Peace Love Liberty - Konflikte | Page 9

„ Das Verständnis für die Funktionsweise von Marktprozessen und deren wohlstandssteigernde Wirkung fehlt leider oft gerade in kirchlichen Kreisen .“
Konflikte katholischen Kirche rührten daher , dass unter der Fahne des Liberalismus in der zweiten Hälfte des 19 . Jahrhunderts – insbesondere in Deutschland und Italien – die Macht des Staates ständig ausgeweitet und der Nationalstaat geradezu vergöttert wurde . Der italienische Liberale Guido de Ruggiero schrieb 1925 , die katholische Kirche sei wegen ihrer Bekämpfung einer zunehmenden “ Tyrannei des Staates “ zum „ Verteidigungswall für die Freiheit “ geworden , obwohl ihre innersten Absichten natürlich keinesfalls liberaler Art seien ­ denn die Kirche verteidige ja vor allem ihre Freiheit , ihre Rechte und ihren Einfluss in der Gesellschaft . Auch der große Bahnbrecher der katholischen Soziallehre , der Mainzer Bischof Wilhelm Emmanuel Freiherr von Ketteler , verteidigte in einer Schrift von 1864 die „ individuelle Freiheit “ und ihre Grundlage : Das Privateigentum . Von Ketteler prangerte „ ein immer weiter ausgebildetes Steuer­ und Zwangssystem , an dem sämtliche Staaten fast zu Grunde gehen und bei denen freie Selbstbestimmung und Gesinnung gänzlich in den Hintergrund treten “ an .
Wie hat sich die kirchliche Soziallehre seitdem verändert ? Spätestens mit der Schule des sogenannten „ Solidarismus “ von Heinrich Pesch hat die katholische Soziallehre diesen freiheitsbewussten und staatskritischen Pfad verlassen . Ihre Konzepte wurden immer freiheitsskeptischer , offen marktskeptisch und fokussierten sich auf „ Solidarität “ durch staatlich organisierte soziale Absicherung und damit letztlich durch steuerfinanzierte Umverteilung . Die resolute Verteidigung des Privateigentums wurde durch den beständigen Hinweis auf dessen „ Sozialpflichtigkeit “ aufgeweicht . Diese Entwicklung schlug sich schließlich mitten in der großen Weltwirtschaftskrise 1931 in der Enzyklika „ Quadragesimo anno “ von Papst Pius XI . nieder . Erst mit Johannes Paul II . und seiner Enzyklika „ Centesimus annus “ erfolgte eine klare Korrektur : Kirchliche Soziallehre sei kein „ Dritter Weg “ zwischen Sozialismus und Kapitalismus , vielmehr sei der Sozialismus gescheitert , Kapitalismus und Marktwirtschaft aber hätten ihre Kraft bewiesen . Sie seien der Weg , sofern sie sich innerhalb eines klaren rechtlichen Rahmens bewegten ­ für Liberale eigentlich eine Selbstverständlichkeit .

„ Das Verständnis für die Funktionsweise von Marktprozessen und deren wohlstandssteigernde Wirkung fehlt leider oft gerade in kirchlichen Kreisen .“

Ein gängiges Vorurteil ist , die Marktwirtschaft untergrabe die Moral der Menschen . Was meinen Sie dazu ? Wir müssen uns davor hüten , nun die ökonomische und auch soziale Höherwertigkeit der Marktwirtschaft als eine moralische Höherwertigkeit des Unternehmers zu verstehen . Die moralische Beurteilung des „ Systems “ oder der Wirtschaftsordnung und die moralische Beurteilung der Menschen , die innerhalb dieses Systems tätig sind , sind zwei verschiedene Dinge . Man kann Kapitalismus und Marktwirtschaft

Begriffe

Enzyklika : Nach den Anfangsworten zitiertes päpstliches Rundschreiben , das eine Stellungnahme zu aktuellen Fragen enthält ( Duden )
Kirchliche Soziallehre : Von der römisch­katholischen Kirche gegebene Prinzipien des Zusammenlebens der Menschen in Gesellschaft und Staat ( Wikipedia )
insofern als moralisch überlegen bezeichnen , als sie auf richtigen moralischen Prinzipien beruhen und vor allem die richtigen moralischen Anreize schaffen . Das heißt aber nicht , dass Kapitalisten gute oder die besseren Menschen sind . Solange sie aber der Logik der Marktwirtschaft gemäß handeln , die eine Logik des „ Gebens “ ist . Sparen , Investieren , Verlagerung des Konsums in die Zukunft und nicht sofortige Bedürfnisbefriedigung , Tragen von Risiko und Bereitschaft zur Haftung ), werden sie Gutes bewirken , das heißt zur Anhebung des allgemeinen Wohlstandes beitragen . Das kann ein Unternehmer sogar , wenn er persönlich kein moralisch hochstehendes Subjekt ist oder ausschließlich egoistisch motiviert ist . Hält er sich allerdings nicht an jenes Minimum an Moral , das vom Rechtssystem gefordert wird , also an die allgemeinverbindlichen Regeln , die Betrug , Diebstahl , Ehrabschneidung , Verleumdung , das Handeln gegen Treu und Glauben usw . verbieten , dann wird er es aller Erfahrung nach nicht lange schaffen , profitabel im Geschäft zu bleiben . Früher oder später wird er zu Fall kommen – sofern das Recht angewandt wird , keine Korruption herrscht und er keine staatliche oder politische Protektion genießt .
Was ja vorkommen soll ... Wie auch im Sozialismus kann unmoralisches Verhalten in der Marktwirtschaft zum System werden , weil wirtschaftlicher Erfolg vom System her mit politischer Macht verbunden ist . Wir nennen das Crony Capitalism : das Verbandeln von Big Business und Big Government , das Verfilzen von Politik und Wirtschaft durch Lobbying , das durch Subventionen und andere Prämien wie Gesetze zugunsten einzelner Wirtschaftszweige und Industrien belohnt wird . Je mehr das der Fall ist , desto mehr gleicht das wirtschaftliche System dann einer Kommandowirtschaft und desto weniger kann der Markt seine wohlstandssteigernde Funktion für die Allgemeinheit wahrnehmen . Hier liegen meiner Meinung nach die eigentlichen ethischen Probleme . Eine auf dem Evangelium gründende Kritik von „ Reichtum “ sollte nicht auf der Ebene des marktwirtschaftlichen „ Systems “ ansetzen , zu dem notwendigerweise eine gewisse Assymetrie der Vermögensverteilung , also Ungleichheit gehören , sondern auf jener der individualethischen Ebene des Verhaltens innerhalb des Systems . Hinzu kommt : Unternehmer und Arbeitgeber können hartherzig oder auch menschlich eingestellt sein . Auch auf dieser Ebene gibt es eine große Bandbreite von Möglichkeiten des moralischen oder unmoralischen Verhaltens . Doch das gehört zu einem anderen Kapitel .
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