Peace Love Liberty - Konflikte | Page 23

Konflikte hatte und wie drakonisch er triviale Vergehen bestrafte , sollten wir skeptisch sein . Noch stärker formuliert : Die Abnahme von privater Gewalt ging mit der Ausbildung eines humanitären Strafrechts und einem Rückgang bewaffneter Konflikte Hand in Hand – nicht aufgrund einer härteren , konsequenteren Strafpraxis . Auch wenn die „ Law and Order “ ­Mentalität plausibel erscheint , ist ihr Einsatz im Kampf gegen extremistische Attentäter wenig erfolgsversprechend . Schärfere Strafen schrecken eher Kleinkriminelle als fest entschlossene oder gar göttlich inspirierte Attentäter ab . Der Ruf nach hartem Durchgreifen ertönt schnell , hat aber bestenfalls sehr eingeschränkte Konsequenzen für die Terrorbekämpfung .
DIE TRAGÖDIE DER KOLLEKTIVEN SICHERHEIT
Vielversprechender ist dagegen der Versuch , präventiv tätig zu werden . Praktisch sehen diese Maßnahmen dann so aus : Sicherheitskontrollen am Flughafen , Hausdurchsuchungen , Videoüberwachung öffentlicher Plätze und seit neustem auch weitreichende Eingriffe in die digitale Kommunikation . Selbstverständlich kann es so gelingen , Anschlagspläne schon im Vorhinein aufzudecken . Zuletzt wurden etwa bei einer bundesweiten Razzia Anfang Februar mehrere Islamisten festgenommen , die nach Vernehmen der Untersuchungsbehörden unmittelbar davor waren , einen Anschlag in Berlin auszuführen . Willkürliche Eingriffe in die Privatsphäre unbeteiligter Dritter sind hierbei allerdings nicht das einzige Problem . Es ist zum Beispiel unmöglich , festzulegen , wo auf einer Skala zwischen gar keiner Überwachung und dem nordkoreanischen Polizeistaat das ideale Level an Kontrolle zu finden ist . Menschen haben unterschiedliche Präferenzen , die sich in unterschiedlichen Wünschen nach Sicherheit niederschlagen . Die momentane Lösung interpoliert großzügig darüber hinweg ­ one size fits all . Und wem das nicht passt , der kann auch so einfach nicht gehen : Die Staatsbürgerschaft lässt sich nicht ganz so leicht wie ein Zeitungsabonnement kündigen . Ebenfalls typisch ist ein Hang zur Symbolpolitik . Dazu zählen Maßnahmen wie hohe Polizeipräsenz und Videokameras , die vor allem gut sichtbar für alle sind , aber selten effizient oder gar innovativ . Besonders offensichtlich wird dies bei den Handgepäckvorschriften im Flugzeug : Millionen unschuldiger Passagiere werden Tag für Tag durchleuchtet und abgetastet , obwohl sogar interne Kontrollen an amerikanischen Flughäfen offenlegten , dass diese Prozedur nicht in der Lage ist , Sprengstoff und Bomben erfolgreich zu detektieren . Ebenso symbolträchtig wie wirkungslos sind dann auch die jüngsten Vorstöße , Moscheen und Gebetshäuser , in denen man " Brutstätten für Islamisten " vermutet , konsequent zu schließen . Man könnte zahllose weitere Beispiele anführen .
