Peace Love Liberty - Konflikte | Page 29

„ Jetzt geht es um die Entfaltung derjenigen Potenziale , die in menschlichen Gemeinschaften angelegt sind .“
Wettbewerb geprägten Leistungsgesellschaft hinlänglich bewiesen . Primär ging es dabei um die Entfaltung individueller Talente und Begabungen , also eines in einzelnen Personen angelegten Potenzials . Diese Phase war notwendig . Wie sonst hätten wir jemals in Erfahrung bringen können , wozu ein einzelner Mensch in der Lage ist : wie weit er springen , wie schnell er laufen , wie viel er erkennen und lernen und was er alles als Einzelner bewirken kann . Sicher wird es hier und da noch Gebiete geben , in denen das , was ein Einzelner dort zu leisten vermag , noch nicht bis in den Grenzbereich des Absurden ausgelotet worden ist . Aber die Zukunft des Erkenntnisgewinns im 21 . Jahrhundert liegt auf einer anderen Ebene . Jetzt geht es um die Entfaltung derjenigen Potenziale , die in menschlichen Gemeinschaften angelegt sind und die nur durch das freiwillige , selbstbestimmte und konstruktive Zusammenwirken von gut ausgebildeten Spezialisten und Experten zur Entfaltung kommen können . Das in solchen individualisierten Gemeinschaften verborgene Potenzial können wir gegenwärtig nur erahnen . Gelegentlich tritt es in Form bestimmter , herausragender Leistungen von mehr oder weniger zufällig entstandenen Gemeinschaften bereits zutage . Wikipedia ist solch ein Beispiel , die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen ein anderes . Auch im Mannschaftssport kommt dieses als Teamgeist bekannte Potenzial bisweilen zur Entfaltung . Aber ausgerechnet dort , von wo die wichtigsten innovativen Impulse für die künftige gesellschaftliche Entwicklung ausgehen sollten , in unseren wissenschaftlichen Instituten und Universitäten , sucht man derartige , durch Teamgeist ermöglichten außergewöhnlichen Leistungen vergebens .
MITEINANDER STATT GEGENEINANDER LERNEN
Die Studierenden werden mit der an unseren Universitäten vorherrschenden Wettbewerbskultur eher aufeinander gehetzt als zusammengeführt . Ihnen selbst fällt das nicht einmal auf , sie sind genau damit ja aus ihrer Schulzeit bereits hinlänglich vertraut und haben den Konkurrenzgeist längst in ihren eigenen Gehirnen implementiert . Und ihre Lehrer und Vorbilder , die Dozenten ,
Professoren und sonstigen Verantwortlichen für die Gestaltung des universitären Lernens ? Den studentischen Rebellen der 68er Generation haben sie zwar ihre alten Zöpfe und schwarzen Talare geopfert . Aber auf die Idee , dass der Wettbewerb nicht Motor , sondern Bremse für Potenzialentfaltung und außergewöhnliche Leistungen in Universitäten sein könnte , sind bisher nur wenige gekommen . Wer hinterfragt schon gern das , was ihn selbst erst in die Position gebracht hat , die er nun besetzt ? Die Universitäten stecken also in einem Dilemma , und das ist gut so . Denn Dilemmata lassen sich nicht dadurch lösen , dass man mehr von dem Einen oder mehr von dem Anderen macht . Wer das Potenzial einer Universität und nicht nur das einzelner Personen auf Kosten anderer entfalten will , müsste universitäre Gemeinschaften schaffen , in denen sich alle Mitglieder gleichermaßen eingeladen , ermutigt und inspiriert fühlen , voneinander und miteinander zu lernen , ihr Wissen

„ Jetzt geht es um die Entfaltung derjenigen Potenziale , die in menschlichen Gemeinschaften angelegt sind .“

und Können zu teilen und gemeinsam nach innovativen Lösungen für die Herausforderungen des 21 . Jahrhunderts zu suchen . Nur solche Gemeinschaften würden sich an Aufgaben heranwagen , die nur in einer gemeinsamen Anstrengung und mit dem Gefühl von Freude und Leichtigkeit und der dadurch freigesetzten Kreativität lösbar sind . Was nur so entstehen kann , wären dann zwangsläufig die außergewöhnlichen innovativen Höchstleistungen , wie wir sie von den Universitäten der Zukunft erwarten . Wie schön , dass es dazu keine Alternative gibt . Aber wie bereits Thomas Kuhn so überzeugend dargestellt hat , setzen sich neue Ideen im Wissenschaftsbetrieb erst dann durch , wenn die Protagonisten der bisher für zutreffend gehaltenen Vorstellungen aussterben . Glücklicherweise ist das auch in diesem Fall absehbar .
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