Peace Love Liberty - Konflikte | Page 8

„ Wenn wir die Weltwirtschaft wirklich nachhaltig ankurbeln wollen , dann wird Business und nicht Regulierung eine führende Rolle spielen müssen .“
Konflikte
ihrer Autorität an . Spätestens seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil hat die Kirche hier jedoch gehörig geschichtlichen Ballast abgeworfen . Trotzdem bleibt noch viel zu tun , was die gedankliche Verarbeitung dieser Neuorientierung betrifft . Wie es ja ihrer Gründungsidee entspricht , unterscheidet die Kirche inzwischen wieder das Politisch­Weltliche vom Religiös­Kirchlichen . So kann sie jetzt einerseits ihren religiösen Wahrheitsanspruch aufrechterhalten , andererseits aber auch – auf politisch­gesellschaftlicher und verfassungsrechtlicher Ebene – gleiche Freiheit für alle fordern und eine politische Ordnung der Koexistenz verschiedener Glaubensbekenntnisse , Religionen und Weltanschauungen mit gleichen Rechten für alle gutheißen , ja sie als zivilisatorische Errungenschaft preisen . In diesem Sinne habe ich einmal Kardinal Ratzinger , dem späteren Papst Benedikt XVI ., gesagt : „ Ich bin kein liberaler Katholik , sondern ein katholischer Liberaler .“ Und er antwortete mir schmunzelnd : „ Das gefällt mir .“

„ Wenn wir die Weltwirtschaft wirklich nachhaltig ankurbeln wollen , dann wird Business und nicht Regulierung eine führende Rolle spielen müssen .“

George Pell Leiter des vatikanischen Wirtschaftssekretariats
Papst Franziskus möchte auf die vermeintlichen Verlierer der Marktwirtschaft aufmerksam machen . Umweltprobleme und weiterhin große Armut in Teilen der Welt machen ihm Sorgen . Ist es nicht eine moralische Pflicht , diesen Menschen zu helfen , vielleicht per Umverteilung ? Ich teile Papst Franziskus Anliegen vollkommen , die Ärmsten dieser Welt nicht auszugrenzen und ihnen den Anschluss an Entwicklung und Wohlstand zu ermöglichen . Ich bin aber der Meinung , dass seine Kritik an der freien Marktwirtschaft und seine Analyse der Ursachen von Armut und Ausgrenzung fragwürdig sind . Das habe ich ihm auch persönlich geschrieben . Und auch seine auf Staat und Politik als Problemlöser fokussierten Rezepte – die er , wie auch seine Analysen , ausdrücklich als seine persönliche Meinung und nicht als offizielle Soziallehre der Kirche verstanden wissen will – halte ich für problematisch . Franziskus hat mir für meine Offenheit gedankt . Leider konnte ich ihn nicht überzeugen . Es gibt aber auch prominente Kirchenführer , die meine Ansichten teilen . So meinte Kardinal George Pell ­ der von Franziskus ernannte Leiter des vatikanischen Wirtschaftssekretariates ­ kürzlich auf einer Konferenz in Rom , dass es keine bessere Wirtschaftsordnung als die Marktwirtschaft gäbe . Es sei die Marktwirtschaft , die den Westen zur Blüte gebracht habe . Pell sieht deshalb als entscheidenden Faktor wirtschaftlichen und sozialen Fortschritts das freie Unternehmertum : „ Wenn wir die Weltwirtschaft wirklich nachhaltig ankurbeln wollen , dann wird Business und nicht Regulierung eine führende Rolle spielen müssen .“
Sieht die Marktwirtschaft skeptisch : Papst Franziskus
„ Business “ als Mittel zur Armutsbekämpfung ? Interessanterweise hat auch Papst Franziskus immer wieder die wichtige Rolle der Unternehmer betont . Er ist sich bewusst , dass der beste Dienst , den man den Armen tun kann , darin besteht , für sie Arbeitsmöglichkeiten und Voraussetzungen dafür zu schaffen , damit sie selber unternehmerisch tätig werden können . In diesem Sinne hat der Papst auch in seiner Botschaft an das Weltwirtschaftsform 2016 in Davos , mit Bezugnahme auf seine letzte Enzyklika , geschrieben , „ dass die Unternehmertätigkeit » eine edle Berufung darstellt und darauf ausgerichtet ist , Wohlstand zu erzeugen und die Welt für alle zu verbessern «, besonders » wenn sie versteht , dass die Schaffung von Arbeitsplätzen ein unausweichlicher Teil ihres Dienstes am Gemeinwohl ist « ( Laudato si ’, Nr . 129 ).“
Die Marktwirtschaft ist allerdings für viele katholische Vertreter ein rotes Tuch ... Problematisch ist das verbreitete Vorurteil , es brauche staatliche Planung und mehr Regulierung , um wohlstandssteigernde Prozesse in die Wege zu leiten und zu kanalisieren . Das Verständnis für die Funktionsweise von Marktprozessen und deren wohlstandssteigernde Wirkung fehlt leider oft gerade in kirchlichen Kreisen . Der Markt ist , wie F . A . Hayek formulierte , ein „ Entdeckungsverfahren “. Staatliche Regulierungen hemmen häufig Innovation und unternehmerische Kreativität . Sie behindern den Markt in seiner zentralen Funktion als Entdeckungsverfahren und Wissensgenerator . Der reale Markt schafft immer wieder neue Informationen und Ungleichgewichte . Der Versuch , die natürliche Unvollkommenheit einer marktwirtschaftlichen Welt – sogenanntes Marktversagen – durch staatliche Interventionen zu „ heilen “, generiert in Wirklichkeit immer wieder Staatsversagen und führt zu einer be­ständigen Ausweitung der Macht des Staates und der Politik . Wir bräuchten Politiker und Staatsmänner , die den Mut aufbringen , oft einfach mal nichts zu tun , sondern ­ unter Überwachung der Einhaltung der für alle geltenden Regeln ­ den Markt spielen zu lassen . So „ entdecken “ freie Märkte – das wettbewerbliche Zusammenspiel von Unternehmern , Erfindern , Investoren – Lösungen , die dem Wissen zentraler Planer und Staatsbeamten niemals zugänglich sein können . Um Problemen wie Armut zu begegnen , brauchen wir nicht mehr , sondern weniger Regulierung .
Aber steht das nicht alles im Widerspruch zur kirchlichen Soziallehre ? Die kirchliche Soziallehre ist heute tatsächlich von einer erheblichen Staatsgläubigkeit geprägt . Das war nicht immer so . In ihren Anfängen war die katholische Soziallehre außerordentlich anti­staatlich und viele der Vorbehalte gegenüber dem Liberalismus von Seiten der
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