Peace Love Liberty - Konflikte | Page 11

„ Antiliberale Konfliktpartner treten gerne als Fürstreiter für Freiheit und Unabhängigkeit auf .“
Konflikte
GEFAHREN DURCH EINE FALSCHE VERMITTLUNG
Im Zeitalter der „ Public History “, in der täglich unzählige Fernsehsendungen zu historischen Begebenheiten über den Bildschirm flimmern , sind wir es gewohnt , mit der Vergangenheit konfrontiert zu werden . Besonders Konflikte , also Kriege , Terrorakte oder allgemein das Zusammentreffen von gegensätzlichen Parteien , scheint die Aufmerksamkeit des Publikums zu erregen . Dabei geht es nur nachrangig um Gründe oder gar Wurzeln von Konflikten , denn Geschichte im Fernsehen folgt nicht selten der Logik von Hollywood , was vor allem Dramatisierung und Vereinfachung bedeutet . Dies hat auch zu einer Vereinfachung der scheinbaren historischen Wahrheit geführt . Längst wird in den beliebten TV Formaten emsig durcheinandergemischt , ein Sample aus den „ Schrecklichsten Diktatoren “ oder den „ 10 wichtigsten Momenten der Geschichte “ erstellt . Der Blick für das Klare geht verloren und das „ Vetorecht der Quellen “, wie der bekannte Historiker Reinhard Kosellek es nannte , weicht allmählich dem Vetorecht der größten Zuschauerzahl oder der aufwändigsten Produktion . Eine so vermittelte Geschichte birgt eine große Gefahr : der Blick für das Wesentliche , für Gründe , Zusammenhänge und Folgen von Konflikten kann verloren gehen .

„ Antiliberale Konfliktpartner treten gerne als Fürstreiter für Freiheit und Unabhängigkeit auf .“