ALTERNATIVEN ZUR TOTALÜBERWACHUNG
Aus ökonomischer Sicht gibt es ein optimales Level an Schutz vor Terrorismus , das von Individuum zu Individuum variiert . Manch einer ist bereit , einen großen Teil seiner Privatsphäre im Tausch für mehr Sicherheit aufzugeben . Ein anderer mag willens sein , größere Risiken in Kauf zu nehmen , um die eigene Privatsphäre zu schützen . Sicher ist , dass der Staat nicht in der Lage ist , allen Bedürfnissen zu entsprechen . Selbst Totalüberwachung hilft nur begrenzt gegen Terrorismus . Sinnvoll ist es , konkret die Entstehungsursachen anzugehen und dort den
Hebel anzusetzen . Das hat weniger mit Schuldzuweisungen an das Opfer als vielmehr mit effektiven Abwehrstrategien zu tun . Es könnte beispielsweise außenpolitische Gründe geben , die Terrorismus begünstigen . Gerade islamistische Attentäter haben die Präsenz westlicher Streitkräfte im Nahen Osten wiederholt als Begründung für ihre Schreckenstaten herangezogen . Osama bin Laden beispielsweise warf den USA in einer Fatwa von 1998 vor , dass sie " die heiligsten Stätten des Islam , die Arabische Halbinsel , besetzen , ihre Reichtümer stehlen , Regeln diktieren , ihre Bewohner erniedrigen und die umliegenden Staaten terroriseren ". Natürlich ist das keine Rechtfertigung dafür , Menschenleben auszulöschen , und man darf den im arabischen Raum weit verbreiteten Judenhass als Motiv nicht unterschlagen . Intuitiv ist die Erklärung trotzdem schlüssiger als häufig angeführtes “ Sie greifen uns an , weil sie unsere Freiheiten hassen ”. Eine zweite Maßnahme gegen Terrorismus könnte eine Ausweitung der Freihandelsbeziehung ( oder der Abbau von Handelsbarrieren ) mit den Ländern sein , in denen der islamistische Terror seine Brutstätte hat . Schon im 19 . Jahrhundert betonte der französische Ökonom Frédéric Bastiat die Bedeutung des Freihandels für die Erhaltung des Friedens . Freier Güterverkehr hilft uns , andere Menschen als Tauschpartner zu sehen statt als Feinde und Gegner . Es ist heute unvorstellbar , dass zwei Länder wie Deutschland und Frankreich , die durch ein dichtes Netzwerk an Handelsbeziehungen verwoben sind , Attacken auf die jeweils andere Nation begrüßen würden . Mehr Handel , mehr freier Personenverkehr zwischen Europa und der arabischen Halbinsel würden einen ähnlichen zivilisatorischen Effekt haben . Der furchtbare Terroranschlag in Paris im vergangenen November macht auch einiges deutlich . Videoaufnahmen zeigen , wie die Täter minutenlang wehrlose Menschen niederschossen , bis 129 Tote später die Sicherheitskräfte eintrafen . Unbewaffnet hatten weder Opfer noch Zeugen gegen die Attentäter die geringste Chance . Man mag aus vielen Gründen Bedenken gegen eine Liberalisierung des Waffenrechts haben , und es bleibt fraglich , ob einzelne Konzertbesucher in Paris dadurch hätten gerettet werden können . Und dennoch : Verbote von Schusswaffen schrecken höchstens gesetzestreue Bürger ab , und wer fest entschlossen ist , gelangt trotz Verbot an Waffen – auch das zeigen die Attentate . Dass sich die Täter bevorzugt Orte aussuchen , die extrem restriktive Schusswaffenvorschriften haben ( etwa Schulen ), ist wohl auch kein Zufall .
DIE PERFEKTE LÖSUNG GIBT ES NICHT
Die Existenz von Gewalt , die von Menschen wissentlich und willentlich ins Leben getragene – gehört zur Tragik unseres Daseins . Wir müssen Anstrengungen aufwenden , um ihr zu begegnen . In einer Welt knapper Ressourcen dürfen wir dabei aber nicht vergessen , die Fragen nach der Kosten­Nutzen­Balance zu stellen . Rigide „ Law­and­Order “ ­ Überwachungspolitik lässt dabei insbesondere den Kostenaspekt außen vor , während liberale Vorschläge – zurückhaltende Außenpolitik , Handelsintensivierung und Lockerung des Waffenrechts beispielsweise – nicht halb so idealistisch und unrealistisch sind , wie sie auf den ersten Blick scheinen . Wir dürfen nicht der Illusion aufsitzen , dass es ein lebenswertes , ein selbstbestimmtes Leben ohne Risiken , tödliche eingeschlossen , geben kann . Wer unter dieser Prämisse nach praktikablen Verbesserungen sucht , hat sicherlich bessere Aussichten als die zahlreichen Angst­ und Scharfmacher in unserem Lande .
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