Klartext September 2014 | Page 13

Frühenglisch statt Landessprache? 13 Der Kampf der Sprachen Die Entscheidung des Thurgauer Grossrates, gefolgt vom Nidwaldner Regierungsrat, den Französischunterricht auf die Sekundarstufe zu verlegen, hat in der Romandie eingeschlagen wie eine Bombe. Dieser Aufschrei wurde östlich des Röstigrabens aber wenig verstanden, denn die Westschweizer Kritik hat vielfältige Hintergründe, auch widersprüchliche. E s sind die Multikulturalisten, welche dem Credo anhängen, ein Maximum an Fächern und Sprachen schon in jungen Jahren zu unterrichten. Gleichzeitig bleiben sie stumm, wenn es um das Problem geht, dass die Kinder auf diese Weise, durch die Oberflächlichkeit der obligatorischen Schule, nicht einmal mehr ihre Erst- oder Muttersprache beherrschen.Thurgau und Nidwalden stel- Spracherwerbs, ein totaler Gegensatz zur schulischen Realität. Französisch zu Gunsten des Englisch? Es gibt aber auch jene, welche im Frühsprachen-Entscheid der beiden Kantone den Sieg der englischen Sprache über die sehr viel schwieriger erlernbare französische Sprache sehen. Sie argumentieren, dass zuerst eine im Kulturen unseres Landes. Deshalb sollte der Französischunterricht dem Englischen vorgehen. Es ist unwahrscheinlich, dass der Französischunterricht durch einen intensiveren Unterricht auf der Sekundarstufe gefestigt wird, selbst wenn er noch mit einem Sprachaufenthalt ergänzt wird. Kantonale Hoheit beibehalten Grundsätzlich ist es aber sicherlich eine richtige und beherzte Idee, Sprachaufenthalte zu fördern. Die Entscheide im Thurgau und in Nidwalden sind aber in den Augen vieler Westschweizer trotzdem bedauerlich und kritisierbar. Diese Kritik versucht nun leider die Regeln des Föderalismus umzukrempeln. Die Kantone müssen aber ihre (bereits beschränkte) Handlungsfreiheit im Bildungswesen behalten. In den Kanton Basel-Stadt, Graubünden, Luzern, Nidwalden, Schaffhausen, Solothurn und St. Gallen sind Vorstösse hängig, die den Beginn des Französischunterrichts nach Sie müssen die Hoheit behinten verschieben wollen. halten, wie sie ihre Ziele QUELLE: BERICHT DER SCHWEIZERISCHEN ERZIEHUNGSDIREKTORENKONFERENZ (EDK) VON 2013 erreichen wollen und mit Alltag nützliche Sprache erlernt wer- welcher Priorität. Jene, welche heute mit len sich auf den wissenschaftlich gestützten Standpunkt, dass die Primarschule den soll, anstelle einer schwierigen einer Bundesintervention drohen, wären nicht in der Lage ist, einen qualitativen Sprache, welche in Ton und Struktur besser beraten, eine kritische Betrachtung Unterricht in zwei Fremdsprachen durch- weiter entfernt vom Schweizerdeut- der Methoden des Sprachunterrichts vorzuführen. Es muss daran erinnert werden, schen ist, aber dafür eine Sprache zunehmen. dass die deutsche Sprache für Deutsch- mit hohem kulturellem Wert darstellt. schweizer Schüler bereits eine Fremd- Englisch für den Alltag kann man sprache ist, genau wie das Französische wahrscheinlich in einem zweimonatiin der Romandie für eine grosse Zahl von gen Praktikum erlernen. Französisch von Grossrätin fremdsprachigen Kindern. Ausserdem und Deutsch verlangen dagegen einen viel strengeren Unterricht, denn Fabienne Despot, sind die Methoden des FranzösischunterPräsidentin SVP Waadt, richts unstrukturiert und basieren auf dem die Struktur ist viel komplexer. Diese beiden Sprachen sind aber Träger der Vevey (VD) pädagogischen Prinzip des beiläufigen