötigt und so kam es zu Veröffentlichungen in Foren wie Flickr, meist mit kurzer Beschreibung der Arbeitsschritte. Irgendwann kam dann ein Kollege auf die Idee, daraus ein Buch zu machen. Was glauben Sie, wie wird sich die Fotobranche und damit auch Ihr Geschäft in den nächsten 10 Jahren entwickeln? Ich bin da recht zuversichtlich. Es wird wieder mehr auf Film fotografiert. Selbst wenn nach der Entwicklung oftmals gescannt und digital weitergearbeitet wird, ist das Interesse an analoger Ausarbeitung nicht geschwunden. Es zeigt sich, dass ein handwerklicher Aufwand nicht abschreckend wirkt. Es ist im Gegenteil so, dass Aufwand und eigene Leistung zu einer Befriedigung führt, die digitales Abrufen von Vorarbeiten anderer kaum bieten kann. Dieses und viele weitere Themen bietet die neue Ausgabe von PhotoKlassik. Das Einzelheft kostet 9,80 Euro, das Jahresabo (4 Ausgaben) kostet 39,20 Euro, für Studenten 29,40 Euro. www.photoklassik.de