Das führt nicht selten zu einer Fehlbeurteilung der Geschichte . Oft wird gezerrt und verbogen , bis die Vergangenheit zu einem passenden Argument für die Gegenwart wird . Häufig ist dies bei politischen Extremen zu beobachten , links wie rechts . Positive Beispiele für den Einfluss der „ Public History “ gibt es auch : Es ist sicher einigen der qualitativ anspruchsvollen TV Formate , die sich mit dem Nationalsozialismus auseinandersetzen , zu verdanken , dass ideologisierende Fanatiker , die den Holocaust leugnen oder davon überzeugt sind , dass der „ Führer “ noch unter uns ist , längst zurecht ein Dasein im eigenen abgeschotteten Nebel der geistigen Umnachtung fristen . Ganz anders sieht das auf dem linken politischen Spektrums aus . Auf dem Höhepunkt der RAF­Romantik vor einigen Jahren , als exzellent produzierte Spielfilme über die Terrorgruppe in den deutschen Kinos liefen und in TV­Dokumentationen ehemalige Top­Staatsfeinde ihre Sicht auf die gute alte Zeit schildern durften , war es plötzlich wieder en vogue mal ganz offen an der Uni gegen das „ Kapitalistische Schweinesystem “ zu rebellieren ; freilich nur wenn gerade keine Vorlesung war . Als sich zur „ dagegen “ ­Stimmung noch die Auswirkungen der Finanzund Wirtschaftskrise gesellten , war der explosive Nährsatz bereitet : Plötzlich erkannten nicht wenige der nun scheinbar gut Informierten in der Vergangenheit ein Beispiel für die Zukunft , rebellieren gegen den Kapitalismus , wie schon Baader und Meinhof . Den Coolness­Faktor des Revoluzzers gab es oben drauf . Jedem , der sich differenzierter mit der Geschichte , manchmal auch der eigenen und dem darin beigemessenen Wert der Freiheit beschäftigte , mögen Parolen wie „ Freiheit von den Bonzen “ oder „ Unabhängigkeit vom Markt “ wie ein Schlag ins Gesicht vorgekommen sein . Die Bewertung der historischen Bedeutung des Begriffs der Freiheit unterliegt immer auch aktuellen Trends .
VERSCHIEDENE BLICKWINKEL AUF HISTORISCHE KONFLIKTE
Dies verdeutlicht eines : Es kommt ganz darauf an , unter welchem Licht man historische Konflikte betrachtet . Schon allein der Begriff , den der Duden ganz sachlich als schwierige Situation infolge des Aufeinanderprallens unterschiedlicher Interessen , Forderungen oder Meinungen beschreibt , unterliegt immer der Perspektive des Betrachters oder sogar des Beteiligten . Was würde ein britischer Soldat des Ersten Weltkriegs sagen , der gerade in Schlamm und Gefechtslärm im Schützengraben liegt , wenn man ihn danach fragen würde , was ein Konflikt ist ? Oder ein deutscher Arbeitsloser in der großen Krise der 1920er Jahre , während er in einer langen Schlange vor einer Armenspeisung ansteht ? Oder ein amerikanischer Student , der gerade mit seinen Freunden ein Transparent trägt , mit der Aufschrift „ Make Love not War “? Aus drei historischen Situationen lassen sich drei oder mehr Definitionen herausfiltern . Ähnliches gilt beim Begriff der Freiheit : Freiheitskämpfer , Befreiungsfront oder Unabhängigkeitsbewegung sind nun einmal keine geschützten Begriffe . Jeder kann sich mit ihnen schmücken . Der tiefere Blick in die Thematik zeigt jedoch auch sehr schnell , dass vor allem antiliberale Konfliktpartner sich gerne und ohne Skrupel auf die Fahne schrieben , als Fürstreiter von Freiheit und Unabhängigkeit aufzutreten . Freiheit als Politikziel wurde auch instrumentalisiert . Insbesondere der Topos der „ Befreiung “ war eine der Leiterzählungen sowjetischer Machtstrategien in der Zeit des Kalten Krieges . So entsprach es der Logik des Systems , in unterworfenen Ländern einen Staat nach sowjetischem Vorbild aufzubauen und so einen treuen Satelliten um das eigene Machtzentrum zu schaffen . Man errichtete eine knallharte Militärmaschinerie , stampfte Geheimdienststrukturen aus dem Boden und installierte eine hörige Politikerkaste , die man nach Belieben austauschen konnte . Dem gab man dann den Beinamen Volksrepublik , Unabhängig oder Demokratisch und fertig war der Bruderstaat . Es ging um die totale Machtkontrolle , die Beschränkung der Freiheit des Einzelnen . Aber auch der Westen kennt Beispiele , in denen die Freiheit ­ oder ihre scheinbare Bedrohung ­ zum Anlass genommen wurde , existenzielle Grundrechte zu beschneiden . In den 1940er und 1950er Jahren wurden tausende Amerikaner verhaftet , weil man ihnen kommunistische Umtriebe vorwarf und sie der Kollaboration mit dem Feind im Osten bezichtigte . Dieses Klima der Angst wurde von der perfiden Rhetorik des Senators Joseph McCarthy getragen und vom FBI unter J . Edgar Hoover vollstreckt . Die Bewahrung der selbst definierten Freiheit , wie sie sich das republikanische Amerika der 1950er Jahre vorstellte , war wichtiger , als die Methoden ihrer Bewahrung zu hinterfragen . Das große historische Beispiel für erfolgreiches Freiheitsstreben ist der Kampf um Unabhängigkeit der nordamerikanischen Kolonien vom britischen Mutterland . Der amerikanische Unabhängigkeitskrieg veränderte den Fortgang der Geschichte wie kaum ein anderer Konflikt . Dass man in den USA häufig Straßennamen wie „ Liberty Road “ oder „ Independence Walk “ findet , ist kein Zufall . Vermutlich ist das einer der Gründe , weshalb Freiheitswerte bis heute zentrale Leitbilder in der amerikanischen Innen­ wie Außenpolitik markieren . Diese historische Reihe ließe sich unbegrenzt fortführen . Sie verdeutlicht , dass Freiheit stets eng verknüpft war mit Konflikten , egal welcher Art . Doch was bedeutet das für unsere Gegenwart ?
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